Frankreich.
Paris, 8 Jun.
Wegen des Pfingstfestes sind am 8 Jun. außer dem National, dem Courrier français, dem Constitutionnel und Galignani's Messenger keine Journale erschienen.
Aus der Sitzung der Pairskammer vom 5 Jun. tragen wir folgende Stellen aus Graf Caffarelli's Commissionsbericht über das Gesetz zur Abholung der sterblichen Reste Napoleons nach: „England hat dem Gesuch der französischen Regierung mit edlem Eifer entsprochen. Ihre Commission gesellt sich den von England ausgedrückten Wünschen, dadurch frühern Nationalgroll bis auf die letzte Spur verwischt zu sehen, bei. Meine Herren, das französische Volk ist von einem Gefühle der Bewunderung für den erlauchten Souverän, für den weisen und erleuchteten Gesetzgeber, für den großen Feldherrn, für den geschickten Administrator durchdrungen, der einer langen und blutigen Anarchie ein Ende machte, der die Herrschaft der Justiz und die Finanzen des Staats wieder herstellte, eine starke und gemäßigte Verwaltung schuf, die lange mißkannte Religion im Lande wieder aufrichtete, den Ruhm unserer Waffen zur höchsten Stufe erhob, der endlich über Alles das Glück und die Größe des Volks wollte, aus dessen Reihen hervorgegangen zu seyn er sich zur Ehre rechnete... Ihre Commission hat von einer an die Kammer durch die Einwohner von St. Denis gelangten Petition Kenntniß genommen, die Reste des Kaisers in der k. Gruft von St. Denis beizusetzen; sie war aber nicht gesonnen, dem Regierungsentwurf ein Amendement beizufügen. Inzwischen stieß doch in ihrer Mitte die Wahl der Invalidenkirche auf einige Einwürfe, die aber keinen förmlichen Vorschlag veranlaßten. Indem wir Ihnen einstimmig vorschlagen, dem Regierungsentwurfe beizutreten, haben wir es für überflüssig gehalten, an alles das zu erinnern, was der Kaiser Napoleon für das Glück und den Ruhm des französischen Volks gethan hat; das Andenken daran ist in diesen Mauern noch gegenwärtig, wo so viele Zeugen seines Ruhms und Gefährten seiner Arbeiten sitzen.“
In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 6 Jun. glaubte bei Berathung des Budgets des Kriegsministeriums Hr. v. Mornay die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Vorgänge in Afrika ziehen zu müssen, damit Menschen und Geld nicht länger mehr unnütz verschwendet werden. Denn trotz der glänzenden Waffenthaten fürchtet er, man müsse bald wieder von vorn anfangen. Bei dem 7 Capitel „Sold und Unterhaltung der Truppen in Nordafrika,“ 18,494,436 Fr., schlägt General Bugeaud als Amendement 20 Millionen vor, um die Kosten zu Errichtung von Legionen aus den Colonisten Algiers zu decken. Er versucht zuerst mit einigen Worten den Vertrag an der Tafna zu rechtfertigen, da ihm vorgeworfen worden sey, daß er den jetzigen Krieg hervorgerufen, weil er ihn damals nicht beendigt habe. Damals habe er sich an den Willen der Kammer, an den Willen des Conseilpräsidenten gehalten, der eine beschränkte Besetzung Afrika's angerathen habe. Der eigentliche Krieg von Frankreich aus könne nur in vorübergehenden Kriegszügen bestehen; selbst bei allen siegreichen Feldzügen würden einzelne unruhige Stämme bleiben, die nur durch eine Bewaffnung der Colonisten selbst im Zaume gehalten werden könnten. Die Armee sey nie nach der Zahl zu berechnen, sondern nach ihrem moralischen Gehalte. In Afrika könne sich aber keine feste Kerntruppe bilden, da sie entweder vom Feinde oder Krankheiten aufgerieben würden, oder wieder nach Hause zurückkehrten. Mit 60 bis 80,000 Mann, wie sie jetzt in Afrika stehen, wolle er Frankreichs Einfluß über Europa entscheiden, doch müßten sie frei seyn von allen Nachzüglern, Fricoteurs, wie sie zu Napoleons Zeit geheißen (Gelächter.) Im Jahr 1813 sey Napoleon nur deßhalb unterlegen, weil in seiner Armee von 400,000 Mann, 60 bis 80,000 Fricoteurs, d. h. Soldaten gewesen seyen, die stets die Bratpfanne in Händen gehabt hätten. Afrika sey nur für Officiere eine gute Schule. „Doch das kann der Zweck der Colonie nicht seyn. Dieser ist die Colonisation des Landes und zwar so schleunig als möglich. Mit zwei Colonisten-Legionen kann man eine gleiche Anzahl Truppen nach und nach herausziehen, und mit der Zeit wird das Land eine starke, kriegerische Bevölkerung haben, die sich gegen Angriffe von Innen und Außen vertheidigen kann.“ – Hr. Thiers, Präsident des Conseils: General Bugeaud hat den Vertrag der Tafna vertheidigt, ich habe ihn nicht angegriffen, im Gegentheil habe ich gesagt, daß er vom Augenblick geboten worden sey, denn damals warf man der Regierung vor, ohne Zweck den Krieg zu führen, was eben jenen Vergleich zur Folge hatte. Dessenungeachtet ist er in seinen Folgen verhängnißvoll geworden, denn während Marschall Clauzel in jener Zeit den Atlas mit 4000 Mann übersteigen konnte, hat es jetzt der heroischen Anstrengung von einer drei- bis viermal größern und kriegsgeübten Macht bedurft, um dasselbe Ziel zu erreichen – denn wir haben Abd-El-Kader Zeit gelassen, sich zu befestigen und eine Armee zu schaffen. Man merke wohl, ich tadle Niemand; ich sage sogar, wäre ich damals Minister gewesen, hätte ich vielleicht ebenfalls dem allgemeinen Willen nachgegeben, wenn auch meine Meinung gegen den Frieden gewesen wäre. Der Fehler ist geschehen; um ihn zu verbessern, um zu verhindern, daß er wieder eintrete, müssen wir den Feind besiegen, entwaffnen, ihn zwingen, Fremde neben sich zu leiden. (Sehr gut! sehr gut!) So lange wir durch einen glücklichen Krieg die Araber nicht unterworfen haben, können wir keine Sicherheit in Afrika hoffen. Hr. Bugeaud sprach von einem unglücklichen Kriege und dachte dabei daran, daß er ohne Resultat sey. Aber im Interesse Frankreichs dem Auslande gegenüber können wir von einem unglücklichen Kriege nicht sprechen, wenn unsere Armee auf allen Schlachtfeldern siegreich ist, wenn die Gefechte überall heroische Thaten hervorrufen. Alle Officiere, die Zeugen dieser Gefechte gewesen und mit denen ich gesprochen, sind voll von Bewunderung für die Tapferkeit, das Talent, die Seelengröße, den Muth und die Ausdauer, die unsere Armee überall bewiesen. Das ist das unverdächtige Urtheil von Fremden. Unsere Officiere verbinden mit gleicher Tapferkeit eine Bildung, wie sie vor 30 Jahren nicht gefunden wurde. Wenn man sagt, Afrika sey unsere Schwäche, so irrt man, Afrika ist unsere Stärke. Schon das Schauspiel fortdauernden Heroismus, das wir der Welt geben, erhebt uns in ihren Augen. Es zeigt,
daß, wenn wir wollen, wir immer noch seyn werden, was wir vor 40 Jahren waren. – Man kritisirt das Betragen unserer Generale. Ohne Zweifel tadeln Sie die Operationen eines General en Chef. Mein Gott, ich habe viel darüber sprechen hören; doch sollte man es nicht thun. Man sollte nie einen General tadeln, in dem Augenblicke, wo er noch zu Pferde sitzt. Ich habe die erfahrensten Männer darüber gehört und muß sagen, ich bin weit entfernt, sein Verfahren als unglücklich anzusehen. Ich bedaure, daß man in Medeah keine größere Macht gelassen hat, und habe Befehl gegeben, daß sie sogleich vermehrt werde. Die Absicht der Regierung war nicht allein, Medeah zu besetzen, sondern am Fuß des Atlas Frankreichs Macht in Achtung zu bringen. Einen Mann auf dem Schlachtfelde beschränken, alle Details im voraus vorzeichnen, hieße nur Plane entwerfen, die in der Wirklichkeit unausführbar sind, weil die Umstände ihnen nicht mehr entsprechen. Doch seyn Sie versichert, daß wir alle Theile der großen Aufgabe im Auge behalten, die uns anvertraut ist, und daß keiner unsere Aufmerksamkeit mehr auf sich zieht als Algier. – Was den Colonisationsplan des Generals Bugeaud betrifft, den er jährlich wiederholt, so ist er wie alle andern ihm ähnlichen zu absolut. Ich glaube, daß man das System der Colonisation nach den verschiedenen Theilen Afrika's verändern muß. Hätten wir Zeit gehabt, schon frühere Resultate der Kammer vorlegen zu können, so würde ich nicht verfehlt haben, dem Conseil und der Kammer die Ausführung solcher Vorschläge vorzulegen. Sie wissen, daß General Rogniat den Plan entwarf, eine feste Gränze (obstacle contenu) in der Ebene Metidscha zu schaffen. Dieser Plan ist sorgfältig erwogen worden, und meine Ansicht darüber steht fest. Alle, die aus Afrika zurückkommen, sind der Meinung, daß wenn die Ebene auf solche Weise geschützt sey, die Colonisation sich selbst unterhalten würde. Aus allen Theilen Europas würden Colonisten herbeikommen. In Algier selbst kann ein herrlicher Hafen eingerichtet werden, dessen Anlage nicht bloß auf dem Papiere steht, sondern zum Theil schon fertig ist, und in seiner Vollendung ein Geschwader von 30 Linienschiffen fassen wird. Dann würden wir einen großen Hafen haben, und wenn sich um diesen Hafen einige hunderttausend europäische Colonisten, in der Mehrzahl Franzosen, ansiedeln, so wird dann der Keim jenes großen Baumes gelegt seyn, den Sie in Afrika hervortreiben wollen und aus dessen Stamm später die schönsten Zweige hervorsprossen werden. Ich wenigstens zweifle nicht. Hierzu, könnte man glauben, reichten 1,500,000 Fr. Aber ein einfacher Graben würde nicht genügen, es muß hinter ihm eine Verschanzung, eine Mauer errichtet werden. Nun, mit sieben bis acht Millionen könnte man das schönste, fruchtbarste Land schützen und bei Operationen gegen schnelle Angriffe sichern. Doch das Alles ist nur eine vorläufige Angabe, die Schwierigkeit liegt in der Möglichkeit der Ausführung. Wir müssen uns darüber noch genauere Aufschlüsse verschaffen, und werden die Resultate unserer Untersuchungen der nächsten Kammer vorlegen. Hätten wir hierbei nur an den Nutzen gedacht, so würden wir sogleich die Credite verlangt haben, um die Arbeiten zu beginnen; doch hielten wir es nicht für gut das Werk anzufangen, ohne zu wissen, ob wir es wirklich ununterbrochen fortführen könnten. Die Regierung führt also nicht den Krieg des Krieges wegen, doch kann sie auch nicht schneller gehen, als die Ereignisse selbst. Vielleicht bedauern wir in zwei oder drei Monaten, wenn wir uns unterrichtet, nicht sogleich die Arbeiten angefangen zu haben und ein halbes Jahr verlieren zu müssen, und doch wäre es eine schwere Verantwortlichkeit für uns, sie ohne Zustimmung der Kammern anzufangen. – Die Regierung will nicht Krieg des Krieges wegen führen, um im Moniteur einige Bulletins zu haben; andererseits leben wir aber in einer Zeit, wo in unserm Vaterlande die traurige Neigung herrscht im Augenblicke des Geschehens selbst die Begebenheiten und Unternehmungen zu kritisiren, zu verkleinern. Traurige Correspondenzen sind nach Paris geschickt und veröffentlicht worden, und könnten Europa glauben machen, es wäre Prahlerei, wenn wir von glücklichen Kriegen sprechen. Und doch, wenn sie es nicht wären, würden wir es offen bekennen; wären unsere Truppen geschlagen worden, würden wir nicht sagen, sie seyen siegreich gewesen. Könnten wir die öffentliche Meinung täuschen? Eine Menge Fremder verlangt an dieser Kriegsschule in Algier Theil zu nehmen. Mehrere Cabinette Europa's schlagen uns Officiere vor, die unsern Operationen folgen wollen. Natürlich, weil sie es für eine gute Kriegsschule halten. Alle Völker, die sich gegen leichte Truppen geschlagen, haben in diesen Kämpfen treffliche Heere gebildet. Im Rücken von Heeren, hinter denen Reiter kommen, welche die Köpfe abschneiden, gibt es keine Nachzügler. Jede Infanterie, die sich gegen eine furchtbare Reiterei schlug, wurde in diesen Kämpfen die beste Truppe der Welt. Der Soldat soll Kaltblütigkeit im Gefecht, der Officier schnelle Entschlossenheit im Augenblick der Gefahr erlangen, die Truppen überhaupt, in Märschen, Strapazen, Leiden aller Art sich abhärten, ohne die Disciplin zu verlieren. In solcher Schule bilden sich die Armeen. Unser Vaterland ist reich an Männern, deren Namen auf den glorreichsten Seiten unserer Geschichte stehen. Aber sie sterben alle Tage dahin, und die nicht sterben, werden alt und unfähig zu dienen. Freilich sollte man nicht Krieg führen, nur um eine Schule zu haben. Aber wenn wir das große Interesse haben, Toulon gegenüber einen neuen Hafen im Mittelmeer zu gründen, und neben diesem Interesse noch das andere, die Erinnerungen des Heldenmuths und der Kriegskunst unter uns nicht aussterben zu lassen, so brauchen wir das nicht zu bedauern, was wir thun. Ich sage, wir haben Grund die Worte, die ich für sehr wahr halte, zu wiederholen: Afrika ist nicht unsere Schwäche; nach meiner tiefsten, wahrsten Ueberzeugung ist unser Afrika unsere Kraft.“ (Lebhafter Beifall.) Hierauf verlangte General Bugeaud das Wort, und obgleich mehrere Stimmen ihn auf den Montag verwiesen, suchte er sich zu vertheidigen, als habe er der Armee in Afrika keine Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er glaube nur, daß der Krieg, wie ihn Valée geführt habe, zu keinem Resultate führe, da er seine Kräfte zersplittere. Das Project, die Ebene Metidscha umgränzen zu wollen, billige er zwar sehr, nur halte er es für unmöglich den Anfang dazu jetzt zu machen. „Das Gefühl der Nationalität greift bei den Arabern immer mehr um sich, trotz des siebenjährigen Kriegs, den man geführt hat. Die Zeit hat ihr Kraft gegeben und, centralisirt in der Hand eines einzigen Mannes, wird sie noch mächtiger werden, wenn der Krieg unglücklich geführt wird. In diesem Falle hilft eine Mauer nichts. Man muß glücklich im Kriege seyn, und die Macht Abd-El-Kaders zerstören, wie der Präsident des Conseils gesagt hat. Wollen wir nachher eine Mauer bauen, so stimme ich für alle nöthigen Credite. Auch der Hafen wird nur wichtig, wenn um Algier eine Colonisation gegründet ist, die Volk und Armee ernähren kann, ohne das ist Hafen und Eroberung nie sicher, und wir verlieren beides im ersten unglücklichen Kriege im Mittelmeer.“ Endlich wiederholt er noch, daß Afrika keine Soldaten bilde, da sie entweder sterben oder nach Hause zurückkehren, nur treffliche Officiere würden gebildet werden können. Doch deßhalb sey noch nie Krieg geführt worden, und doch sey das bis jetzt der einzige Vortheil, den Frankreich daraus gezogen. Man müßte daher ein anderes System in der Colonie
anwenden; doch ziehe er sein Amendement zurück, zufrieden, die Aufmerksamkeit der Kammern auf eine so hochwichtige Angelegenheit gelenkt zu haben. Da die Kammer nicht mehr vollzählig war, wurde die Abstimmung auf Montag vertagt.
Die Deputirtenkammer fuhr am 8 Junius in Erörterung des Budgets des Kriegs fort. Marschall Clauzel bemerkt, man sey jetzt seit zehn Jahren im Besitze von Algier, und noch erwarte dieses eine Organisation, ein System. Man habe große Fehler begangen. Die Verwaltungen seyen rasch auf einander gefolgt, und es scheine Alles gleichsam im Haß gegen die Colonisirung geschehen zu seyn. Hätte man bei den Arabern die Hoffnung, Algerien preiszugeben, nicht unterhalten, so würden sie sich ihrem Geschick unterworfen haben. Er wolle die gegenwärtigen Militäroperationen nicht tadeln, sondern nur an die Frage der Colonisirung erinnern, die allein die Opfer der Eroberung aufwiegen könne. Der Entwurf zu einer zusammenhängenden Umschanzung gehöre nicht dem General Rogniat an; er existire seit zehn Jahren, sey geprüft und verlassen worden. Das Cap. 9 „Sold und Unterhalt der Truppen von Algerien 18,294,400 Fr.“ ward dann angenommen, so wie die noch übrigen Capitel des Kriegsbudgets, und die Kammer ging zur Erörterung des Budgets des Seewesens und der Colonien über. Obrist Paixhans klagt, daß die Kosten der Marine fortwährend steigen, ohne daß die Seemacht in demselben Verhältniß stiege. Die Zahl der Kriegsschiffe sey geringer als unter Ludwig XVI und nach dem amerikanischen Revolutionskriege. Frankreich sey in Vergleichung mit der englischen Seemacht sehr schwach. Statt der Erbauung großer Segelschiffe räth er zu Erbauung einer Marine von Dampfbooten, die weniger kosten und mit guter Artillerie ausgestattet der englischen Marine die Spitze bieten könnte. Der Seeminister bemerkt, die Zahl der Dampfboote werde sich 1841 auf 30 belaufen, 1840 sey sie nur 20. Die größten hätten bis jetzt nur 220 Pferdekraft, man werde aber nächstens Dampfboote von 320 bis 450 Pferdekraft besitzen. Die Colonialfragen seyen einer speciellen Commission des Ministeriums zur Prüfung vorgelegt. Diese Commission werde auch die Negerbefreiungsfrage prüfen, die mancherlei Schwierigkeiten darbiete. Hr. Isambert spricht von der schlechten Finanzverwaltung der Colonien, die alle Deficits darböten. Hr. Dangeville erklärt sich in demselben Sinn, Frankreich habe fünf Colonialniederlassungen in beiden Indien; ihre Bodenfläche sey nicht größer, als fünfmal die Bodenfläche des Departements der Seine, und zu deren Verwaltung habe man 1120 Beamte! (Abgang der Post.)
(National.) Sorgfältig haben wir Alles, was in Paris über den letzten Feldzug des Marschalls gedruckt worden ist, gelesen. Die Presse klagt ihn einstimmig an. Nicht eine Stimme hat sich zu seiner Vertheidigung erhoben. Eben so einstimmig lauten auch die aus Afrika gekommenen Correspondenzen, und die Journale sind nur der schwache Ausdruck der Klagen und der Erbitterung der Colonie und Armee gewesen. Wird man diesen Mann zur Rechenschaft ziehen? Wenn er ein Opfer einer irrigen Meinung ist, so gebe man ihm Mittel, sich vor einem Kriegsgericht zu vertheidigen. Und, wenn er schuldig ist, so behandle man ihn, wie er es verdient. Dieß verlangt der gesunde Menschenverstand. – Aber nein! kein Kriegsgericht für ihn, er ist Gouverneur und bleibt Gouverneur. Er hat gezeigt, daß er in keiner Weise die Fähigkeit für ein Obercommando besitzt, und man läßt ihm das Commando. In den Augen der Colonisten wie der Armee hat er so sehr die Achtung, die Popularität verloren, daß ihm jedes moralische Ansehen gebricht. Man läßt ihm die Gewalt des materiellen Ansehens und hält ihn gegen den allgemeinen Wunsch. Wagt das Ministerium eine so schwere Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen? Seine Freunde wollen es davon freisprechen. Das Ministerium hat, wie man sagt, zu dreimalen einstimmig seine Meinung zur Rückberufung des Marschalls ausgesprochen. Der Marschall wird nicht zurückgerufen. Warum? Sollte es möglich seyn, daß Valée sich selbst für unangreifbar in seiner Stellung hält? Sollte es wahr seyn, daß er dieses Vertrauen aus einer Correspondenz schöpft, die er in dem Archiv des Generals Damremont gefunden und nicht herausgeben will? Sollte es wahr seyn, daß diejenigen, welche im Schlosse von Algier, wie von einem hübschen Spielzeug, das man verkaufen will, sprechen, diesen Gedanken in den vertrauten Briefen ausgedrückt haben, und daß dieß die Sicherheit des Marschalls macht? Noch überraschender aber ist vielleicht, daß unter allen den Deputirten, die so eifersüchtig auf die Aufrechthaltung von Principien und der Ehre unserer Waffen sind, sich keiner findet, welcher der Kammer den Wunsch der Presse und des Landes vortrüge. In der That wir sehen sehr wohl, wozu diese ausschließliche Kammer nicht dient, aber sehr begierig wären wir zu erfahren, wozu sie eigentlich dient.
(Moniteur parisien.) Die Nachrichten aus Algier gehen bis zum 31 Mai. Damals war man eifrig mit Vorbereitungen zu der Expedition nach Miliana, die bald beginnen sollte, beschäftigt.
Paris, 7 Jun. Der Moniteur bringt zwei königliche Ordonnanzen vom 5 und 6 Jun., enthaltend die Versetzungen von ungefähr 25 Präfecten von einem Departement ins andere, dann einer beinahe gleichen Anzahl von Unterpräfecten. Die unter den Präfecten durch einen Todesfall und durch Absetzungen und Beförderungen entstandenen Lücken sind durch ein paar neue unbekannte Männer ausgefüllt worden. Ganz aus dem Amte entfernt wurde ein einziger Präfect, Hr. Scipio Morgues, der bisher das Departement der obern Alpen verwaltete; mehrere sind aus Departementen von geringerer Bedeutung in bedeutendere gelangt, andern ist es umgekehrt ergangen. Zwei Präfecten, deren gänzliche Entfernung vielseitig begehrt worden war, sind beibehalten worden. Hr. Moriz Duval, Präfect von Nantes, der in stetem Zwist mit allen durch die Wahl der Einwohner berufenen Behörden lebte, ist zum Staatsrath im ordentlichen Dienst befördert worden, als Nachfolger des Justizministers Vivien. Hr. Petit de Bantel, Präfect des Arriègedepartements, bekannt durch sein wenigstens höchst unpassendes Benehmen bei Gelegenheit eines Auflaufs auf dem Markte zu Foix, ist mit einer Versetzung ins Departement du Cantal davon gekommen. Diese ganze Maaßregel kann keine dem Cabinet günstige Wirkung hervorbringen. Die vielen Deputirten gemachten Zusagen der Entfernung ihrer Präfecten sind entweder gar nicht gehalten worden, oder nur halb, indem bloß ein Tausch zwischen Männern gleicher Art vorgegangen ist; andrerseits betrifft die Maaßregel nicht ein Drittel der ganzen Anzahl der Präfecten, und alle die Beibehaltenen sind Creaturen eines oder des andern der beiden vorhergehenden Cabinette, und es läßt sich nicht absehen, daß, bei einer neuen Wahl der Deputirten, sie dem jetzigen Cabinet eine besondere Zuneigung widmen werden. Obwohl Hr. Thiers schon seit einiger Zeit von einer solchen Maaßregel gesprochen hatte, so glaubte man doch deren Ausführung nicht so nahe. Nach Erscheinung des Moniteurs war die Ansicht allgemein, nur ein besonderer Grund habe den Hrn. Thiers bestimmt, jetzt schon seinen Plan in Vollzug zu bringen; viele Personen glauben diesen Grund in einer dem Hrn. Conseilspräsidenten wenigstens drohenden Ungnade finden zu können, wovon seit mehreren
Tagen in den Kreisen der familiaires des Schlosses, z. B. des Hrn. Vatout, die Rede ist. Hiernach soll eine hohe Person das jetzige Cabinet durch die Doctrinärs unter dem Vorsitz des Marschall Soult zu ersetzen wünschen, und Guizot zum Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten berufen werden. Die dieser Tage nach London unternommene Reise des Hrn. Mallac, Privatsecretärs Hrn. Duchatels während seines Ministeriums des Innern, wird mit diesem Plane in Verbindung gesetzt. Hr. Thiers, heißt es ferner, habe, als er jene Verhältnisse erfuhr, den Versuch gemacht, ob der König noch auf eine von ihm vorgeschlagene Maaßregel von einiger Bedeutung eingehen werde, und so seyen jene Ordonnanzen von ihm zur höchsten Unterzeichnung vorgelegt worden. Diese Unterzeichnung kann jedoch, der Unbedeutenheit der Maaßregel halber, nicht als ein Beweis des fortwährenden Vertrauens in den Hrn. Conseilpräsidenten betrachtet werden. Die nächste Folge wird lehren, inwiefern jene Unterstellungen begründet sind.
Preußen.
Die Berliner Blätter kündigen den Tod des Königs in folgender Weise an: „Berlin, 7 Jun. Nach dem unerforschlichen Rathschlusse Gottes vollendete heute Nachmittag 3 1/2 Uhr unser geliebter König, Se. Maj. Friedrich Wilhelm III, der Vater seines Volkes, die irdische Laufbahn. Die Folgen eines wiederholten Anfalls der Grippe, an welcher Se. Maj. seit einigen Wochen erkrankt waren, führten in den letzten Tagen eine stärkere Abnahme der Kräfte und dadurch einen Zustand herbei, der, allen Anstrengungen der Natur und der Kunst erfahrner Aerzte widerstehend, dem theuern und reichgesegneten, aber auch vielgeprüften Leben Sr. Maj. unter den heißesten Thränen sämmtlicher in diesem Augenblick um ihn versammelten königlichen Kinder und der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses ein Ziel setzte. Die letzten Tage Sr. Maj. wurden durch die Gegenwart der kaiserl. Tochter und ihrer erlauchten Kinder, die letzten Augenblicke durch die Gegenwart des kaiserlichen Schwiegersohns erheitert. Das Vaterland, wenn gleich in Trauer und Thränen, richtet die Blicke zu Sr. Maj. erhabenem Nachfolger auf dem Throne glorreicher Vorfahren, voll Hoffnung und Vertrauen, über seine Zukunft getröstet, empor. Erbe der Tugenden berühmter Ahnherren, erzogen in den Stürmen einer bewegten Zeit, früher schon seiner großen Bestimmung entgegengereift, und in den Tagen der Krankheit durch das Vertrauen Ihres hochseligen Vaters bereits zur Leitung der Geschäfte berufen, werden Se. Maj. die Segnungen der Ordnung und des Friedens verbreiten, die das Loos eines treuen und glücklichen Volks und die Belohnung der sorgenvollen Mühen des guten und weisen Regenten sind.“
Berlin, 8 Jun. Das gestrige erste Schreiben dieses Correspondenten trug in einzelnen Exemplaren aus Versehen das Datum 6 Jun. statt 7.
Der Erbe des preußischen Thrones hat als König den Namen Friedrich Wilhelm IV angenommen. Sr. Majestät haben unter diesem Namen auch bereits gestern Abend die Truppen der hiesigen Garnison, zum Theil in ihren Casernen und zum Theil auf öffentlichen Plätzen, den Eid geleistet. Man erwartet noch heute eine Verkündigung des Königs, so wie eine Bekanntmachung hinsichtlich der Landestrauer, in Bezug auf welche der eben verewigte Monarch noch durch ein Codicill zu seinen letztwilligen Verfügungen angeordnet hat, daß es damit ganz nach dem vereinfachten Trauerreglement vom October 1797, welches der König Friedrich Wilhelm II wenige Wochen vor seinem Tod erließ, gehalten werden soll. Die letzten Augenblicke des verscheidenden Monarchen sollen noch ungemein erschütternd gewesen seyn; seine Kinder und Schwiegerkinder umknieten sein einfaches Lager, als ihm der Geistliche den letzten Segen ertheilte. In einzelnen Momenten erkannte der König zuletzt noch alle seine Söhne und Töchter, mit Einschluß des Kaisers von Rußland, der mit Courierpferden wenige Stunden vor dem Hinscheiden seines erlauchten Schwiegervaters hier eingetroffen und beim Einfahren
in die Stadt durch ein großes Leichenbegängniß – es war das des geheimen Regierungsraths Patzig, Dirigenten im Polizeipräsidium – über eine Viertelstunde lang in einer Straße aufgehalten worden war. Friedrich Wilhelm III ist gestorben wie er gelebt hatte, einfach und ohne Prunk – er war bis zum letzten Augenblick in seinen Militärmantel eingehüllt – und wie ein ächter Familienvater, an der Seite seiner Kinder und seiner treuen Pflegerin, der Fürstin von Liegnitz, während dicht unter den Fenstern des Palastes das Volk aus allen Ständen sich drängte und Gebete zum Himmel emporsandte für den König, seinen väterlichen Herrn. Die Leiche des Monarchen wird im großen Rittersaale des königl. Schlosses auf dem Paradebett ausgestellt werden; die Züge des ehrwürdigen Fürsten sollen sich jedoch durch die Krankheit und nach dem Tode sehr verändert haben. Der nunmehr regierende König ist, wie man vernimmt, durch den Tod seines Vaters ungemein erschüttert und wird nur durch die Tröstungen seiner erhabenen Gemahlin, in welcher das preußische Volk die Erbin nicht bloß der Würde, sondern auch aller Tugenden seiner Königin Luise verehrt, aufrecht erhalten. Der König und die Königin sind auf das Land nach Potsdam geeilt, wohin ihnen auch der Kaiser und die Kaiserin von Rußland, so wie die Prinzen und Prinzessinnen gefolgt sind. Friedrich Wilhelm IV wird in denselben Gemächern zu Sanssouci, in welchen Friedrich II sein thatenreiches Leben beschloß, seine ersten Regierungshandlungen vollziehen.
Berlin, 8 Jun. Die schönen Pfingstfesttage, die sonst so von freudigem Leben bei uns bewegt sind, finden dießmal unsere Hauptstadt gestern in bestürzter Aufregung, heute in wehmüthiger Stille. Es gibt nur Einen Gedanken, nur Ein Gespräch. Mit Begierde hascht man nach jedem kleinsten Zuge aus der letzten Lebens- und Leidenszeit des geliebten Königs. Ich werde Ihnen seine letzten Augenblicke schildern, so wie mir aus guter Quelle Bericht darüber geworden ist. Der letzte dem Könige nahe stehende hohe Freund und Verwandte, der ihn an seinem Sterbebette besuchte, war der Kaiser Nikolaus. Derselbe stand anfänglich, ohne erkannt zu werden, am Lager des Kranken; er blieb wohl eine Viertelstunde stehen, und harrte darauf, ob ihm der Trost wieder erkannt zu werden doch noch zu Theil werden möchte. Plötzlich schlug der König die Augen auf, heftete aufmerksame Blicke auf den Kaiser, und machte dann mit den Händen eine Bewegung, wodurch er stets eine freudige Aufwallung zu begleiten pflegte. Darauf beugte sich der Kaiser gerührt herab, und fragte theilnehmend: Comment cela va-t-il? Der König erwiederte: Ah, cela va mal! Dieß sind die letzten Worte, die er gesprochen. Um die Zeit, wo der entscheidende Augenblick herannahte, waren alle Kinder und Kindeskinder im Palais zugegen. Im Sterbezimmer befanden sich jedoch nur: der Kaiser, die Kaiserin, die Prinzeß Friedrich und der Prinz Wilhelm, Bruder des Königs; nächstdem einer der Aerzte und der Geheim-Kämmerier Kynast, der in die Stelle des verstorbenen Timm getreten ist. Alle übrigen Prinzen und Prinzessinnen befanden sich im Nebenzimmer, durch die lange Anspannung des Gemüths sowohl, wie der angstvollen Nachtwachen, tödtlich erschöpft. Der König fing an leise und ermattend einzuschlummern. Als die schwächer werdenden Athemzüge den letzten Augenblick andeuteten, öffnete der Kämmerier Kynast die Thüren des Nebenzimmers, und zeigte es in tiefster Bewegung den Versammelten an. Diese umringten das Sterbebett – der König hatte schon aufgehört zu seyn. Von unwillkürlicher Regung ergriffen, knieten sie sämmtlich am Lager des geliebten Vaters nieder, und der Schmerz erleichterte sich in stummem Gebet. Während dieses heiligen Momentes, dessen Feierlichkeit durch nichts erhöht werden konnte, trat der Bischof Eylert ein, und fand sich berufen, den Gefühlen, die wohl lieber stumm geblieben wären, Worte zu geben. Zwei Stunden schon nach dem Tode Sr. Maj. erschien die amtliche Bekanntmachung des traurigen Ereignisses, welche sofort in den Zeitungsexpeditionen gedruckt, noch Abends einzeln ausgegeben, und heute in die Zeitungen selbst aufgenommen wurde. So wie die Nachricht von dem nunmehr wirklich erfolgten Tode, die so oft als eine falsche gespukt hatte, in Umlauf kam, entstand ein Wogen und Drängen der Massen nach dem königlichen Palais zu, welches schwer zu beschreiben ist. Alle Truppen, die nicht streng in den Casernen consignirt, sondern nur angewiesen waren, sich auf den ersten Wink bereit zu halten, versammelten sich in ihren Casernen. Die Fahnen, welche im Palais aufbewahrt werden, wurden von detachirten Compagnien abgeholt, und die Truppen leisteten den Eid Abends um 9 Uhr, meistentheils auf den Höfen ihrer Casernen. Während dieser Bewegungen waren die geräumigen Plätze zwischen Palais, Schloß und Linden, endlich auch diese selbst mit einer solchen Menge von Andrängenden erfüllt, daß die Truppen nur mit größter Mühe marschiren konnten. Wie übrigens die Einfachheit der Sitten unsers Königs auch noch nach seinem Tode nachwirkte, davon mag der Umstand zeugen, daß in den nächsten Stunden nach dem Entschlafen Sr. Maj., bevor der Andrang zu groß wurde, die Besichtigung der Leiche Jedem gestattet wurde, der auf geziemende Weise den Wunsch darnach aussprach. Späterhin war dieß freilich der Massen halber nicht weiter möglich. Die Krankheit, welche alle Kräfte des Königs so aufrieb, hat ihn, wie ich höre, im äußersten Grade abgemagert, so daß man das Bild edler Männlichkeit, welches er noch vor wenigen Monden darbot, schwer wieder findet. – Nachschrift. Donnerstag wird die feierliche Beisetzung stattfinden. Die Leiche wird vom Palais in den Dom, und in der Nacht von dort in die Gruft nach Charlottenburg gebracht. Der Kaiser, der heute Mittag schon abreisen wollte, wird wahrscheinlich so lange noch hier bleiben. Die Kaiserin und die Großherzogin von Mecklenburg sind heut früh schon nach Sans-Souci abgegangen. Ueber die Nachlaßbestimmungen Sr. Maj. erfährt man jetzt ganz das Gegentheil von früheren Gerüchten. Das Vermögen ist dem Kronschatz vermacht, der Nießbrauch aber dem jetzigen Könige überlassen. Die einzelnen Kinder Sr. Maj. sind durch Legate bedacht.
Die deutschen Publicisten und die „europäische Pentarchie.“ Die Allgemeine Zeitung hat früher eine Reihe von Angriffsartikeln gegen die genannte Schrift gebracht. Ein Gegenwort dürfen wir also nicht ausschließen. Zwar darf die Unparteilichkeit eines deutschen Blattes nicht so weit gehen, daß es sich auch zu Schutzreden eines fremden Protectorats hergäbe – jeder bessere Deutsche, welcher politischen Meinung er auch angehöre, wird jeden Gedanken daran mit Unwillen von sich weisen. Aber kein Denkender in Deutschland wird es verschmähen, selbst neben seinen entschiedensten Lieblingsbildern das Gegenbild zu betrachten, das mit strengen, grellen Umrissen eine andere Weltanschauung uns vorüberführt. Mag es der Stachel des Feindes, oder der Sporn des halb verhüllten Freundes seyn, ein Droh- oder ein Warnsignal, immer wird es auffordern, sich selbst zu prüfen und wach zu bleiben. Die Prüfung wird nicht auf sich warten lassen.
Ein Jahr ist noch kaum verflossen, seitdem uns die Leipziger Buchhändlermesse die europäische Pentarchie gebracht. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug diese Schrift inmitten allgemeiner Sicherheit und fröhlichen Gewühles in die deutschen Gauen herein, und verkündete, mit einer neuen politischen Ordnung Europa's, Dringlichkeit und Bedarf nähern Aneinanderschließens der germanischen Mittelstaaten – unter slavischer Protection – zu Wahrung und Schirm gegen Gefahren, die bei uns Niemand kennt. – Unruhige Bewegung der Geister, Federkampf und Sorge, durch Aufzählung aller Bürgschaften deutscher Autonomie, Kraft und Wehrhaftigkeit, verzagte Seelen zu ermuthigen, war eine natürliche Wirkung des litterarischen Meteors. Aller Reichthum an patriotischem Geschoß, an Genie, Witz und Kriegstalent wurde in allgemeiner Revue deutscher Nation ausgelegt; nichts entging dem prüfenden Auge, dem geübten, kundigen Sinn der Publicisten. Subsidiarisch wirkten als furchtstillendes Mittel nicht unbedeutend sogar Semilasso's neueste Artikel über die Nilfahrt, und Greverus' Reisebericht aus Griechenland, die um dieselbe Zeit erschienen. Semilasso, wie er uns erzählt, hat ja selbst den Krokodilen getrotzt, und Greverus wohl gar die Hellenen erschreckt. Was hätten wir, hieß es, in Deutschland von den Russen zu fürchten, wenn deutsche Edelleute, ohne Waffen, bloß durch ihr amönes Wesen und ihre Epigramme die Ungethüme Libyens verscheuchen, und ein deutscher Gelehrter schon durch „seine grimmigen Gebärden“ vier bewaffnete Hellenen lähmt? Greverus, Reiselust etc. S. 208.
Sind etwa die Moskowiten grausamer und boshafter als Semilasso's fünfundzwanzig Fuß lange Krokodile oder tapferer und geistvoller als die Hellenen des Hrn. Greverus?
Ueberdieß hat man in den Beilagen der Allgemeinen Zeitung (November 1839) mit Bündigkeit nachgewiesen, daß die Lehre der europäischen Pentarchie „ein publicistisch-politischer Irrthum sey, arg, graß, handgreiflich;“ ja, daß es in Europa gar keine Pentarchie gebe, und folglich auch für Deutschland nichts von ihr zu besorgen sey. Andere zeigten mit Schärfe und aphoristischer Präcision, daß die Pentarchie wenigstens keine stätige, bleibende Größe sey und seyn könne, daß sie nur durch die Propaganda der Revolution zusammenhänge und augenblicklich zerfiele, wenn erstere erloschen wäre. Die Revolution sey aber auf dem Punkt zu sterben unter den Streichen der Industrie und der Handelsmacht, deren Interessen durchweg conservativer Natur, und aller Umwälzung von Anbeginn entgegen seyen. Die deutschen Mittelstaaten, wenn auch von Preußen und Oesterreich aufgegeben, brauchten doch keinen Protector; der Mauth- und Zollverein sey jetzt deutscher Imperator, der, reich an Feldherrntalent und stark an Kriegerzahl, sich selbst schütze; denn Deutschlands Mittelstaaten seyen anerkannterweise der lebenskräftigste Theil der europäischen Völker. – Eine Stimme ging im patriotischen Zorn noch weiter, und sagte den Moskowiten gerade ins Gesicht, sie sollen es sich vergehen lassen, Cimbern und Cherusker zu reizen, sollen ruhig leben hinter ihren litthauischen Sümpfen und Nadelwäldern bei Grütze, Quaß und Birkensaft, sollen zuerst Chiwa und die Karakalpaken bändigen und überhaupt dem Genius der Zeiten danken, daß wir uns nicht selbst erheben und – hingerissen vom furor teutonicus – Sebastopol und Kronstadt zertrümmern.
Alles das hat aber den tiefen Eindruck der Schrift nicht ausgelöscht. Es blieb ein Stachel in den Gemüthern zurück, von dem uns noch kein publicistisches Heilmittel befreien konnte. – Es muß etwas im Buche verborgen seyn, was der gesunde Sinn des Volks bemerkt, die Gelehrten aber noch nicht gesehen haben. Wäre es daher nicht erlaubt, noch einen letzten Blick auf diese Erscheinung zu werfen?
Daß es hier Deutschland gelte, obgleich der Pentarchist ganz Europa in das Spiel zieht und so zu sagen als Folie unterlegt, merkte freilich Jedermann. Für eben das sieht man es auch im Ausland an. Die englische und französische Presse schweigt von dieser Schrift, wie von einer Sache, die sie nicht berührt. Es ist ein Hochzeitmahl, zu dem nur wir Germanen geladen sind. Eben so herrscht über Tüchtigkeit des Verfassers, über Styl und Kern des Buches unter allen Parteien nur Eine Meinung. „An Männern, deren Persönlichkeit einen solchen Reichthum an Ideen, eine solche Tiefe des Urtheils, eine solche Beherrschung der Einzelnheiten in sich trüge,“ meint Giehne, „habe Deutschland keinen Ueberfluß.“ Und doch redet man uns zu gleicher Zeit von eitelm Phantasiestück, von diplomatischem Spielwerk und unreifem Product, und überläßt sich dem Wahn, die Pentarchie sey wurzellos und müsse, trotz scheinbarer Lebensfülle, aus Mangel gesunden Nahrungssaftes ohne Frucht auf eigenem Stängel verdorren.
Die Pentarchie – mit gutem Frieden unserer ehrsamen Landsleute sey es gesagt – ist ein gesundes, lebenskräftig organisirtes Gebilde, ist aus dem eigenen, tiefen, reichgedüngten Fettboden der neuesten Zeit- und Weltläufte in jugendlicher Frische heraufgestiegen zum Wahrzeichen für die, welche die Zeit nicht kennen. Gestehe man es nur offen, das Buch hat Deutschland mit Recht erschreckt. Es ist wie die unheimliche Erscheinung bei Belsazars Gastmahl. Der Griffel geht tief, die Zeichen sind scharf, der Sinn ist klar.
Sind wir schon so krank, und sind unsere Zustände so verzweifelt, daß man uns von letzter Medicin, von Testament und Codicill im eigenen Hause zu sprechen wagt? Wäre dieß wirklich unsere Lage, so könnten Streiche in die Luft und cheruskische Rodomontaden die Katastrophe Deutschlands eben so wenig abwehren als das ewige Mahnen an Granson und Murten die hinsterbenden Republiken Helvetiens wieder zur alten Kraft und Bedeutung zurückführen.
Jedermann redet von den Gebrechen der moskowitischen Staatsmaschine; hat aber auch einer den Kern des Werkes selbst herausgeschält und seinen Gehalt im Geiste des Jahrhunderts geprüft? – Was ist „die europäische Pentarchie?“
Die „europäische Pentarchie“ ist der letzte Ausdruck, die logisch correcte Anwendung des Socialrechts unserer Zeit, oder der politischen Erhaltungslehre des Jahrhunderts, auf die schwächeren Staaten Europa's überhaupt, und Deutschlands insbesondere. Ueber das Unzulässige und Macchiavellistische der neuen Doctrin sind wir voraus alle einverstanden, weil ungetrübter Fortbestand der gegenwärtigen Ordnung und unbedingtes Zurückstoßen aller revolutionären Neuerung im europäischen Haushalt, von woher sie immer komme, für Jedermann Gesetz und Bedürfniß ist. Aber der listige Pentarchist knüpft den Faden seines Gewebes an den unzerbrechlichen, gleichsam demantenen Ring des aller Creatur, Individuen wie Staaten, inwohnenden Strebens, unter dem Vorwande allgemeiner Ordnung und Sicherheit, den Genuß irdischer Vortheile selbstsüchtig auf die möglich kleinste Zahl, gleichsam hierarchisch zu beschränken. Sträubte sich nicht von jeher die verderbte und unverbesserliche Natur des Menschen gegen die Lehre, daß dem großen Haufen, d. i. dem Geringen, Uncultivirten und Armen, gleicher Antheil wie dem Hohen, Feinen, Reichen und Mächtigen am Genusse irdischer Güter, Rechte und Glückseligkeit gebühre; daß die Stimme des Schwachen und des Starken in Berathung, Lenkung und Schlichtung allgemeiner Angelegenheiten gleiches Gewicht besitze; daß hienieden schon Rang, Gradation, Ansehen und vorrechtlicher Genuß erlösche, und ein allgemeines Nivellirungsgesetz, wie eine Erdwalze, über die Oberfläche der Staaten hinstreife und alle Erhabenheiten abschlage, und alles Ueberragende unter die verflachte Rinde zurücktreibe? Diese Ausgleichung überläßt man für das jenseitige Leben Gott, für das diesseitige aber den Moralcompendien und der Schultheorie. In Praxi wird sich ihr der Mensch, wie er jetzt ist, freiwillig nie unterwerfen, und der „Damm wider das Anwogen der Massen gegen die obern Positionen“ ist und bleibt die letzte Bedingung, unter welcher sich der schwache Mensch das Beisammenleben im Staatsverbande zu denken vermag. Erbittere man sich nicht über diese Rede. Warum soll man die Menschen besser malen als sie sind? Oder offenbart sich in Europa nicht jetzt mehr als je das unabweisbare Bedürfniß und Streben nach Schranke, Maaß und Zügel gegen die ungeordnet und wild operirende Kraft der vielen?
Die Revolution und der Demos haben die alte Ordnung in Europa unwiederbringlich vernichtet, und sämmtliche Völkerschaften dieses Welttheiles bilden von jetzt an einen gemeinschaftlichen Staatshaushalt mit Gesetzbuch, Familiencodex, Budget, Rangliste und Heer gegen den nivellirenden Furor des Tiers-Etat. Aber wer ist, und wie weit reicht in der neueuropäischen Gesellschaft der Tiers-Etat? Wer ist Volk? Wer Vornehm, Edelmann, Aristokrat? In der Antwort auf diese Fragen liegt das ärgste Gift und das für Deutsche verdammungswürdigste Argument des Pentarchisten. Seiner Meinung zufolge wären die kleinsten und kleineren Fürsten, die Staaten dritter und letzter Ordnung in Europa, gegenüber den großen Monarchien, Volk geworden, zählten unter den Tiers-Etat, und gälten – wenn es gestattet ist, den ganzen Gedanken unseres Feindes wiederzugeben – als Proletarier, bloßgestellt allen Lockungen des Ehrgeizes, der Ruhmsucht, der Gierde nach Genuß und Bedeutung, so wie des allen Kleinen angebornen Hanges die Stellung zu erhöhen und sich Größeren hinzugeben, wie weiland die übelberathenen Theilfürsten des alten Rurik-Staates in der Mongolen-Zeit. „Wollt ihr den Weltfrieden bewahren, so zügelt die Kleinen und beschränkt das Stimmrecht im großen Familienrath“, gilt ihm jetzt als Wahrzeichen unserer Zeit und, so zu sagen, als Feldgeschrei für Europa.
Hierin erkennt man den Moskowiten und den Alleinherrschafts-Fanatismus einer Nation, die unter allen Völkern des Erdbodens am furchtbarsten durch die Polykoiranie gelitten hat. – Indessen ist freilich auch nicht zu verkennen, wie sich das öffentliche Leben in Europa allmählich vereinfacht, wie correct und natürlich die Bewegung wird, wie sich die Leidenschaften, eine nach der andern, fester Disciplin unterwerfen, und die Bürgschaften der Sicherheit bei Recht und Eigenthum mit jedem Decennium erstarken, weil de facto nur noch wenige Stimmen über öffentliche Dinge zu reden haben. Es war eine Zeit, da ein schlichter Edelmann in Europa den Landfrieden stören konnte. Diese Leutchen wurden endlich zur Ruhe gebracht. Wieder gab es eine Zeit, wo ein kleiner Fürst, getrieben durch die Begierde nach höherer Bedeutung, den Welttheil in Flammen setzte. Ob dieser Act aber auch schon verziehen und sein Resultat als wirkliches Facit und stehende Post auf ewig im europäischen Lebensbuch eingetragen und anerkannt sey, weiß Niemand, und kann hier nicht besprochen werden. Gewiß aber liegt es in der Zeit, solchen Anomalien auf immer vorzubeugen. Das „goldene Buch“ ist geschlossen. Möge es keinen verdrießen, dessen Name darin nicht verzeichnet ist.
Der Pentarchist weiß so gut als die Gegner, daß die Fünf-Mächte und Executoren der neuen Ordnung unmöglich eine compacte, stätige, ewig friedlich vereinte Größe bilden, daß auch sie getrennte Interessen verfolgen, das Gleichgewicht eine Chimäre sey, und die Sucht, sich gegenseitig zu übervortheilen, den Großen nicht weniger inwohne als den Kleinen, und die res humanae sich unmöglich – gleich einer Planetenbahn – in mechanische Schranken zwängen lassen. Ohne Zweifel lacht der Pentarchist über solche Präceptorweisheit, weil er sicher ist, daß bei allem Conflict der Privatinteressen die Fünf ihren Bund gegen die anarchische Propaganda des „Demos“, die ihre Kraft am liebsten auf dem Gebiete der Schwachen versucht, instinctmäßig auf lange Zukunft bewahren.
Es thut einem leid, gegen den Nationalinstinct seiner Heimath, für Massen und Socialzwang gleichsam das Wort zu reden. Aber die Zeit drängt, und das neue Europa, wie es scheint, duldet unsere Lebensweise nicht länger. „Lo voglio far io“, sagte der selige Kaiser Franz, als die lombardischen Großen ihre Beihülfe im Regiment anboten. Lo vogliamo far noi, „wir sind mündig und stark genug für uns selbst zu sorgen“, rufen auch wir Deutschen den unberufenen Mentoren von jenseits der Weichsel zu.
Häufig macht man jetzt den für die Kleinstaaten höchst ungünstigen Lehrsatz geltend: ein fester Damm, d. i. eine compacte Ländermasse am Rhein und Alpen, hätte 1793 die zerstörende Fluth französischer Demokratie von Europa abgehalten, und der Menschheit alle Gräuel und Leiden erspart, welche ihr die in Napoleon incarnirte Revolution gebracht. Nur ächt aristokratische Präponderanz vermöge das wilde Thier, den Demos, zu bändigen und, wie das Ungethüm der Apokalypse, im Abgrunde gefesselt zu halten. Was ist aber ächte Aristokratie? Bei überwiegender Stärke und vollem Bewußtseyn der Kraft, Sich-selbst-Maaß-geben, und dadurch überall und in Allem der erste seyn, ist Aristokratie im ächten Sinn, eine im Wechselspiel irdischen Staatslebens ganz neue Idee, eine moralische Revolution im erhabensten Styl, Schöpfung und Grundgedanke Alexanders I. Kein Eroberer, kein Volk der früheren Zeiten, am wenigsten Napoleon und seine Gallier kannten und begriffen sie. Diese Idee ächt aristokratischer Präponderanz ist geboren, sie lebt in
den Gemüthern der Bewohner Europa's. Aber wer möchte chronologisch die Epochen ihrer Kindheit, ihrer Blüthe und vollen Entwicklung berechnen? Nach der Lehre des Pentarchisten verbündet sie die Action der moralischen Kraft über die physische, will nicht durch Heere und Flotten, nicht durch „drückende Sequestrationen und Embargos“, sondern providentiell und gleichsam kirchlich das Böse dämmen. Der Gedanke ist von exuberanter Fülle, ein wahrhaft sociales Christenthum, dehnbar, weich, permanent, und die geheimsten Falten europäischen Staatslebens um so tiefer durchdringend, da er die bankerutte Idee effectiver Volkssouveränetät ersetzt, und in seiner Coincidenz mit dem Evangelium eine unberechenbare Zukunft im Schooße trägt.
Uns Deutsche schreckt nur die zu merkbare Hast der Apostel des neuen Bundes, ihre Glückseligkeitstheorie auf germanischen Boden herüberzupflanzen. Unruhig fragt man, ob die Rolle, die geistige Tochter des frommen Slaven-Imperators zu schirmen, großzuziehen und sie als Leibgarden politischer Gerechtigkeit siegreich im Mittelpunkt Europa's zu inthronisiren, durch ein Decret der Vorsehung, wie sie behaupten, wirklich den Moskowiten zugefallen sey? Ideen mit universellem Fruchtkeim, meint man bei uns, könne nur Deutschland hervorbringen und standhaft entwickeln; Germanien sey ja vorzugsweise das Land der Ideen! Uncultur, Halbbarbar, Geistesöde, metallisch erstarrter und für Keime ächter Humanität ewig verschlossener Boden sind, russischen Lobrednern gegenüber, die Lieblingsausdrücke germanischer Philautie. Gerade in diesem Punkte stehen sich die deutschen Urtheile am schroffsten gegenüber.
Rußland ist ein universeller, militärisch disciplinirter, kolossaler Kirchenstaat, eine Buß- und Thränen-Anstalt zu sittlicher Restauration einer corrupten und im Sumpfe materieller Interessen sich allmählich verschlammenden Welt. Das elende Krämerleben in Europa erzeugt allenthalben Ekel, Lebensüberdruß, Selbstmord und verzagten Sinn bei üppigen Tafeln und vollen Truhen. Seelenleiden, Sorge und Kampf gegen drohende Trübsal und Erschütterung befestigen allein die öffentlichen Charaktere, stählen das Gemüth und bewahren vor gänzlichem Ersterben aller moralischen Kraft. Es ist nun einmal nicht vergönnt, daß der Mensch sorgenlos und glücklich sey!
Nicht Graf Nesselrode und seine Agenten, nicht der Kriegsminister Paskjewitsch und seine streitbaren Banden, sondern das anatolische Glaubensbekenntniß und die alte Reichsfahne Moskoviens in der Mongolenzeit, mit der Dornenkrone, rücken gegen den Occident, und die „europäische Pentarchie“ ist das Manifest des moskovischen Apostolats.
Ich glaube nicht, daß die durch und durch säcularisirten West-Europäer Wesen und Charakter der politisch-religiösen Bewegung hinter der Weichsel, daß sie Nerv und Schnellkraft des neuen byzantinisch-russischen Chaliphats erkennen. Es ist die große Reaction der morgenländischen Kirche gegen die lateinische Christenheit, deren Angriffe auf russisches Kirchenthum um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, als Alexander Newski Großfürst war, auf Befehl des päpstlichen Stuhles durch den Schweden-König Erichson am finnischen Meerbusen begannen, durch die Schwertritter in Livland, und durch die katholischen Polen auf der langen Strecke zwischen dem baltischen und schwarzen Meere mit Unverstand, Härte und Grausamkeit durch Jahrhunderte fortliefen, und endlich mit einem allgemeinen Heranwälzen des von Napoleon unterjochten lateinischen Abendlandes ihren Endpunkt erreichten. Die Invasion von 1812 galt bei dem frommen Russen-Volk wie ein Religionskrieg, und ohne Zweifel hat die Nation nur in der Kraft ihres Glaubens die Gefahr überstanden. Geduld, Märtyrerblut und Heldenthum der altgläubigen Menge haben wider Scandinavier, Polen und Germanen Reich, Kirche und Nation gerettet, und aus dem glorreichen Sieg der orthodoxen Kirche ist Thron und Dynastie der Romanow hervorgegangen. Daher ein unauflöslicher Cement von Blut, Sieg und Seelenentzücken zwischen geistlichem und weltlichem Regiment dem Reiche Moskovien auf unabsehliche Zeiten Nahrung und Stärkung gibt.
Es liegt in diesem russischen, von innen heraus langsam anwachsenden Kirchen-Koloß etwas Unabwendbares. Nur kirchlich, d. i. mit denselben Mitteln, die ihn zu Sieg und Eroberung treiben, kann man entgegenstreiten. – Es ist der Kampf der heiligen Stühle von Rom und Byzanz. Auf welcher Seite ist nun Einheit, Kraft, Feuermuth, Klugheit und Disciplin? Bereits hat Michael Cärullarius in Litthauen und Klein-Rußland einen großen Sieg davongetragen. Der Kampf ist jetzt an der Weichsel und nähert sich Deutschland. Wie lange wird und kann dieser weiland classische Boden der römischen Kirche heute die Sache Leo's IX vertheidigen? Muß noch einmal die „ewige Stadt“ die Geister in Europa zum Widerstand entzünden? Zwingt vielleicht die wachsende Gefahr vor slavisch-griechischem Kirchenthum West-Europa noch einmal zu einer großen innern Einigung? So viel uns bekannt, hat keine in Deutschland erschienene Diatribe die Pentarchie von dieser Seite betrachtet und den Abschnitt „Rußland“ in diesem Sinne geprüft. Sagt der Pentarchist nicht ausdrücklich: „Fundament des russischen Reichs sey die griechische Kirche;“ in Rußland sey die weltliche Macht – ohne die Insignien abzulegen – kirchlich geworden, übe der Czaar – zugleich Pontifex und Generalissimus – eine geheime, die Gemüther in ihren Tiefen ergreifende und erschütternde Macht, sey die Kirche Nation, und alles Sonderleben ausgelöscht; man leide, dulde, arbeite und entbehre gemeinschaftlich für das große Nationalziel, Sieg und Triumph der griechisch-russischen Kirche! – Diese Willenseinheitlegt sich in Rußland weniger mit Gewalt von außen her auf die Masse, siequillt von innen heraus, weil den robusten, langgestreckten, homogen erbauten Körper der moskovischen Race Eine Seele belebt, aber eine Seele voll Energie und Intelligenz, voll Heiterkeit und leichten Sinnes. – In Moskovien gilt die Maxime: der Mensch, besonders die arbeitende Classe, sey – horribile dictu – nicht des Vergnügens wegen auf der Erde. Der Spruch trifft aber eben so gut die Privilegirten, insbesondere den Czaar und die Instrumente seiner Macht. Vom kaiserlichen Prunksaal bis zur ärmlichsten Hütte herab – dessen sey man überzeugt – genießt in Rußland so zu sagen fast kein menschliches Wesen in Ruhe seines Schlafes oder ergibt sich sorglos den Freuden des Mahles,
Tantus amor florum, et generandi gloria mellis!
Selbst die dem Menschen zu Hülfe und Nutzen beigesellten Hausthiere theilen Zucht und Disciplin, und jenes hastige, aufgeregte, stürmische, uns langsamen Germanen so innig verhaßte, eilfertige und unermüdliche Wesen der Moskowiter.
Wort und That, Theorie und Praxis, Schein und Wesen standen sich einst in Rußland und Polen, heute aber, da das katholische Polen Todes verblichen, stehen sich dieselben Elemente in Rußland und Deutschland feindlich gegenüber.
(Beschluß folgt.)
Die Kehrseite der Pentarchie.
Die Münchener „historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“ haben der Betrachtung des im vorhergehenden
Artikel in seiner Lichtseite dargestellten Werkes mehrere Aufsätze gewidmet, die offenbar von den ersten Männern der in jener Zeitschrift repräsentirten Meinung ausgehen. Den letzten dieser Aufsätze finden wir im 6ten Heft des 5ten Bandes (von 1840), und es ist vielleicht manchem Leser nicht uninteressant, die Gegensätze hart neben einander gestellt zu sehen. Wir heben daher folgende Stellen aus:
„Der Pentarchist denkt sich einen Wagebalken horizontal durch die Weltgeschichte gesteckt. An diesen werden die fünf „unbedingt unabhängigen Mächte“ gehängt, und an jede derselben wiederum ein Gewicht von „bedingt abhängigen Mittel- und Nebenstaaten.“ Wenn diese sämmtlich also und dergestalt an den beiden Armen des Hebels vertheilt sind, daß das Zünglein der Wage in der Mitte steht, dann ist der politische Stein der Weisen gefunden, das europäische Gleichgewicht hergestellt und die große Aufgabe der Staatsmechanik gelöst. Aber daß keiner etwa sein Gewicht um ein Decilliontheil der Breite eines Haares rücke! Denn sonst wäre Alles verloren, und der Calcul müßte von neuem beginnen. Auch ist noch Eins vonnöthen. Die Staaten zweiten und dritten Ranges, welche an die fünf Hauptmächte angehängt werden, dürfen sich diesen ja nicht etwa nach den Interessen und Bedürfnissen der jedesmaligen Zeitverhältnisse anschließen, auch nicht, wie es die Natur der Sache ergeben würde, nach den geschichtlichen Erinnerungen, welche jeden Theil beleben, eben so wenig nach dem unabweislichen Gesetze der politischen Wahlverwandschaft, welches z. B. constitutionelle Länder den constitutionellen nahe rückt. Bei Leibe nicht! Dieß Alles sey abgethan und nichtig. Der Pentarchist hat sich der Mühe unterzogen, ein- für allemal auszumitteln, wie es in diesem Betracht für jetzt und alle Zeit in Europa gehalten werden soll. Er ist es, der Jedem der Fünfherren den Rayon seines Einflusses zudictirt, wobei es dann natürlich, ohne Apellation und Einspruch von Seiten der Betheiligten und Influencirten, verbleiben, und für alle Zukunft sein Bewenden behalten muß und wird.
„Bei diesem schwierigen Geschäft der Auseinandersetzung ist der Pentarchist einem einfachen Grundsatze gefolgt, der ihm wahrscheinlich in der Natur der Dinge zu liegen schien, oder den er für die Quintessenz diplomatischer Feinheit halten mochte. Er hat zuvörderst, wie es scheint, mit Sorgfalt ausgemittelt, was etwa der gesunde, grobe, gemeine Menschenverstand an die Hand geben könnte. Und davon hat er dann gewissenhaft das Gegentheil vorgeschlagen. England soll seinen Einfluß künftig in Italien üben; Spanien und Portugal werden an Oesterreich überwiesen. Preußen möge Schweden, Dänemark und Norwegen unter seine Flügel nehmen. Frankreich erhält die Aussicht, ein dereinst im Osten zu errichtendes Staatensystem seiner politischen Sorgfalt zugetheilt zu sehen. Combinationen, – wie Jeder einsieht, – die sich – den oben angedeuteten Gesichtspunkt vorausgesetzt – ganz von selbst an die Hand geben, und, wie das Ei des Columbus, bloß auf das staatskluge Wort des schlauen Pentarchisten gewartet haben. Rußland endlich würde leer ausgehen, wenn nicht das Deutschland, welches nach Abzug von Oesterreich und Preußen übrig bliebe, sich gleichsam ganz von selbst seinem Schutze darböte, der vorzüglich dazu dienen müßte, Oesterreichs und Preußens Einfluß von dem zwischen ihm liegenden Lande abzuwehren. Damit sich dieses desto besser schicke, möge jede der beiden deutschen Hauptmächte einstweilen ihre Blicke dahin richten, wo sie erweislich nichts zu suchen, und kein eignes Recht, kein reelles, auch noch so entferntes Interesse zu vertreten hat. Da der geneigte Leser deutsch versteht und, wie das gemeine, undiplomatische Volk sich auszudrücken pflegt, nicht auf den Kopf gefallen ist, so wird er, noch ehe wir es aussprechen, merken, was der langen Rede kurzer Sinn ist.
„Was uns bei diesem gesammten System befremdet hat, ist nicht der Umstand, daß dergleichen aufgestellt wird; es gibt nicht leicht etwas in diesem Genre, was sich von der Seite her nicht erwarten ließe. Nur die Beschränktheit und Gutmüthigkeit deutscher Schriftsteller und Zeitungsschreiber hat uns verdrossen, welche ganz gelassen und höflich das Unpraktische, ja Absurde seines Vorschlags, dem russischen Anwalt in gelehrten und umständlichen Deductionen darzuthun sich bemühten. Die Meisten ließen seinem Talent, wie sie es nannten, alle Gerechtigkeit widerfahren, und bedauerten nur, wie sie so bescheidentlich als unvorgreiflich zu vermeinen sich erdreisteten, daß er kein „Staatsmann“ sey. O ihr gutmüthigen Leute! seht ihr denn nicht, daß dem Behemoth bloß deßhalb die Tonne zum Spielen hingeworfen wird, damit die Harpune desto sicherer seine Seite durchbohre? Seht ihr denn nicht die hämische Teufelsfratze grinsen, daß ihr so ehrbar über Plane discutirt, deren hirnwüthige Albernheit ihr dem Pentarchisten nicht zu demonstriren braucht. Der hat nie daran geglaubt; sein Ziel ist erreicht, wenn er euch foppen und seinen wahren und alleinigen Zweck unter dieser pinselhaften Maske verstecken kann. Nicht dem beschränkten, dünkelhaften Pedantismus des bloßen Theoretikers steht ihr gegenüber, nein! ihr habt es mit der fingerfertigen Gelenkigkeit des ächten Praktikers zu thun, der die Augen des großen Haufens auf einen andern Punkt zu lenken sucht, während die Hand aus der Tasche spielt.
„Der eigentliche und wahre Zweck, der die gesammte Fabel von einer europäischen Pentarchie maskiren soll, ist nun kein anderer als den Gedanken einer Trennung Oesterreichs und Preußens von dem übrigen Deutschland zuerst ins deutsche Volk zu werfen, dasselbe an die Idee einer Unterwerfung unsers Vaterlandes unter russischen Schutz zu gewöhnen, endlich allem schlechten, hungrigen Gesindel in der deutschen Schriftstellerwelt die Parole auszutheilen, und ihm die Wege zu weisen, die es fortan zu seinem eigenen Frommen zu wandeln habe. In dieser Beziehung ist es von der höchsten Wichtigkeit, dem Spiele des Pentarchisten in allen einzelnen Zügen zu folgen. Lassen wir es uns nicht verdrießen, den Windungen der Schlange nachzugehen. Vielleicht liegt in dieser Fata Morgana, die vorläufig nichts ist, als das Hirngespinnst eines russischen Schriftstellers, das Programm eines weltgeschichtlichen Drama's.
„Die Taktik des Pentarchisten läßt sich in wenigen einfachen Sätzen resumiren. Die rechtliche und factische Existenz des deutschen Bundes ignorirt er fast gänzlich, und nur einmal (S. 200, 201.) zieht er daraus, daß alle Bundesglieder versprochen haben, ganz Deutschland gegen jeden Feind in Schutz zu nehmen, mit der ihm eigenthümlichen Logik die Folgerung: daß „die gegenwärtige Constitution Deutschlands“ nur „provisorisch“ sey. Dieß vorausgesetzt, ist es sein Zweck, die deutschen Mittelstaaten gegen Oesterreich und Preußen, Preußen und Oesterreich aber gegen einander aufzuhetzen. Beide Mächte werden mit unverschämter Perfidie als die stets bereiten Feinde der Unabhängigkeit ihrer deutschen Bundesgenossen dargestellt. „„Was würde, frägt er (im Fall eines europäischen Krieges), aus dem Bundesverein, der wesentlich auf den Frieden gestellt war? Die zwei föderirten Hauptmächte werden die Gesammtkräfte des Bundes centralisiren. Das ist eine natürliche Consequenz des Kriegs. Jedoch um solches erreichen und ausführen zu können, muß zuvor die Administrativgewalt centralisirt werden. Also Centralisirung der Administration, d. h. außerordentliche Vollmachten des Bundestags auf Unkosten der politischen Bedeutung und Souveränetät der einzelnen Bundesstaaten, und
hier wiederum zumeist auf Unkosten der kleinsten und kleinern derselben. Folglich – doch weßhalb die Consequenzen auf die höchste Spitze treiben, und im voraus ein trübes, unerfreuliches Prognostikon stellen, dort, wo vorzüglich in den Mittelstaaten ein reiches Maaß politischen Verstandes alle Chancen für sich hat, und als das Unwahrscheinlichste, als etwas fast Undenkbares eben dieses Aeußerste erscheint.““
(Beschluß folgt.)
[2219-20]
Neufchateler Asphalt.
Die Neufchateler Gesellschaft sieht sich veranlaßt, das geehrte Publicum, hinsichtlich ihrer Asphalterzeugnisse, auf Folgendes aufmerksam zu machen.
Die Asphaltgrube aus dem Val de Travers im Kanton Neufchatel ist, nebst der von Seyssel, die bis jetzt einzig bekannte, welche den Bitumen haltenden Kalkstein liefert, woraus sich unzerstörbarer Mastix gewinnen läßt. Andere Gruben liefern nach den bisherigen Erfahrungen nur untergeordnete Qualitäten, welche in Beziehung auf die damit ausgeführten Arbeiten bei weitem kein befriedigendes Resultat erzielen lassen.
Die Eigenschaften des künstlichen Asphalts, welcher hie und da bereitet wird, näher auseinanderzusetzen, erscheint vollkommen überflüssig, da das geehrte Publicum darüber genügend belehrt seyn wird, daß jenes Product höchst vergängliche, unvollkommene Machwerke liefert und trotz seines anscheinend wohlfeilen Preises, von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, weit theurer zu stehen kommt als der ächte natürliche Asphalt. Indem nun die Neufchateler Gesellschaft ihren sich als vorzüglich bewährten Asphalt zu geneigter Abnahme bestens empfiehlt, bemerkt sie zugleich, daß man sich deßhalb für Augsburg und die Umgegend an das Handlungshaus Christoph Wilhelm Wagenseil in Augsburg wenden wolle, wo sich von diesem Producte stets ein ansehnliches Depot befindet, und welches zugleich über auszuführende Arbeiten jede erforderliche Auskunft zu geben bereit ist.
[2310-12]
Die Direction der k. k. priv. lombardisch-venezianischen Ferdinands-Bahn.
Da durch die allerhöchste Gnade die definitive Bewilligung zur Ausführung des Unternehmens erlangt worden ist, so beehrt sich die gesammte Direction der Gesellschaft diejenigen HH. Actionnäre, die dazu laut dem Art. 22 der Statuten berufen sind, zur General-Versammlung einzuladen, welche
den 30 künftigen Monats Julius
in Venedig, präcis 8 Uhr Vormittags, in den Sälen der Börse stattfinden wird.
Diejenigen, welche zufolge des Art. 34 von dem Rechte Gebrauch zu machen beabsichtigen, sich vertreten zu lassen, werden benachrichtigt, daß die Vollmachten in italienischer Sprache abgefaßt, vorschriftmäßig beglaubigt, und spätestens bis zum 25 genannten Monats im Bureau der Direction in Venedig vorgelegt werden müssen.
Außerdem bringt man zur Kenntniß, daß um 9 Uhr die Liste der Beiwohnenden geschlossen, und die Sitzung ihren Anfang nehmen wird.
Die Direction wird den HH. Actionnären außer den im Art. 26 berührten Gegenständen auch noch folgende vortragen:
a) Ablesung der höhern Mittheilungen in Betreff der allerhöchsten Bewilligung der Statuten und der definitiven Ermächtigung zur Ausführung des Werkes;
b) die Wiederersetzung der austretenden Directoren, laut Art. 45;
c) Seitenbahn nach Bergamo, von Sr. Maj. schon vorläufig genehmigt;
d) Entwurf einer andern Seitenbahn nach Mantua;
e) Contracte mit den Agentschaften in Wien und in Augsburg.
Mailand, den 3 Junius 1840.
Die Direction der Gesellschaft.
Venezianer Section.
(Unterz.) Giuseppe Reali.
Francesco Zucchelli.
Pietro Bigaglia.
Rob. Spiridione Papadopoli.
Cav. Giacomo Treves de' Bonfili.
Secr. Dr. G. B. Breganze.
Lombardische Section.
(Unterz.) Antonio Carmagnola.
Paolo Battaglia.
Francesco Decio.
G. Batt. Brambilla.
Secr. Dr. Emilio Campi.
[2175-77]
Einladung zur Pacht der neuen Theater-Anstalt zu Breslau.
Die hieselbst von dem Theater-Actien-Verein neu errichtete, allerhöchst privilegirte, ungefähr 1500 Zuschauer fassende Theater-Anstalt soll am 1 April 1841 bis zum 30 September 1851 öffentlich verpachtet werden, wozu wir im hiesigen Börsen-Gebäude einen Termin auf den
14 September d. J., Nachmittags 3 Uhr,
anberaumt haben.
Auf portofreie, an das unterzeichnete Directorium gerichtete, Ersuche werden die bereits für die Pacht-Entreprise festgesetzten Bedingungen, so wie eine Beschreibung der Localität zugesandt werden.
Breslau, den 22 Mai 1840.
Die Direction des Theater-Actien-Vereins.
[2320]
Bekanntmachung.
Rudolph Kunz von Mettlen, Gemeinde Wald, Amtsbezirk Hinweil, Kantons Zürich, geboren im April 1755, welcher seit 50 Jahren unbekannt abwesend ist, und der seiner Zeit nach Holland verreist seyn soll, seine Descendenten, oder wer sonst Anspruch auf sein in der Schirmlade Wald liegendes, circa 1300 fl. betragendes Vermögen Anspruch machen zu können glaubt, werden hiemit aufgefordert, ihre Ansprachen an dasselbe inner einer Frist von
neun Monaten a dato publicationis
der unterzeichneten Kanzlei schriftlich anzumelden; unter der Bedrohung, daß sonst dasselbe an die hierorts bekannten Erben mit dreijähriger Haft zu Gunsten des Abwesenden hinausgegeben würde.
Hinweil, den 4 Junius 1840.
Im Namen des Bezirksgerichtes für den Gerichtsschreiber Friedrich Meili, Substitut.
[2324]
Amortisations-Erkenntniß.
Nachdem die in der Edictal-Citation vom 26 November v. J. bezeichnete und der Theres Obermaier, Wirthswittwe in Kreuth d. G., gehörige Staatsobligation vom 14 December 1833 Katast. Nr. 1875 pr. 1600 fl. innerhalb des vorgesetzten sechsmonatlichen Termins hier nicht vorgewiesen und hierauf auch keine Ansprüche gemacht worden sind, so wird diese Urkunde hiermit für kraftlos erklärt.
Den 2 Junius 1840.
Königliches Landgericht Tegernsee.
Gr. v. Hundt.
[2019-21]
Edictal-Vorladung.
In Sache der Theresia Greb von Volkach gegen ihren Ehemann Johann Zacharias Greb, Scheidung vom Tisch und Bett betreffend, ist der Beklagte schon seit längerer Zeit abwesend, ohne daß sein Aufenthaltsort ausgemittelt werden kann. Derselbe wird demnach hiemit aufgefordert,
innerhalb drei Monaten
dahier entweder persönlich oder durch einen Anwalt zu erscheinen, und seine Rechtsnothdurft zu vertreten, unter dem Rechtsnachtheile, daß nach fruchtlosem Verlauf der Zeit mit dem eingeleiteten Proceß fortgefahren werden wird.
Würzburg, den 19 Mai 1840.
Das Consistorium des Bisthums Würzburg.
Leinicker, Official.
P. Werner, Dr.
Wehner, Secretär.
[2147-49]
Aufforderung.
Zur Besetzung der Musikmeistersstelle des in der Residenz Darmstadt garnisonirenden großherzoglich hessischen Leibgarde-Regiments werden diejenigen Lusttragenden, welche die hiezu erforderlichen musikalischen Kenntnisse besitzen, sich über ihren bisherigen moralischen Lebenswandel gehörig auszuweisen vermögen und das vierzigste Lebensjahr noch nicht überschritten haben, hiermit aufgefordert, sich baldigst bei dem unterzeichneten Regiments-Commando zu melden, um daselbst die näheren Bedingungen wegen des zu beziehenden Gehalts, als auch der sonstigen Erfordernisse zu erfahren. Bemerkt wird hiebei noch, daß bei Besetzung dieser Stelle nur ein solcher Musiker berücksichtigt werden kann, welcher im Allgemeinen befähigt ist, die Direction der ganzen Musik zu führen, ein Blasinstrument mit Fertigkeit spielt und die zum Arrangiren von Märschen und sonstigen Musikstücken erforderlichen theoretischen Kenntnisse und nöthige Uebung besitzt.
Darmstadt, den 28 Mai 1840.
Das Commando des großh. hess. Leibgarde-Regiments.
[2259]
Nachricht an die HH Pharmacenten.
Im Verlage des Unterzeichneten erscheint demnächst:
Lehrbuch der praktischen und theoretischen Pharmacie,
mit besonderer Rücksicht für angehende Apotheker, Aerzte und Droguisten.
Zwei Bände. gr. 8. Velinpapier.
Von Dr. Clamor Marquart,
k. preuß. Apotheker erster Classe, Vorstand des pharmaceutischen Instituts zu Bonn.
Dieses Buch soll, wie schon der Titel angibt, zunächst Anfängern der Pharmacie in die Hände gegeben werden, und seinen Zweck besonders dadurch erfüllen, daß es in bündiger Kürze alles enthält, was dem jungen Apotheker zu wissen Noth thut. Im Umfange wird es dem ehemals so geschätzten Lehrbuch von Hagen gleichen, aber natürlich streng wissenschaftlich bearbeitet dem gegenwärtigen Zustande der Pharmacie entsprechen. An gediegenen Werken über Pharmacie fehlt es nicht, aber sie sind entweder so voluminös und umfassend, daß sie sich nicht für den pharmaceutischen Lehrling, für den conditionirenden Gehülfen, eignen; oder sie sind einseitig und umfassen nur das Gebiet der Chemie und vernachlässigen das eigentlich Praktische u. s. w. Der Hr. Verf. ist praktischer ausübender Apotheker, dem Fache seit 20 Jahren angehörig, mit dem Standpunkte und den Fortschritten der Pharmacie bekannt, wie seine Schriften über Pharmacie beweisen, und weiß als Lehrer vieler jungen Pharmaceuten, als Vorsteher einer pharmaceutischen Bildungsanstalt gewiß die Ansprüche zu würdigen, welche man an ein solches Buch machen kann. Die Bearbeitung ist druckfertig und wird bald der Beurtheilung des pharmaceutischen Publicums vorliegen, das vorläufig Kenntniß davon erhält. Preis und übrige Bedingungen bei eleganter Ausstattung werden so gestellt, daß die Anschaffung desselben Jedem möglich ist.
Mainz, den 24 Mai 1840.
C. G. Kunze.
[2163]
Festgabe zur vierten Säcularfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst!
Durch alle Buchhandlungen Deutschlands und der Schweiz ist zu haben:
Kiesewetter,
Geschichte der Buchdruckerkunst.
6 Bogen gr. 8. geheftet.
Ausgabe Nr. 1 mit dem großen schönen Bilde Gutenbergs à 1/3 Thlr. Ausg. Nr. 2 à 3/4 Thlr. mit dem schönen von Hanfstängl in Dresden lithographirten Standbilde Gutenbergs in Mainz und einem zweiten Kunstblatte: die Basreliefs an der Gutenbergsstatue.
[2193]
Für Künstler und Kunstfreunde ist erschienen und durch die Matth. Rieger'sche Buchhandlung in Augsburg und Lindau zu beziehen:
O. L. Frhr. von Ende, praktische Winke für Anfänger in der Aquarell-Malerei. brosch. 6 gr. oder 27 kr.
Arnold'sche Buchhandlung.
[2128-30]
Einladung zur Subscription.
In unserm Verlag ist so eben erschienen und kann durch jede Buchhandlung bezogen werden:
IMMERGRÜN.
Eine Festgabe zur vierten Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst.
Enthält:
Gutenbergs Tod, geschichtliches Lebensgemälde von F. Dingelstedt, nebst Novellen
von Julius Krebs, Ludw. Storch, Bernd v. Gusek – und lyrische Beiträge von Nikolaus Lenau, L. A. Frankl, R. v. Leitner, L. Storch, J. G. Seidl, J. U. Vogl, E. Duller, Fitzinger u. a. m.
Mit 7 prachtvollen Stahlstichen nach Originalgemälden.
(Als Titelkupfer Amerlings berühmte Morgenländerin.)
Taschenformat, circa 24 Bogen auf milchweißem Velinpapier elegant gedruckt.
Ausgabe in fein gepreßtem Pariserband mit reich vergoldeten Decken und Goldschnitt 4 fl. C. M. oder 2 Rthlr. 20 gr. – Prachtausgabe in Seide 5 fl. C. M. oder 3 Rthlr. 12 gr.
So weit die deutsche Zunge reicht, verkünden Prachtausgaben die Feier des großen Nationalfestes der Erfindung der Buchdruckerkunst!
Ja die hundertjährigen Festhallen sind im Jahre Eintausend achthundert und vierzig wiederum geöffnet, um den Manen des großen Deutschen, Johannes Gutenberg, Kränze zu winden; und so ein denkwürdiges Fest muß jeden deutschen Buchdrucker und Buchhändler, jeden Litteraturfreund und Jeden, der Sinn für geistiges Streben hat, zur freudigsten Theilnahme anregen.
Auch Oesterreichs Typographen werden nicht theilnahmlos dabei erscheinen, da es sich die unterzeichnete Buchhandlung zur Aufgabe machte, seine Pressen durch obiges Werkchen bei Deutschlands Jubelfesten zu repräsentiren,
In geschmackvoller, würdiger Ausstattung, aber ohne großen Prunk, dem Namen entsprechend, den das Buch an der Stirne trägt, tritt dieses Unternehmen auf, wird aber, dessen sind wir gewiß, freundliche Aufnahme und Anerkennung finden; denn fremde und heimische Dichter bieten des Schönen so viel, daß Jeder, nach Durchlesung befriedigt, diese Festspende als Denkbuch gern aufbewahren wird, zumal da sie durch die artistische Beigabe: „7 treffliche Copien berühmter Originalgemälde,“ auch für den Kunstfreund bleibenden Werth hat.
Daß außer Dingelstedts meisterhaftem Lebensbild und den Gutenberg-Liedern auch andere, nicht auf das Fest bezügliche Poesien zu unserm Album gewählt wurden, wird jeder Leser durch den Werth der Beiträge und durch die angenehme Abwechslung derselben gerechtfertigt finden.
Karl Haas'sche Buchhandlung in Wien.
[2268]
Das litterarisch-artistische Magazin
von KARL JÜGEL aus Frankfurt a. M.
in Kissingen ist seit dem 15 Mai wieder eröffnet, und verbindet mit einem vollständigen Lager von Litteratur- und Kunstgegenständen auch eine mit den vorzüglichsten Werken der deutschen und französischen Litteratur reich versehene Leihanstalt und ein elegant eingerichtetes Lese-Cabinet, worin die besten deutschen, französischen und englischen Journale und Zeitschriften aufliegen.
Es gehört dieses Institut unstreitig zu einem der Haupt-Annehmlichkeiten des Bades.
[1681-86]
Anzeige für Auswanderer.
Hamburg.
Expedition nach Nord-Amerika pr. Dampfschiff unter dem Verdeck einmal wöchentlich über New-Castle, und dreimal wöchentlich pr. Dampfschiff über Hull.
Preis für Erwachsene 36 Rthlr. Gold, Kinder unter 14 Jahren 24 Rthlr. Gold, Säuglinge 10 Rthlr. Gold, Beköstigung und alle weiteren Unkosten von Hamburg bis Amerika inbegriffen.
Nähere Berichte und Circulare werden auf frankirte Briefe sofort ertheilt durch H. D. Albers, beeidigten Schiffsmackler, 1ste Vorsetzen. Nr. 18.
Hamburg.
NB. Der Weg über New-Castle pr. Dampfschiff unter dem Verdeck ist bisher nur einzig und allein von mir verfolgt worden, und circa 1500 Personen wurden auf diesem Wege vorigen Sommer durch mich expedirt.
Der Obige.
[2313-15]
Gasthofs-Eröffnung.
Dem reisenden Publicum beehre ich mich anzuzeigen, daß ich am 12 d. den käuflich an mich gebrachten Gasthof zu den „Drei Helmen“ eröffnen werde.
Regensburg, den 1 Junius 1840.
Nicolaus Bauhof.
[2271-72]
So eben sind bei Meyer & Zeller in Zürich erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Eichelberg, G., Methodischer Leitfaden zum gründlichen Unterricht in der Naturgeschichte für höhere Lehranstalten. 8. 1ster Thl. Thierkunde. 48 kr. od. 10 Gr. 3ter Thl. Mineralogie. 54 kr. oder 12 Gr. (Der 2te Theil erscheint nächstens.)
Das Bernerische Schulblatt spricht sich über die Schrift folgendermaßen aus: „Dieser Leitfaden führt die gewünschte Verbindung des pädagogischen mit dem wissenschaftlichen Elemente auf vorzügliche Weise durch. Es mag diese kleine Schrift wohl das Vorzüglichste seyn, was in methodischer Beziehung über Naturgeschichte bis jetzt erschienen ist. Wer sich ihrer bedienen mag und eigenes, ernstes Studium nicht scheut, wird auch gewiß in intellectueller Hinsicht und in Beziehung auf großartige Naturanschauung die herrlichsten Erfolge wahrnehmen.
So behandelt, muß die Naturgeschichte ein herrliches Bildungsmittel werden, sie weckt und schärft den Verstand, veredelt und hebt das Gefühl und führt tief ins Leben der Natur hinein und lehrt, wie der Verfasser sagt, die Natursprache verstehen. Möchte dieser Weg bald allgemeinere Anerkennung finden!“
Meyer, Dr. H., die ältesten Münzen von Zürich, oder Zürichs Münzgeschichte im Mittelalter, mit zwei Münztafeln. 12. 57 kr. od. 12 Gr.
Schuster, C. Ludwig, poetische Versuche. Herausgegeben zur Unterstützung eines Biedermannes. 8. 18 kr. od. 4 Gr.
Platonis. Lysis et Menexenus item incerti auctoris Hipparchus. Recogn. J. G. Baiterus, J. C. Orellius, A. G. Winkelmannus. 12. 27 kr. oder 6 Gr.
A. G. Winkelmannus, Politicus item incerti auctoris Minos. 12. 36 kr. oder 8 Gr.
[2043]
Titi Livii opera omnia, animadvers. illustr. F. A. Stroth, recens. et suas observ. adsp. F. G. Döring. Ed. auct. et emend. VII Vol. 8. 1806-1824. Ladenpreis 11 Rthlr., können durch alle Buchhandlungen, so lange es der geringe Vorrath erlaubt, zu dem bedeutend ermäßigten Preise von 4 Rthlr. 16 gGr. = 7 fl. C. M. od. 8 fl. 24 kr. rhein. bezogen werden.
Einzelne Bände, mit Ausnahme des 4ten werden zur Hälfte des Ladenpreises abgelassen.
Halle, im Mai 1840.
Ed. Heynemann.
[2295-98]
Großherzogl. Darmstädter Staats-Anlehen.
Die 13te Ziehung am 1 Julius enthält 1500 Gewinne, als: 50,000 fl., 10,000 fl., 5000 fl., 3000 fl., 6 à 1000 fl., 10 à 400 fl., 20 à 200 fl. etc. Hiezu sind Loose à 5 fl. 15 kr., und auf 5 Stück das sechste gratis direct zu beziehen bei J. & S. Friedberg, Bankiers in Frankfurt a. M.
[2253-54]
Stelle-Gesuch.
Ein wohlgebildeter gesunder junger Mann, der Pharmacie und Chemie mit der ersten Note absolvirt hat, wünscht in einer Apotheke oder in einer chemischen Fabrik eine Anstellung zu finden. Portofreie Anfragen besorgt die Expedition der Allg. Zeitung.