Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.§ 1. Van der Waals' Grundanschauungen. Die nach dieser Methode von Gay-Lussac1) und später Die gleichzeitige Existenz einer anziehenden Fernkraft Wir wollen selbstverständlich eine genauere Formulirung 1) Mem. d. l. soc. d'Arcueil I, S. 180, 1807; vgl. Anhang zu Mach, Princ. d. Wärmelehre, Barth, 1897. 2) Phil. mag. ser. III, 26, S. 369, 1845. Joule's gesamm. Abh., deutsch v. Sprengel. 3) Phil. trans. 1854, S. 321. 1862, S. 579. 1*
§ 1. Van der Waals’ Grundanschauungen. Die nach dieser Methode von Gay-Lussac1) und später Die gleichzeitige Existenz einer anziehenden Fernkraft Wir wollen selbstverständlich eine genauere Formulirung 1) Mem. d. l. soc. d’Arcueil I, S. 180, 1807; vgl. Anhang zu Mach, Princ. d. Wärmelehre, Barth, 1897. 2) Phil. mag. ser. III, 26, S. 369, 1845. Joule’s gesamm. Abh., deutsch v. Sprengel. 3) Phil. trans. 1854, S. 321. 1862, S. 579. 1*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0021" n="3"/> <fw place="top" type="header">§ 1. Van der Waals’ Grundanschauungen.</fw><lb/> <p>Die nach dieser Methode von <hi rendition="#g">Gay-Lussac</hi><note place="foot" n="1)">Mem. d. l. soc. d’Arcueil I, S. 180, 1807; vgl. Anhang zu <hi rendition="#g">Mach,</hi><lb/> Princ. d. Wärmelehre, Barth, 1897.</note> und später<lb/> von <hi rendition="#g">Joule</hi> und <hi rendition="#g">Lord Kelvin</hi><note place="foot" n="2)">Phil. mag. ser. III, 26, S. 369, 1845. <hi rendition="#g">Joule’s</hi> gesamm. Abh.,<lb/> deutsch v. <hi rendition="#g">Sprengel</hi>.</note> angestellten Versuche ergaben<lb/> zwar kein die Frage nach dem Vorhandensein dieser Anziehungs-<lb/> kräfte sicher entscheidendes Resultat, doch gelang es den beiden<lb/> Letzteren nach einer mehr indirecten Methode die Existenz<lb/> dieser Anziehungskräfte durch Ausdehnungsversuche mit Gasen<lb/> experimentell nachzuweisen.<note place="foot" n="3)">Phil. trans. 1854, S. 321. 1862, S. 579.</note> Sie zeigten nämlich, dass ein Gas,<lb/> welches (ohne Wärmeabgabe nach aussen) mit Druck durch einen<lb/> porösen Pfropf getrieben wird, dabei eine kleine Abkühlung er-<lb/> fährt, während die Rechnung ergiebt, dass ein vollkommen ideales<lb/> Gas hierbei seine Temperatur nicht ändern würde.</p><lb/> <p>Die gleichzeitige Existenz einer anziehenden Fernkraft<lb/> und eines elastischen Kernes der Moleküle hat freilich eine<lb/> gewisse Unwahrscheinlichkeit. Besonders scheint sie der im<lb/> III. Abschnitte des I. Theiles besprochenen Annahme dia-<lb/> metral entgegengesetzt zu sein, dass sich zwei Moleküle mit<lb/> einer der 5. Potenz der Entfernung verkehrt proportionalen<lb/> Kraft abstossen. Trotzdem könnten beide Annahmen eine ge-<lb/> wisse Annäherung an die Wirklichkeit gewähren, wenn die<lb/> Moleküle in grösseren Entfernungen eine schwache Anziehung,<lb/> in sehr kleinen aber eine nahe der 5. Potenz der Entfernung<lb/> verkehrt proportionale Abstossung auf einander ausüben würden.<lb/> Die Anziehung müsste dann mit abnehmender Entfernung weit<lb/> langsamer wachsen als die Abstossung, so dass erstere bei den<lb/> Zusammenstössen neben der in sehr kleinen Entfernungen enorm<lb/> überwiegenden Abstossung nicht in Betracht käme.</p><lb/> <p>Wir wollen selbstverständlich eine genauere Formulirung<lb/> der etwa möglichen Annahmen der Zukunft überlassen und uns<lb/> im Folgenden unbekümmert um den Zusammenhang mit den im<lb/> I. Theile discutirten Hypothesen genau an die Voraussetzungen<lb/><hi rendition="#g">van der Waals’</hi> halten, die wir ganz im Sinne unserer Theorie<lb/> wieder als ein nur in manchen Stücken zutreffendes Bild be-<lb/> trachten. Wir haben ja auch bisher im Bewusstsein unserer Un-<lb/> bekanntschaft mit der wahren Beschaffenheit der Moleküle niemals<lb/> <fw place="bottom" type="sig">1*</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0021]
§ 1. Van der Waals’ Grundanschauungen.
Die nach dieser Methode von Gay-Lussac 1) und später
von Joule und Lord Kelvin 2) angestellten Versuche ergaben
zwar kein die Frage nach dem Vorhandensein dieser Anziehungs-
kräfte sicher entscheidendes Resultat, doch gelang es den beiden
Letzteren nach einer mehr indirecten Methode die Existenz
dieser Anziehungskräfte durch Ausdehnungsversuche mit Gasen
experimentell nachzuweisen. 3) Sie zeigten nämlich, dass ein Gas,
welches (ohne Wärmeabgabe nach aussen) mit Druck durch einen
porösen Pfropf getrieben wird, dabei eine kleine Abkühlung er-
fährt, während die Rechnung ergiebt, dass ein vollkommen ideales
Gas hierbei seine Temperatur nicht ändern würde.
Die gleichzeitige Existenz einer anziehenden Fernkraft
und eines elastischen Kernes der Moleküle hat freilich eine
gewisse Unwahrscheinlichkeit. Besonders scheint sie der im
III. Abschnitte des I. Theiles besprochenen Annahme dia-
metral entgegengesetzt zu sein, dass sich zwei Moleküle mit
einer der 5. Potenz der Entfernung verkehrt proportionalen
Kraft abstossen. Trotzdem könnten beide Annahmen eine ge-
wisse Annäherung an die Wirklichkeit gewähren, wenn die
Moleküle in grösseren Entfernungen eine schwache Anziehung,
in sehr kleinen aber eine nahe der 5. Potenz der Entfernung
verkehrt proportionale Abstossung auf einander ausüben würden.
Die Anziehung müsste dann mit abnehmender Entfernung weit
langsamer wachsen als die Abstossung, so dass erstere bei den
Zusammenstössen neben der in sehr kleinen Entfernungen enorm
überwiegenden Abstossung nicht in Betracht käme.
Wir wollen selbstverständlich eine genauere Formulirung
der etwa möglichen Annahmen der Zukunft überlassen und uns
im Folgenden unbekümmert um den Zusammenhang mit den im
I. Theile discutirten Hypothesen genau an die Voraussetzungen
van der Waals’ halten, die wir ganz im Sinne unserer Theorie
wieder als ein nur in manchen Stücken zutreffendes Bild be-
trachten. Wir haben ja auch bisher im Bewusstsein unserer Un-
bekanntschaft mit der wahren Beschaffenheit der Moleküle niemals
1) Mem. d. l. soc. d’Arcueil I, S. 180, 1807; vgl. Anhang zu Mach,
Princ. d. Wärmelehre, Barth, 1897.
2) Phil. mag. ser. III, 26, S. 369, 1845. Joule’s gesamm. Abh.,
deutsch v. Sprengel.
3) Phil. trans. 1854, S. 321. 1862, S. 579.
1*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |