Erſter Auftritt.
Gadhi. Maja.
(Gadhi iſt beſchaͤftigt, mit Matten und Buſchwerk eine Luͤcke
der Hinterwand zu verſtopfen).
Maja
(erſchreckt und aͤngſtlich ausrufend).
Mein Kind!
(Sie eilt in die Kammer, und kommt bald etwas beruhigter zuruͤck).
Gadhi.
Geliebtes Weib! ſchlaͤft unſer Knabe?
Maja.
Er ſchlaͤft. Horch, wie die Stuͤrme brauſen!
Fuͤrchterlich
Draͤut das Gewitter, und der Regen gießt
In Stroͤmen nieder. Was die ſchwache Hand
Des Menſchen baut, kann heute nicht beſchuͤtzen.
Gadhi.
Wie ich’s vermocht, hab’ ich die Wand geſichert
Ein ew’ges Dach woͤlbt uns der heil’ge Baum;
Sein greiſes Haupt hat oft das Flammenauge
Des Blitzes unverſehrt geſchaut. Der Donner
Rollt machtlos uͤber ihm, — ich zittre nicht.
Maja.
O waͤr’ ich ſtark wie Du, und ſchluͤge frey
Sich keiner Schuld bewußt dieß bange Herz!
Dein edler Blick, der in die reinen Tiefen
Der eignen Bruſt geſchaut, darf muthgeſtaͤhlt
Sich zu des Himmels dunkelm Antlitz wenden.
Ich aber zittre, wenn die Erde zittert;
Und wie der Sturmwind durch die Wipfel ſauſt,
Bewegt ein nimmer ſchlummerndes Gefuͤhl
Dieß ſchuld’ge Herz. —
Gadhi.
Geliebte, frevle nicht!
Wer nennt ſich rein, wenn Du dein edles Selbſt
Mit ſtrengem Worte unbedachtſam ſchmaͤhſt?
Nicht, was Du Frevel nennſt, erſchuͤttert Dich
Bey dieſes Donners Schlaͤgen; nicht den Muth,
Der freudlos mich beſeelt, erſehne Dir.
Den herben Keim zu dieſer bittern Frucht
Hat Schmach geſaͤt auf oͤden Lebens-Steppen.
Ihr Thau ſind Thraͤnen, und dem Jammer nur
Waͤchst ſie zum blutigen Genuß empor.
Nicht die gemeinen Schrecken der Natur,
Gleichmaͤßig draͤuend jeglichem Geſchoͤpf,
Nicht feindlich offene Gewalt befuͤrcht’ ich.
Hinausgetrieben aus des Lebens Reihen,
Geſchleudert aus der Welt geſell’gem Strome,
Bin ich befreundet in der Waͤlder Nacht,
Wo die Hyaͤne und das Panterthier
In friedlich blutiger Gemeinſchaft hauſen.
Mein Leben wag’ ich taͤglich, es zu friſten,
Und furchtlos, nicht der Felſen ſteile Hoͤh’,
Nicht liſt’ger Tiger blut’ge Naͤhe ſcheuend,
Jag’ ich der Beute nach: doch tief entſetzt
Erbebt mein Herz, wenn des Maquarah Schall
In dieſem graͤßlich ungeheuern Kampf
Des Menſchen fuͤrchterliche Naͤh’ verkuͤndigt,
Die Trommel droͤhnt, und von verborgner Senne
Des liſt’gen Jaͤgers ſchwirrt der ehrne Pfeil,
Das Unthier ſchreckend mit durchbohrten Weichen
Da theilt’s noch einmal die bewegten Luͤfte,
Ein zweyter Pfeil, — er trifft mein zuckend Herz —
Der Jaͤger jauchzt und ſchlaͤgt den Freudenwirbel;
Denn Brama laͤchelt, wenn ein Paria faͤllt.
(Heftiger Blitz und Donner).
Maja.
O Gadhi! Donn’re nicht, gewalt’ger Gott!
Dein Zorn iſt furchtbar.
Gadhi.
Furchtbar! Weine, weine,
Ungluͤcklich Weib, und dank dem Himmel noch,
Daß er Dir Thraͤnen ließ, — ich habe keine.
Mein Leben iſt ein elendes Gewimmer,
Der leiſe Seufzer des getretnen Wurms,
Den vor dem Daſeyn ſchon ein ew’ger Fluch
Verdammt, im Staub ſich aͤchzend hinzuwenden,
Indeß vor ſeinem Blick in Sonnenhoͤhe
Die Mitgeſchoͤpfe, reich befluͤgelt, ſchwinden
Laß dieſe Thraͤnen der Erinnrung fließen;
Einſt haſt auch Du des Lebens Glanz geſchaut,
Und deine Kindheit ſah begluͤckte Tage.
Maja.
Nicht jene Tage ſehn’ ich mir zuruͤck;
Dein iſt dieß Leben, das Du mir gerettet;
Und ſaͤh’ ich Dich zufrieden, waͤhnſt Du wohl,
Mich druͤckten dieſe niedrigen Beſchwerden?
Was kuͤmmert mich der aͤußern Guͤter Schein?
Des Weibes Herz kennt nur ein Gluͤck auf Erden;
Dieß Gluͤck heißt: lieben und geliebt zu ſeyn.
Gadhi.
O meine Liebe iſt ein elend Gluͤck!
Verworfen —
Maja.
Du — verworfen? —
Gadhi.
Bin ich’s nicht?
Iſt’s nicht das Kind, das deine Bruͤſte ſaͤugten? —
Wird’s nicht der Enkel mit gebeugtem Haupt,
Wird’s nicht mit heißen Thraͤnen der Bedruͤckung
Ein ganzes folgendes Geſchlecht beweinen,
Daß unſre Liebe ihm das Daſeyn gab? —
Wenn deine Stimme Donner iſt, dein Name
Gerechtigkeit und Langmuth, großer Brama,
Gieb Antwort: warum folgt dein ew’ger Haß
Dem ungluͤckſel’gen Stamm, der mich erzeugt?
Weil einſt vielleicht in grauer Fabelzeit
Ein Paria die Huld’gung Dir geweigert,
Den Gott verhoͤhnt, der zu der Erde Pruͤfung
Sein lichtes Daſeyn mit Geſtalt umguͤrtet,
Lehrt Deiner Prieſter Schaar, ſo weit die Fluth
Des Ganges wogt, daß unſre Naͤhe ſchaͤndet,
Daß ſich allein von uns in Zornes Gluth
Dein heilig, Gnade ſtroͤmend Antlitz wendet.
Maja.
Nein, nein! das Meiſterwerk der Schoͤpfung iſt
Ein Herz, das edel fuͤhlt wie Deines. — Der Schoͤpfer
nicht
Wird ſolch ein Herz mit ſeinen Fluͤchen druͤcken;
Die Prieſter luͤgen.
Gadhi.
Ja, ſie luͤgen, Maja,
Und glaubt’ ich’s nicht, mein Glaube wuͤrde irr’
An dem, dem ihre Opfer Laͤſtrung dampfen.
Brama iſt gut und freundlich: ſtroͤmt ſein Blick
Nicht den befruchtend ſegensreichen Strahl?
Hat ſeine Hand mit ſturmesfeſten Zweigen
Nicht der Banane ſchuͤtzend Dach gewoͤlbt?
Iſt er der Vater nicht der ew’gen Mutter,
Der allumfaſſend liebenden Natur?
Ihr heiliges Geſetz heißt Lieb’ und Duldung,
Und was ſie gleich gebildet an Geſtalt,
Knuͤpft friedlich auch ein gleiches Band der Seele.
In ihrem Reich iſt nichts gering und fremd:
Das weite Meer verſchmaͤht den Tropfen nicht,
Den dieſer Regen gießt aus truͤben Wolken;
Mit bruͤderlichen Armen waͤlzt der Strom
Ihn fort und fort in ſeinen ew’gen Wellen,
Gleich ſeiner bergentſtuͤrzten Silberfluth.
Der Menſch allein zerſtoͤrt mit frecher Hand
Den gleichen Spiegel ſeines edeln Weſens,
Und Glauben, — Glauben nennt er ſeinen Wahn.
Doch Brama laͤchelt ſchonend, ſich in’s Licht
Der Wahrheit tauchend, bis auch wir zum Tag
Des Wiſſens aus der Nacht des Irrthums ſcheiden.
Maja.
So will ich Dich, mein Gadhi! Du entbehrſt
Das Schlechtre nur; des Lebens beßre Guͤter
Sind Dein in unvergaͤnglichem Beſitze?
Dein edler Glaube und mein treues Herz,
Das mit Dir fuͤhlt und mit Dir glaubt und leidet.
Gadhi
(ſie umfaſſend).
Zwey Edelſteine unſchaͤtzbaren Werths,
Die ich gefunden in dem Schacht des Elends.
Ihr Glanz erleuchtet meine dunkle Bahn,
Begluͤckt mein Herz, erfuͤllt, was ich bedarf
Als Menſch; doch ich bin Mann — der Mann will mehr.
Im Maͤnnerbuſen draͤngend wohnt die Kraft,
Die nur am Licht der That ſich kann entfalten.
Duͤrft’ ich nur Menſch ſeyn unter Menſchen! — ach!
Es iſt ſo wenig doch begehrt, ſo wenig!
Sie ſchmeicheln ihrem Hund und ihrem Roſſe
Und ſcheuen uns, als haͤtt’ uns die Natur
Zur Larve Menſchenbildung nur gegeben.
Stellt mich Euch gleich und ſeht, ob ich Euch gleiche!
(Mit ſteigender Kraft).
Ich hab’ ein Vaterland, ich will’s beſchuͤtzen.
Gebt mir ein Leben und ich zahl’s mit Wucher,
Wo die Gefahr der Schlacht mit ehrnen Zungen
Die Opfer heiſcht, und an des Lebens Fuͤlle
Sich bis zur Ueberſaͤtt’gung naͤhrt und ſtirbt.
Wagt’s und erprobt des Unterdruͤckten Kraft!
Schon ſeh’ ich mich mit thatenſuͤcht’gem Muth
Hinſtuͤrzen in das toͤdtlichſte Gewuͤhl,
Umſaust von Speeren und umblitzt von Pfeilen,
Feſt ſteh’ ich, wie beym Donner des Gewoͤlk’s.
Mir nach, mir nach! — Seht Ihr den Knaben mir
Zur Seite ſtehn? Das iſt mein Kind — mein Kind!
Aus meinem Blut iſt er entſproſſen; ſeht,
Wie er die Lanzen wirft! getroffen ſinkt
Der Feind, ihm fluchend: — ſegn’ ihn, Vaterland,
Es iſt mein Kind; es hat fuͤr dich geſtritten,
Sein Vater iſt fuͤr dich gefallen. —
Maja.
Nein,
Du bleibſt — verlaß mich nicht — Du kannſt nicht fort,
Und wenn Du’s koͤnnteſt, nimmer ſollteſt Du’s.
Gadhi.
Was iſt Dir, Maja? was ergreift Dich?
Maja.
Weh!
Gadhi.
Dich aͤngſtet nur ein Traum — ein Paria bin ich,
Ich darf nicht ſtreiten fuͤr mein Vaterland.
Maja.
Kein Traum — mich aͤngſtet Wirklichkeit — ich kann
Ich darf Dir’s laͤnger nicht verſchweigen — mich
Ergreift die Ahnung von Gefahren —
Gadhi.
Rede, rede!
Maja.
Erzitt’re und vergieb mir, mein Geliebter. — —
Dieß Felſenthal, das unſre Huͤtt’ umſchließt —
Gadhi.
Das ich Dich nimmer zu verlaſſen bat?
Maja.
Verlaſſen hab ich es —
Gadhi
(in hoͤchſter Angſt).
Und wardſt geſehen.
Maja
(bejaht es ſchweigend).
Gadhi
(wendet ſich mit einem Laute des Entſetzens ab).
Maja
(nach einer Pauſe).
Kaum ſind ſechs Sonnen unter — und ich ging
In’s nahe Gaͤrtchen, Fruͤchte ſuchend. Ruhig
Ließ ich den Knaben, auf der Matte ſchlummernd,
In unſrer Huͤtte. — Als ich wiederkehre,
Iſt Matt’ und Huͤtte leer, das Kind iſt fort.
Umſonſt durchſuch’ ich Thal und Garten, ruf’ umſonſt
Den theuren Namen, leer bringt mir die Luft
Die eignen Jammertoͤne nur zuruͤck.
Da, mich ergriff die fuͤrchterlichſte Angſt,
Mit ſcheuem Blick rings an der Felswand ſpaͤh’ ich —
Gadhi.
Wir ſind verloren!
Maja.
Wir? Fragt eine Mutter,
Was außer ihrem Kind noch lebt und wuͤnſcht,
Wenn ſie ihr Kind vermißt? — Ein ſteiler Pfad
Fuͤhrt aufwaͤrts; raſchen Schritts erklimm’ ich ihn,
Und finde jenſeits mich des Thals, umſchattet
Von einem Hain, der ſeine Palmendaͤcher
Weit uͤber viel verſchlungnen Wegen breitet.
Nicht Muͤhe ſcheu’ ich noch Gefahren, winde
Mit durch’s Gebuͤſch, und ploͤtzlich vor mir ſeh’ ich
Mein Kind — und einen Jaͤger neben ihm
Vom Stamm der Rajahs, Fruͤchte mit ihm theilend.
Hin ſtuͤrz’ ich, meinen Knaben feſt umſchlingend,
Und halt’ ihn lang’ — bis des Entzuͤckens Gluth
Den Quell des Aug’s, den mir die Angſt erſtarrte,
In reichen Stroͤmen heißer Thraͤnen loͤste.
Aufblickend endlich trifft mein feuchtes Auge
Das gluͤhende des Jaͤgers; Angſt ergreift mich;
Dank ſtammelnd, meinen Knaben faſſend, will
Ich fliehn; er aber, feſt mich haltend, ruft:
„Weib! wunderbar ergriff dein Anblick mich,
„Mein Herz durchzucken nie gefuͤhlte Flammen,
„Wer Du auch ſeyſt — Du folgeſt mir.“
Gadhi.
Hoͤrſt du’s, Brama!
Maja.
Ich aber ihm erwiedernd: „Herr! mein harrt
„Und meines Kindes der beſorgte Gatte
„In ferner Huͤtte“ — will entwinden mich
Den ſtarken Armen, doch nur feſter druͤckt
Der Raſende mich an ſein wallend Herz,
Beſtuͤrmend mich mit frechen Liebesworten.
Die Angſt der Mutter — jetzt der Gattin Qual —
Ein Nebel deckte mir die Sinne — da
Ziſcht eine Natter aus dem Graſe auf,
Die giftigſte von allen — ſtreckt das Haupt
Mit Gier nach dem Kinde aus: ich ſeh’s,
Und Mutterliebe giebt mir Rieſenkraft.
Weit von mir ſchleudr’ ich den gewalt’gen Mann,
Und hoch mein Kind mit beyden Haͤnden ſchwingend,
Flieh’ ich das Unthier deutend dem Verwegnen.
Nichts hemmt die Eil’ der Flucht, und als ich ſcheu
Die Blicke wende, den Verfolger fuͤrchtend,
War er entſchwunden in der Nacht des Waldes.
Gadhi.
Entſchwunden! wenn er’s nicht auf immer waͤre?
Wenn ihn die Liſt der wuͤthenden Begier
Den Weg zu unſrer Huͤtte finden lehrte!
Halt’ feſt, mein Herz — ich kenne dieſe Rajahs,
Sie ſcheuen uns, gleich wie der Peſt Beruͤhren;
Doch wallt ihr Blut von frecher Luſt durchgluͤht,
Gleich gilt es dieſem raſenden Geſchlecht,
Ob es Befried’gung findet im Pallaſt,
Ob in des Paria fluchbeladner Huͤtte.
Maja.
Er komme nur — er wag’ es nur zu nahen!
Gadhi.
Es raͤcht ein Gott mit unverhofften Blitzen,
Doch wenn er dem verworfnen Bettler droht
Sein letztes Gut zu rauben — —
Maja
(ihm in die Arme ſinkend).
Soll’s der Tod
Eh’ als der Raͤuber unſers Gluͤcks beſitzen.
Gadhi.
Mein Weib! mein theures, heißgeliebtes Weib!
Maja
(aus ſeinen Armen aufſchreckend).
Horch, Gadhi! hoͤrſt Du nichts?
Gadhi.
Das dumpfe Rollen
Des fernen Donners.
Maja.
Schrecklicher als Donner
Schallt’s naͤher mir und naͤher —
Beer’s Paria. 2
Gadhi.
Stimmen! horch,
Und Tritte naher Menſchen!
Stimmen
(von Außen).
Hierher! Licht!
Maja.
Wir ſind verloren! ſchuͤtz’ uns, großer Brama!
Gadhi.
In jener Kammer, theures Weib, verbirg Dich.
Maja.
Nicht ohne Dich.
Gadhi.
Hier will ich weilen.
Maja.
Nimmer!
Schnell reizt die Rohen der unſel’ge Anblick
Des Paria zu raſcher Wuth. — Verbirg Dich!
Ein Blick auf dieſe Huͤtte wird ſie’s lehren,
Wer ſie bewohnt, und wenn ihr Auge nicht
Dem Wirth begegnet, fliehn ſie raſch von dannen.
Gadhi.
Wenn ſie verirrt —
Maja.
Nicht der erzuͤrnte Himmel,
Nicht das Entſetzen oͤder Wildniß ſchreckt
Sie mehr, als deine unheilvolle Naͤhe.
Hinweg! ſie nah’n! Dort ſind wir ſicher.
Gadhi
(ihr mit Widerſtreben folgend).
Sicher?
Entſetzenvolle Sicherheit der Schmach!
(Beyde ab ins zweyte Gemach).Vierter Auftritt.
Gadhi. Benascar.
Gadhi
(leiſe auftretend).
Fort ſind ſie alle, und doch ſchien es mir,
Als hoͤrt’ ich aͤchzen —
(Benascar erblickend und den Bogen ſpannend).
Ha! dort! dort — ein Kranker,
Verwundet, huͤlflos und allein. — Hinab
In deinen Abgrund, dunkler Geiſt der Rache!
(die Senne abſpannend).
Hernieder perlenhelles Mitleid, loͤſche
Mit Himmelsthau die Flammen dieſer Bruſt.
Vergebung, Herr — —
Benascar.
Fort, Ungeheuer! Fort!
Nimm dieß fuͤr deine gottverhaßte Bruſt!
(Er ſchleudert einen Dolch nach ihm, der vor Gahdi niederfaͤllt).
Gadhi
(den Dolch emporhebend).
Sieh, Herr! ſo ſchwach, ſo machtlos biſt Du, daß
Des Haſſes Waffe, die mich toͤdten ſollte,
Zur Wehr in meiner Hand wird gegen Dich.
Benascar.
Mit dieſen Faͤuſten ſelbſt zerreiß’ ich Dich,
Wenn Du dich nahſt.
Gadhi.
Befuͤrcht’ es nicht, Du ſollſt
Mit meinem Blute nicht die Hand beflecken.
(Ihm den Dolch zuruͤckſchleudernd).
Nimm deinen Stahl zuruͤck und lohn’ mit Mord
Dem Wirth, der Dir ein gaſtlich Dach gewaͤhrt.
Vergebend ſcheidet er, und ſeine Rache
Traͤgt in ſich ſelbſt des Undanks ſchwarze That.
Benascar
(der ſich aufrichtete, den Dolch zu verbergen, ſinkt nun in großer
Erſchoͤpfung auf den Sitz zuruͤck).
Gadhi.
Du zitterſt und erbleichſt; der nahe Tod
Loͤſcht von den Wangen deines Zornes Gluth.
Sey mild und ſcheide mit verſoͤhntem Blick.
Benascar.
Ich lebe noch; willſt Du mich hoͤhnen?
Gadhi.
Hoͤhnen?
Dir helfen moͤcht’ ich, wenn — —
(er hat ſich Benascar genaͤhert und ſeinen Arm ergriffen).
Ja, noch, ich ſeh’ es,
Gelobt ſey Brama! noch iſt Huͤlfe moͤglich;
Noch rettet Dich ein Balſam, den mein Weib
Aus ſegensvollem Kraut des Thals bereitet.
In wen’gen Augenblicken iſt’s zu ſpaͤt,
Schon faͤrbt dein Blut ein Tod verkuͤndend Schwarz.
Benascar.
Wenn Du zu retten mich vermagſt, — ſo rette.
Gadhi
(fuͤr ſich).
Nicht Edelmuth und Wohlthat nicht verkehrt
Zu Taubenſinn der Schlangen gift’ge Art.
Dem Feinde meines Stamms erzeig’ ich Gutes!
Ob’s weiſ’, ob’s thoͤricht iſt, ich weiß es nicht;
Doch folgen muß ich dem gewalt’gen Drang,
Dem lauten Schlag des tiefbewegten Herzens.
(Er eilt in die Kammer).Sechster Auftritt.
Gadhi tritt ein, Maja fuͤhrend, die verſchleyert iſt, und ein
Gefaͤß und Linnen in der Hand traͤgt).
Benascar. Gadhi. Maja.
Maja
(zu Gadhi).
Was thateſt Du! wenn’s jener Fremdling —
Gadhi.
Straft
Mit gleichem Blitz der Himmel Schuld und Wohlthat?
Ich will’s nicht denken — nein — er wird’s nicht ſeyn.
(zu Benascar).
Sieh, Herr, mein Weib, das mit dem kund’gen Blick
Das Kraut erſpaͤht, das heilende, im Thale;
Sie wird den Balſam traͤufeln in die Wunde
Und Dich mit ſanfter Hand vom Schmerz befreyn.
Benascar.
So komm!
Maja
(fuͤr ſich).
Er iſt’s! gerechter Brama! Faſſung!
(Sie ermannt ſich und geht mit ſchnellen Schritten zu Benascar,
der auf dem Sitze ruht, indeß ſie vor ihm hinknieet und die Wunde
verbindet).
Benascar.
Wenn Ihr Verrath und Liſt, Verworfne, ſinnt,
Und jetzt vielleicht mit heißem Gift mein Blut
Zu Leben freſſender Empoͤrung reizt,
So wiſſet: eine Schaar umſtellt die Huͤtte,
Mir unterthan, die das Verbrechen raͤcht
Und Euern Mord mit tauſendfachem Tod
Euch lohnen wird.
Gadhi.
Sucht den Verrath bey Euch!
Verworfen nennt Ihr uns — erkennet jetzt,
Ob wir es ſind.
Benascar
(zu Maja, die von ſichtbarer Angſt bewegt wird).
Was zitterſt Du? —
Maja
(hat den Verband vollendet und will ſich entfernen).
Benascar
(ihre Hand ergreifend).
Dein Balſam
Kuͤhlt lindernd mir den Schmerz; doch fuͤhl’ ich mich
Erſchoͤpft, mich duͤrſtet. — Ach! nur einen Trunk!
Gadhi
(will gehen).
Benascar.
Weh’ mir! Verworfner, bleib! der Trank,
Den Du mir reichſt, kann mir nicht Labſal ſeyn.
Die Quelle iſt verflucht, aus der Du ſchoͤpfſt,
Und die kryſtallene Erquickung truͤbt
Zu ſchnoͤdem Gift ſich in verworfner Hand.
Dank ſey’s dem Himmel! hier bewahr’ ich mir
Noch eine Frucht, die ich im Walde pfluͤckte;
Sie labe mich —
Maja
(ihm die Frucht entreißend).
Ungluͤcklicher, halt ein!
Du biſt des Todes! giftig iſt die Frucht.
Benascar.
Was hoͤr’ ich! welche Stimme! Ja, ſie iſt’s!
Das iſt die hohe, reizende Geſtalt!
Den Schleyer nieder, daß ich bebend ſchaue
Den Blick der, wie der Sonn’ umwoͤlktes Licht
Das Leben weckt im tiefen Schoos der Erde,
Von Thraͤnen ſchwer, dieß Herz entflammend traf.
Herab den Schleyer —
Gadhi.
Was ergreift Dich, Herr?
Dieß iſt mein Weib!
Benascar.
Dein Weib, Verworfner? Fort!
Den Schleyer nieder —
Maja.
Gadhi, ſchuͤtze mich!
Er iſt’s.
Gadhi.
Der Fremdling.
Maja.
Wehe! weh! er iſt’s.
Benascar.
Du biſt’s, und wieder kennſt Du mich, und birgſt
Voll Schauder dein Geſicht? Ich habe Dein
In flammend heißer Sehnſucht ſtets gedacht,
Und will Dich ſchauen, koſtet es mein Leben.
Gadhi.
Hinweg, ſag’ ich, Verwegener! dieß Weib
Iſt mein, und keiner ſoll es wagen
Die freche Hand an dieſes Haupt zu legen.
Es gab den Schwaͤchſten Waffen die Natur,
Und dieſe ſchwache Hand hier wird zur Keule,
Die Dich zerſchmettern ſoll, wenn Du dich nahſt.
Benascar.
Mir trotzeſt Du, Verworfner, feiger Sclave!
So nimm den Tod —
(er will den Dolch nach ihm ſchleudern).
Maja
(ſich zwiſchen Beyde werfend).
Halt’ ein! mich ſchauen willſt Du?
(ſich entſchleyernd).
So ſchaue, Wuͤth’rich, die unſel’gen Zuͤge;
Und legte jetzt erbarmend die Natur
Des Baſilisken Mord-Kraft mir in’s Auge,
Erwidern wollt’ ich Dir mit raſchem Blick
Die freche Gluth, die Dich durchflammt.
Benascar.
Sie iſt’s!
Und Liebe fordert mit gewalt’gem Schlag
Dieß tief bewegte Herz.
Maja.
Begehrſt Du Liebe,
Du — Du von mir, Wahnwitz’ger, ſo vernimm,
Daß ich Dich haſſe wie die Nacht der Suͤnde.
Und wie ich hier mit bangen Armen feſt
Den Heißgeliebten an den Buſen druͤcke,
So bin ich ſein auf ewig. Meine Liebe
Folgt treu, nach Bramas heiligem Gebot,
Wie durch das Leben ihm, bis in den Tod.
Benascar.
Wie dieſes Zornes Purpur, gleich dem Roth
Des Morgens, das der Sonne Glanz erhoͤht,
Mit unnenbarem Reize Dich verklaͤrt!
Wie ſchoͤn biſt Du! wie fuͤhl’ ich ganz zu Dir
Mit ſchwellendem Gefuͤhl mich hingezogen!
(Mit erwachendem Stolze).
Doch war’s nicht Haß, was Du mir zugeſchworen?
Verſchmaͤhſt Du nicht des freyen Mannes Triebe?
So ſiege denn Gewalt, wenn nicht die Liebe!
Zu meiner Sclavin hab’ ich Dich erkoren!
(In die Scene rufend):
Herbey, Gefaͤhrten!
Maja.
Was beginnt er —
Gadhi
(mit einem Blick gen Himmel).
Brama!
Jetzt waͤr’s zu donnern Zeit — und Du biſt ſtumm!
Siebenter Auftritt.
Die Indianer. Die Vorigen.
Benascar
(zu den eintretenden Indianern, die ſich beym Anblick des Paria
nicht zu naͤhern wagen).
Ergreift dieß Weib!
Erſter Indianer.
Des Paria Weib?!
Benascar.
Wer murrt hier?
Zum Sclavendienſt erkor ich ſie. Hinweg!
Gadhi
(zu Maja).
Umklammre Dich nur feſter, feſter noch.
Benascar
(zu den Indianern, indem er Maja aus ihres Gatten Armen reißt).
Was zoͤgert Ihr!
Beer’s Paria. 3
Gadhi
(vor ihm niederſtuͤrzend).
Barmherzigkeit! ich flehe;
Ich lieg’ im Staub vor meines Gluͤckes Raͤuber.
Ich habe Haß mit Liebe Dir vergolten,
Und wie vergiltſt Du meine Liebe mir?
Eindringſt Du in des Bettlers arme Huͤtte,
Das letzte Kleinod ihm hinweg zu ſtehlen.
Nichts nenn’ ich mein auf dieſer weiten Welt,
Als dieß geliebte Weib — —
Benascar.
Du nennſt nichts Dein!
Du biſt ein Paria.
Gadhi.
Ha! iſt’s dieß allein,
Was Dir zur Schandthat Muth gibt, ſo vernimm —
Maja
(zu Gadhi).
Was willſt Du thun?
Gadhi.
Dich retten und mich toͤdten.
Vernehmt, ſie iſt aus meinem Stamme nicht.
Frey laßt ſie, Sclaven, werft Euch bebend nieder
Und fleht im Staube, daß ſie Euch vergebe:
Denn eines Rajahs Tochter nennt ſie ſich.
Benascar.
Was hoͤr’ ich! —
Gadhi.
Wahrheit — und die Wahrheit toͤdtet:
Denn wie die Flamme der verſchwiegnen Erde
Den Mutterſchooß zerberſtend auf ſich waͤlzt,
So wird das Wort der lang verſchloßnen Bruſt,
Das jetzt verraͤthriſch von den Lippen flieht,
Mich ſelbſt verdammend, mir den Tod bereiten.
Benascar.
Sprich! ſprich! mich foltert grauenvolle Ahnung.
Gadhi.
Ihr ſeht dieß Weib —
(von Ruͤhrung uͤberwaͤltigt).
O komm an dieſes Herz!
Vergoͤnnt mir nur noch einmal ſie zu druͤcken
An dieſe Bruſt.
Maja.
O mein geliebter Freund!
Gadhi.
Mein Weib! — einſt hatt’ ich Muth, Dich zu erretten;
Dich zu verlieren, fuͤhl’ ich mich zu ſchwach.
(gefaßter zu Benascar).
Verflucht iſt mein Geſchlecht. Wo ſich das Leben
In friedlicher Gemeinſchaft froͤhlich eint,
Wo Haus an Haus, wo Menſch an Menſch ſich reiht,
Wo ſich der Tempel heil’ge Daͤcher woͤlben,
Darf nimmer ein Verworfener ſich nahn.
Mir hat der Tag nur in der Waͤlder Nacht,
Nur in der Hoͤhlen dunkelm Grund geleuchtet,
Doch draͤngend zog mich’s zu des Lebens Freuden;
Denn menſchlich wie mein Antlitz iſt mein Herz
Und wenn des Tags verraͤtheriſcher Glanz
Erloſch, die Nacht ſich huͤllend niederſenkte,
Dann ſchlich ich bebend in der Staͤdte Naͤhe
Und weilte gern, wo auf dem Feld des Friedens
Die Menſchen ſchlummern ſonder Lieb und Haß,
Den Schlaf des Todes in dem dunkeln Bette.
Einſt — —
Maja.
Weh’ uns!
Gadhi.
Heil uns, ruf’ ich, Heil!
Wir haben einen kurzen Tag gelebt,
Doch war’s ein Tag an heißer Liebe reich.
Einſt ruht’ ich ſo; die Nacht war rein und mild,
Und vor den Blicken weitgebreitet lag
Das herrliche Benares, leicht verhuͤllt
Vom Silberſchleyer der geſtirnten Nacht.
Erſtorben war das toſende Gewuͤhl,
Und tiefe Stille herrſchte rings umher.
Selbſt die geſchwaͤtz’ge Luft entfuͤhrte leiſe
Dem vollen Kelche reich durchwuͤrzte Duͤfte.
Nur ferne her aus leuchtenden Pagoden
Klang der Braminen naͤchtliches Gebet,
Und friedlich an die bluͤhnden Ufer trieb
Des Ganges edler Strom die Silberwellen,
Treu in der vielbewegten Wogenbruſt
Das ew’ge Bild des bleichen Lichtes tragend.
So trug auch ich ein ewiges Gefuͤhl
In dem zerrißnen Herzen. Sehnſucht war’s
Nach Liebe und Erbarmen. Dieſe Schoͤpfung,
Die mich verwarf, war ſo unendlich ſchoͤn!
Ich war ein Fremdling unter gleichen Weſen,
Und doch vertilget, wie mit einem Hauch,
War all mein Haß — mein ganzes Weſen Liebe.
Ein Thraͤnenſtrom drang aus dem heißen Aug’,
Da blickt ich auf, und vor mir hingegoſſen
In tiefem Schmerz, auf einem Grabe ſeh’ ich
In namenloſer Schoͤnheit — dieſes Weib.
Maja.
Halt ein!
Die Wunden bluten der gequaͤlten Bruſt.
Entſetzliche Erinn’rung! Meine Mutter!
Auf ihrem Grabe war’s, wo er mich ſah.
Verloren fruͤh hatt’ ich die Eltern beyde,
Und war verbunden einem greiſen Gatten,
Dem Pflicht, nicht Liebe mich zu eigen gab.
Krank lag er mir daheim. Ein graͤßlich Uebel
Brach ihm die morſchen Glieder, und der Tod
Traf uns, nach furchtbarem Geſetz, vereint.
Ich ſah das Flammengrab, die friſche Jugend
Dahingegeben graͤßlicher Verweſung,
Und in der ſtillen Nacht, mit heißen Thraͤnen,
Verzweiflungsvoll, netzt’ ich der Mutter Grab.
Da ſah ich ihn. — Nur einen Augenblick
Entſetzte mich die angeborne Scheu
Vor der Verworfnen Stamm. Der Wahrheit Licht
Traf ſonnenhell den nachtumhuͤllten Blick.
Bald, bald erkannt’ ich dieſes ſchoͤne Herz.
Und wie den innerſten Gedanken ſchnell
Das Wort zuruͤckgibt mit beredtem Fluͤgel,
So leuchtete die Liebe wahr und hell
Aus ſeines Auges demantreinem Spiegel.
Allnaͤchtlich ſchmuͤckt’ er mir mit friſchen Blumen
Der Mutter theu’res Grab, und bebend wand ich,
Bethaut vom Perlenſchmucke meines Jammers,
Die ſtillen Zeichen edler Lieb’ zum Kranz,
Mein elend Haupt zu kroͤnen in der Stunde,
Die mich zum Tode rief mit gluͤhndem Munde.
Neun Naͤchte harrt’ ich — und die Stunde kam,
Mein Gatte ſtarb —
Benascar.
Und Du, Ungluͤckliche,
Du lebſt?
Gadhi.
Entſetzlicher! klagſt Du ſie an,
Daß ſie des Daſeyns allgewalt’gem Ruf,
Dem ew’gen Trieb gehorcht der ird’ſchen Bruſt?
Durchſpaͤhe die Natur: welch ein Geſchoͤpf
Verlaͤugnete in wuͤthender Verblendung
Der Selbſterhaltung angeborne Wehr? —
Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild
Des bluͤhenden Entſetzens. Dunkle Locken,
Geloͤst von der Verzweiflung Schreckenshand,
Umſchlugen Geißeln aͤhnlich ihr die Bruſt,
Und hoch auf wallte der empoͤrte Buſen,
Und ſchlug im Wettſtreit mit den frechen Luͤften
Zuruͤck des Hauptes feſſelloſe Zier.
Das gluͤh’nde Auge ſtarrte kalt und todt
In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten
Die bleichen Lippen — da erblickt ſie mich,
Und ploͤtzlich in gewalt’gen Jammerſchrey
Loͤst ſich der ſtarre Schmerz — „Mein Gatte ſtarb!“
Ruft die Ungluͤckliche — „und ich, Geliebter,
Ich ſterbe mit ihm!“
(zu Benascar).
Zuͤcke deinen Dolch,
Zeig mir den Tod in jeglicher Geſtalt;
Was ich empfand bey jenem Schreckenswort,
Empfind’ ich nie mehr — nie. Kein Laut, kein Wort,
Erſchuͤtterte die grauenvolle Nacht;
Mit ſtummen Thraͤnen netzten wir das Grab.
Da ſchwand das Dunkel, — und mit gluͤhnden Sohlen
Und Purpurwangen, wie ein feſtlich Kind
Beſchritt der Tag die Hoͤhn, mit heißen Lippen
Hinweg die naͤcht’gen Thraͤnen alle kuͤſſend
Der lichtberaubten Erde. Wir allein
Wir blickten weinend noch empor — da ſtrahlte
Mit blut’gem Schein, das heitre Licht entſetzend,
Ein zweyter, ferner, dampfumhuͤllter Tag.
Der Holzſtoß flammte, er ſchlug empor,
Und ſchien hochlodernd zu begehren
Die koͤſtliche Beute zu verzehren. —
Schauerlich hallten die Todtengeſaͤnge,
Aber ſchon wogte in graͤßlichem Chor
Fernher die Opfer ſuchende Menge
Liſtige Prieſter mit heiligem Munde
Luden ſegnend zum feurigen Bunde,
Und die Weiber mit jubelndem Schreyn,
Drangen ſich in die entſetzlichen Reihn,
Alle umſchlungen die wallenden Locken
Mit dem froͤhlichen Immergruͤn.
Aber wir ſehen ſie naͤher ziehn,
Und fuͤhlen das Blut uns wie Flammen gluͤhn,
Und fuͤhlen’s wie Eis in den Adern ſtocken.
Sie erbleichte und wankte und ſtoͤhnte: „Erbarmen!“
Da rief ich ihr zu: „Genuͤgt Dir ein Herz
Voll unendlicher Lieb’ und ein Daſeyn voll Schmerz,
So trag’ ich Dich fort mit maͤnnlichen Armen.“
Sie blickte empor, ſie ſprach keinen Laut,
Doch fuͤhlt’ ich’s lebendig, ſie hatte vertraut,
Feſt umſchlang ich den ſinkenden Leib,
Rettend entfuͤhrt’ ich die Flammengeweihte,
Und mir gehoͤrte, mir die Befreyte,
Sie ward mein — ward mein liebendes Weib.
Benascar.
Sie ward dein Weib, und Bramas Rache ſchwieg!
Wie durch des Himmels Plan die Wetterwolke,
Durchzieht ein Unheil kuͤndendes Gefuͤhl
Die ahnungsvolle Bruſt. — Verworfner, nenne
Den Namen ihres Vaters mir —
Maja.
Halt ein!
In dunkeln Kreiſen waͤlzet nah und naͤher
Sich die Erinn’rung lang vergangner Zeit.
Die Ahnung iſt ein draͤuendes Geſpenſt,
Sie iſt der Tod, wenn ſie die Wahrheit iſt.
O ſchweig’, Geliebter! nenn’ den Namen nicht!
Benascar
(zu Gadhi).
Nenn’ ihn! ſoll ich nicht eitel Truggeſpinnſt
Die liſt’ge Rede halten.
Gadhi.
So vernimm:
Die ich mein Weib mit ſtolzer Liebe nenne,
Des Rajahs Tochter iſt’s — Delhi-Benascar.
Benascar
(ſtoͤßt einen Schrey des Entſetzens aus).
Die Indianer
(wenden ſich beſtuͤrzt ab).
Maja
(verhuͤllt ſich).
Gadhi
(zu Benascar).
So groß einſt — jetzt ſo elend, und Du willſt
Sie tiefer ſtuͤrzen in unnennbar Leid?
Dich ruͤhrt, ich ſeh’s, der Treue heil’ge Macht,
Du biſt geruͤhrt —
Benascar.
Geruͤhrt? — es iſt die Wuth
Die auf den Lippen mir das Wort erſtarrt.
(zu Maja).
Verruchte, rede: lebt denn keiner Dir,
Der Rechenſchaft von deinem Handeln fordern
Und deiner Vaͤter Ehre raͤchen darf?
Maja.
Was fragſt Du?
Die Eltern ſtarben fruͤh; den einz’gen Bruder
Entfuͤhrte mir in fruͤher Kindheit ſchon
Ein ferner Krieg, ich ſah ihn niemals wieder.
Benascar.
Wenn Du ihn wiederſaͤheſt, wenn er kaͤme
Und fragte: „Weib! was haſt Du mir gethan?
Wo iſt das Kleinod meiner Ehre? wo
Der unbefleckte Name meiner Vaͤter?“
Maja.
Mein Blut erſtarrt.
Benascar.
Laß ſeine rothen Wellen
Den Froſt des Todes uͤberfliegen. Rede,
Gieb Antwort, wenn Du kannſt, — ich bin dein Bruder.
Maja
(ſtuͤrzt zu Boden).
Gadhi
(nach einer Pauſe zu Benascar).
Herr, ich bin ſchuldig, toͤdte mich!
Benascar.
Das will ich.
Gadhi.
Doch raſch, eh’ ſie erwacht!
Benascar.
Der Rath iſt gut,
Er ſey dein letztes Wort!
(Indem er mit gezuͤcktem Dolche auf Gadhi eindringen will, er-
wacht Maja).
Maja
(abweſend, ſtarr auf Benascar blickend).
Wo bin ich? weh!
Die Graͤber geben ihren Raub zuruͤck,
Mit bleichem Antlitz, zuͤrnend naht mein Vater,
Das iſt ſein Geiſt!
(mit zuruͤckkehrendem Bewußtſeyn).
Mein Bruder — ja — mein Bruder!
O wie ſo ſuͤß der ungewohnte Klang
Des theuern Namens mir zum Herzen dringt!
Mein Bruder, Du wirſt menſchlich ſeyn —
(den Dolch in ſeiner Hand erblickend).
Weh’ mir!
Dein Herz iſt Eiſen, deine Blicke Mord,
Und dein Umfangen Tod.
Gadhi
(zu Benascar).
Was zoͤgerſt Du?
Ich bin bereit zu ſterben.
Benascar.
Ich zu toͤdten.
Empfange deinen Lohn!
Maja
(ſich zwiſchen Beyde werfend).
Entſetzlicher!
Halt’ ein! was willſt Du thun?
Benascar.
Die Gottheit raͤchen,
Die Du geſchaͤndet haſt, wie meine Ehre.
Maja.
Entweiht’ ich dieſen Gott durch Lieb’ und will
Er Blut dafuͤr, ſo ſag’ Dich los von ihm
Und ſtell’ Dir in dein goldnes Heiligthum
Ein friedlich Lamm, es knieend anzubeten.
Es iſt mehr Goͤttliches in ihm, als in
Dem Racheduͤrſtenden, den Du verehrſt.
Die Indianer.
Weh!
Benascar.
Fluch Dir!
Maja.
Ja, auf mich die Fluͤche!
Auf mich die Rache! mein iſt das Verbrechen!
Und freveln werd’ ich, iſt die Liebe Suͤnde,
So lang’ ein Hauch des Lebens mich beſeelt!
Denn dieſes Herz iſt ein unſterblich Buch,
Deß voller Inhalt Liebe iſt fuͤr ihn,
Fuͤr ihn, fuͤr den Verworfnen. Hoͤrſt Du’s, Bruder?
Triff raſch und raͤche deine Schmach.
Gadhi
(zu Benascar).
Sie raſ’t.
O hoͤre ſie nicht an! Mein iſt der Frevel.
Beredet hab’ ich ſie und uͤberliſtet,
Verfuͤhrt zum Bruch des heiligen Geſetzes,
Gekettet an mich mit den Zauberbanden
Verwegner Lieb’, und deiner Rache Donner.
Entlade ſich auf dieſes Haupt. Sey gnaͤdig
Und toͤdte raſch!
(Er wirft ſich vor ihm nieder).
Maja
(ſich ebenfalls vor Benascar hinwerfend).
Du wirſt barmherzig ſeyn
Und nicht die einz’ge Gunſt der Schweſter weigern.
Der Raſende mit thatenſuͤcht’ger Wuth
Stuͤrzt ſich in dieſen Tod: ich aber lebe,
Ein traurig Angedenken deiner Schmach.
Du biſt entehrt, wenn nicht im ſtummen Grabe
Mit meinem Daſeyn meine Schande ſchlaͤft
Drum end’ es, — waͤhle — —
Gadhi
(einfallend).
Waͤhle mich zum Opfer.
Maja.
Ich bin’s, nur ich bin ſchuldig.
Benascar.
Beyde ſeyd Ihr’s.
(zu Maja).
Draͤngſt Du dich zu dem Tod der Schande? Lebe,
Ein ſtilles Leben reuevoller Buße,
Und dank’ es meiner unnennbaren Liebe,
Dem maͤchtig ungeheueren Gefuͤhl,
Das auf fuͤr Dich in dieſem Buſen flammte,
Seit ich zum erſten Mal Dich ſah.
(zu Gadhi).
Du ſtirbſt!
Und wie ſich hier vor den Gefaͤhrten frey
Die Schmach enthuͤllt, die mein Geſchlecht getroffen,
So will ich auch, daß ſichtbar jedem Auge
Das Schreckensbeyſpiel meiner Rache ſey.
(zu ſeinen Gefaͤhrten).
Nicht mich allein, Gott ſelbſt hat er geſchaͤndet,
Und wenn er faͤllt, und wenn er blutig endet,
Sey’s am Altare durch des Prieſters Beil.
Gadhi und Maja
(ſinken einander in die Arme und halten ſich feſt umſchlungen).
Benascar
(zu den Indianern).
Der Morgen graut. Ihr eilt hinweg und ſucht
Den Diener Brama’s in dem nahen Tempel.
Beſcheidet ihn hierher; aus meiner Hand
Empfang’ er dieſes Opfer.
Die Indianer
(gehen ab).
Benascar
(fuͤr ſich).
Faſſung, Herz!
Er iſt gekaͤmpft, der ſchwere Kampf der Pflicht.
Zwoͤlfter Auftritt.
Vorige. Benascar.
Benascar.
Geborgen iſt der Knab’ —
Maja.
So fliege muthig
Aus deiner dunkeln Haft, gebeugte Seele,
Du wandelſt Dich zu glaͤnzender Geſtalt,
Und ſchwebſt mit ſchuͤtzend hellen Fluͤgeln dann
Um des geliebten Kindes Haupt.
Benascar.
Jetzt — trennt Euch!
Der Prieſter naht, und Eurer Huͤtte Wand
Stuͤrzt nieder unter ſchnell geſchaͤft’ger Art;
Daß nicht beflecke auf verworfner Schwelle
Den reinen Fuß der Diener des Gewalt’gen
Der neunmal deinem Stamm und Dir geflucht.
Gadhi.
Dein Gott des Fluches iſt ein Gott des Abſcheus.
Ich glaub’ an ſeine Lieb’; von ſeinem Haß
Spricht Bloͤdſinn, Habgier oder Frevel nur.
Wer ſich’s von ſeinen Prieſtern uͤberliefern,
Von ihren Ammenmaͤhrchen lehren laͤßt,
Was Glaube ſey und Gott, der ſchmaͤht ſich ſelbſt.
Er iſt unlaͤugbar, wie ſein himmliſch Licht;
Des eignen Buſens flammende Erkenntniß.
Macht ſeine Welt zum Spiegel ſeines Weſens.
Und haſt Du ihn erkannt, — mußt Du ihn — glauben;
Nothwendiger iſt Daſeyn nicht und Tod.
Ich war verworfen, und mit reinem Herzen
Blick’ ich zuruͤck auf meines Lebens Bahn.
Gefunden hab’ ich, was des Bettlers Huͤtte
Zum Paradieſe ſtiller Luſt geſchaffen;
In treuer Bruſt fuͤr mich ein gluͤhend Herz …
Maja
(droht zu ſinken).
Gadhi.
Weh’ mir!
Maja.
Die Gluth wird kalt.
Benascar.
Wie bleich Du wirſt!
Maja
(zu Benascar).
Was ſtarrſt Du ſo? es war dein eigner Wille.
Du waͤhnſt, ich liebte, und ich koͤnnte nicht
Fuͤr meine Liebe ſterben — —
Benascar.
Welche Ahnung!
Maja.
Die Frucht — die gift’ge —
Benascar.
Die Du mir entriſſen?
Gadhi.
Sie giebt uns Beyden jetzt den Tod.
Benascar
(zu Gadhi).
Ha, Ungeheuer! das haſt Du gethan!
Maja.
Ich ſelbſt — ich ſelbſt — oh, wie das ſchmerzt — wie’s
brennt!
(Schleyer und Stirnband abreißend).
Hinab den ird’ſchen Tand — ah! Freyheit! Luft!
Das Leben iſt ein Feuermeer und ſprengt
Gewaltſam mir die Adern, um hinaus,
Hinauszuſtroͤmen in die ew’gen Luͤfte.
Mir wird die Welt zu eng.
Indianer
(in die Huͤtte ſtuͤrzend).
Nieder mit des Paria Huͤtte!
Nieder mit dem Paria ſelbſt!
Heil Brama! Heil!
(Die Huͤtte wird niedergeriſſen. Man erblickt ein reizendes Thal.
Morgenroͤthe. Aus dem Hintergrunde naht langſam, unter rau-
ſchender Muſik der Zug mit dem Braminen).
Maja.
Mein theurer Freund,
Du ſchauderſt! — O geliebte Sonne, komm,
Laß Deiner goldnen Wangen Purpurglanz
Erroͤthen mir das bleiche Angeſicht;
Daß ihn der Tod, den er erleiden ſoll,
In dieſer Ungeſtalt nicht ſchrecke.
Gadhi.
Gott!
Maja.
Es war ein kurzer Kampf — es iſt vorbey!
Kein Schmerz — Entzuͤcken — Freyheit — Licht —
Mein Gadhi — folge mir — —
(Sie ſtirbt).
Gadhi.
Ich folge bald — ich fuͤhle ſchon — den Tod. — —
So recht — laßt unter dieſem Dach das Leben
Sich ſchmerzenfreyer loͤſen; dieſe Luft
Und dieſes Licht iſt allen gleiche Wohlthat. Ueberall
Nur Liebe, Lieb’ — und Ihr ſeyd nichts als Haß.
So dunkel — Nacht — dort! dort! das Licht,
Und alle — alle — gleich — mein Kind —
Benascar
(an Maja’s Leiche, von ſeinem Gefuͤhl uͤberwaͤltigt, ihm die
Hand reichend).
Ich ſchuͤtz’ es Dir.
Gadhi
(heftet den Blick ſtarr auf ihn und ſtirbt).