Hamburg. Bey Felginers Wittwe und Bohn
iſt an das Licht getreten: Herr Peter Baylens, wey-
land Prof. der Poeſie zu Rotterdam, verſchiedene Ge-
danken bey Gelegenheit des Cometen, der im Chriſt-
Monat 1680. erſchienen, an einen Doctor der Sor-
bonne gerichtet. Aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt,
und mit Anmerkungen und einer Vorrede ans Licht
geſtellet von Johann Chriſtoph Gottſcheden, Prof.
der Philoſophie zu Leipzig, des groſſen Fuͤrſten-Coll.
itz. Z. Praͤpoſ. und der Koͤnigl. Preuß. Soc. der Wiſ-
ſenſchaften Mitgliede. Was Bayle gedacht, wird
geuͤbten Leſern bis in die ſpaͤteſten Zeiten gefallen.
Wir preiſen dadurch nicht ohne Ausnahme alle ſeine
Saͤtze; es iſt uns ganz wohl bekannt, daß die Einſicht
in den Zuſammenhang der Wahrheiten auch bey den
ſcharfſinnigſten Gelehrten vielmals Fehltritte begeht.
Jnzwiſchen ſteht es nicht bey allen, das Gegruͤndete
mit dem Angenehmen auf eine ungezwungene Art zu
verbinden. Baylen war es gewoͤhnlich, deswegen
verdienen dieſe Gedanken von den Cometen ihr Lob,
und die Aufmerkſamkeit der Leſer. Der Herr Prof.
Gottſched hat dieſe Schrift nicht ohne zureichenden
Grund aus dem Staube hervor gezogen, und ihr
durch die Ueberſetzung in die Deutſche Sprache einen
beſondern Platz bey uns eingeraͤumt. Sie verdient
es allerdings, und durch ihren vermiſchten Jnnhalt
wird der Leſer im Denken niemals ermuͤdet. Der
Aberglaube, der herrſchende Aberglaube unter den
chriſtlichen Voͤlkern, war Baylens Augenmerk, da er
dieſe Gedanken abfaßte. Er legte das eingepraͤgte
Vorurtheil zum Grunde, daß die ausſchweiffenden
Cometen bedeutende Vorboten gewiſſer Ungluͤcks-
faͤlle ſeyn ſollten. Dieſe ungegruͤndete Meynung
hat bey vielen Voͤlkern in Europa groſſen Eindruck
gehabt, und es zitterten ehedem die Bewohner eines
ganzen Landes, wenn ein gekraußter oder geſchwaͤnz-
ter Comete auf ſeiner Wallfahrt einen Blick auf unſere
Erde warf. Kanzeln, Propheten, Dichter und wer
ſich nur einer Gabe bewuſt war, brauchten dieſelbe, ei-
ne Reihe von Bedeutungen der kuͤnftigen Ungluͤcks-
faͤlle zu machen, welche ſie in dem Schwanz oder
Kopf dieſes laufenden Geſtirns warzunehmen glau-
beten. Man ſeufzete und kruͤmmte ſich, diejenigen,
welche am verſtaͤndigſten haͤtten ſeyn ſollen, machten
das groͤßte Geſchrey, und niemand dachte an die
Worte des Jeremias: Fuͤrchtet euch nicht fuͤr den
Zeichen des Himmels, wie die Heyden thun. Wenn
das Belebte eines Cometen die aͤngſtlichen Handlun-
gen unſerer Erd-Bewohner haͤtte entdecken koͤnnen,
wir uͤberreden uns, es wuͤrde im vollen Spott gelacht
haben, daß Geſchoͤpfe, die ſo viel von Witz, Einſicht
und dem Kenntniß aller moͤglichen Dinge zu reden
wiſſen, fuͤr dem Widerſchein des Sonnen-Lichts er-
ſchrecken, das von einem bewegten Koͤrper abprallt.
Wir wiſſen nicht, ob man dieſe Handlungen mit ſchein-
baren Gruͤnden entſchuldigen kann, ſo viel iſt ge-
wiß, die Nachkommen wuͤrden es uns ſchwerlich zu
gute halten, wenn ſie aus unſern Schriften bemerk-
ten, daß wir noch in dieſem laͤcherlichen Wahn ge-
ſteckt haͤtten. Vernuͤnftige Menſchen haben zu al-
len Zeiten gleiches Recht und gleiche Verbindung, das
Wahre von dem Falſchen abzuſondern. Wenn wir
ohne Eigenliebe ſprechen wollen, ſo koͤnnen wir uns
nicht mehrere Kraͤfte des Geiſtes fuͤr unſern Vorfah-
ren, aber wohl mehrere Muͤhe, in Entdeckung der
Wahrheiten zuſchreiben, und dies haͤtten ſie auch
thun ſollen.
Herr Bayle geht bey der Betrachtung dieſes Vor-
urtheils weit zuruͤcke, und unterſucht, was fuͤr Mittel
daſſelbe erhalten und fortgepflanzet haben. Hier
muͤſſen die Dichter und Geſchichtſchreiber herhal-
ten, deren Ausſchweiffungen und ſcheinbarer Auf-
putz ihrer Gedanken einen guten Wiſcher verdienen.
Das Zeugniß des Claudians von den Cometen faßt
alle Thorheiten in ſich.
Nunquam terris ſpectatum impune Cometen.
Gerade als wenn er alle Folgen und Vorfaͤlle nach
ſolchen Erſcheinungen auf das genaueſte durchgegan-
gen waͤre, daß er einen ſolchen all wiſſenden Ausſpruch
thut. Die Spruͤchelgen der Poeten und die Hiſtoͤr-
gen der Geſchichtſchreiber haben allerdings etwas
beygetragen, daß die Einſicht bequemer Gelehrten ei-
ne Zeitlang umnebelt geblieben iſt. Herr Bayle giebt
aber folgende Gruͤnde wider die Vorbedeutung der
Cometen: a) Es iſt gar nicht wahrſcheinlich, daß ſie
die Kraft haben ſollten, auf der Erdkugel etwas her-
vor zu bringen. Dabey wird unterſucht: Ob ſie auſ-
ſer dem Lichte noch ſonſt etwas zu uns herab ſchicken?
Ob ihr Licht etliche Staͤublein abloͤst? Wie groß wol
die Wirkſamkeit ihres Lichts ſeyn kann? und zeigt,
daß die Ausduͤnſtungen der Cometen nichts wirken
wuͤrden, wenn ſie gleich bis auf die Erde kaͤmen. b)
Wenn die Cometen etwas wirken ſollten, ſolches eben
ſowol Gluͤck als Ungluͤck ſeyn koͤnne. c) Die Aſtro-
logie, als der Grund der beſondern Prophezeyungen
der Cometen, iſt eines der laͤcherlichſten Dinge von
der Welt. d) Geſetzt, es waͤre wahr, daß allemal
auf die Erſcheinung des Cometen vieles Ungluͤck er-
folgt ſey, ſo koͤnne man doch nicht ſagen, daß dieſel-
ben ein Zeichen oder Ungluͤck davon geweſen ꝛc.
Herr Bayle hat bey der Ausfuͤhrung weder die Be-
weiſe noch den lebhaften Ausdruck geſpart, und die
Anmerkungen des Herrn Gottſcheds erheben die Ge-
danken des Herrn Bayle; insbeſondere hat ſich der
Herr Prof. Muͤhe gegeben, wo Bayle nach ſeiner Vor-
ſtellungs-Kraft von der Wahrheit urtheilt, da er ge-
meiniglich in etwas ausſchweift, nach den Gruͤnden
der gelaͤuterten Vernunft ſeine Gedanken zu betrach-
ten. Wir wuͤnſchen, daß das Bild des Aberglau-
bens, welches gewiß noch eyfrig genug unter uns
Deutſchen angebetet wird, durch die Gedanken ver-
nuͤnftiger Maͤnner ſein toͤdtliches Schickſal erreichen
moͤchte; doch die Hoffnung iſt darzu noch nicht voll-
kommen, und wir muͤſſen eine Anmerkung des Hrn.
Gottſcheds deswegen hier einruͤcken: Bayle tadelt
die Thorheit der Perſer bey ihrem prophezeyenden
Calender. Herr Gottſched ſchreibt darzu: Wir
duͤrfen dieſen Aberglauben nicht in Aſien ſuchen. Eu-
ropa ſelbſt wimmelt noch dieſe Stunde davon. Jſt
es nicht eine Schande, daß man zu einer ſo aufge-
klaͤrten Zeit, als die jetzige iſt, und da kein Mathema-
tick-Verſtaͤndiger mehr auf die aſtrologiſchen Grillen
etwas haͤlt, dennoch in allen unſern Calendern das
Wetter prophezeyet, ja wohl gar vom Holzfaͤllen,
Saͤen und Pflanzen, Purgiren, Aderlaſſen, Haar-
Abſchneiden und Kinder Entwoͤhnen Unterricht geben
will? Gerade, als ob ſolches von dem Lauf der Ge-
ſtirne, oder dem Einfluß der Monds-Viertel herruͤhr-
te. Ja viele einfaͤltige Calendermacher wollen wohl
gar Krieg und Frieden, Peſt, theure Zeit und die
Todesfaͤlle groſſer Herren aus ihren Aſpecten her-
leiten, wenn gleich keine Cometen erſcheinen.
Der Verleger hat dies Buch mit ſauberer Schrift
auf weiß Pappier drucken laſſen.