Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt. [Gleich. 111 a]
wand getrennten Gasen gebildetes System, was offenbar ein
specieller Fall des allgemeinen, früher betrachteten ist, so
können wir unter einigen der r die mit der Gesammtmasse
eines Moleküles multiplicirten Geschwindigkeitscomponenten
seines Schwerpunktes verstehen. Nach Gleichung 110) muss
also die mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes eines
Moleküles für beide Gase gleich sein, woraus dann das Avo-
gadro
'sche Gesetz folgt.

Diese mittlere lebendige Kraft müsste zudem gleich sein
der mittleren, einem beliebigen Momentoide entsprechenden
lebendigen Kraft, das die Molekularbewegung eines beliebigen,
mit dem Gase im Wärmegleichgewichte befindlichen Körpers
bestimmt. Verwenden wir daher ein vollkommenes Gas als
thermometrische Substanz, so müsste der Zuwachs der jedem
solchen Momentoide entsprechenden lebendigen Kraft gleich dem
mit einer für alle Momentoide gleichen Constanten multiplicirten
Temperaturzuwachse sein. Die in Form von lebendiger Kraft
der Molekularbewegung in irgend einem Körper vorhandene
Wärme wäre also gleich dem Produkte der absoluten Tempe-
ratur und der Anzahl der die Molekularbewegung bestimmen-
den Momentoide in eine für alle Körper und Temperaturen
constante Grösse.

Substituiren wir für eines der mechanischen Systeme ein
einziges Gas mit zusammengesetzten Molekülen, was wieder
ein specieller Fall ist, so folgt, dass für jedes Molekül die
mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes gleich der drei-
fachen mittleren lebendigen Kraft sein muss, die irgend einem
die innere Bewegung des Moleküles bestimmenden Momentoide
entspricht. Wir werden übrigens diese Sätze, soweit sie Gase
betreffen, in den folgenden Paragraphen noch auf ganz anderem
Wege ableiten.

Unter sechs der Momentoide r eines bloss inneren
Kräften unterworfenen Systems können wir die drei Com-
ponenten der Geschwindigkeit des Schwerpunktes und die
Flächenmomente bezüglich dreier rechtwinkliger Axen ver-
stehen. Für ergodische Systeme ist die ihnen entsprechende
mittlere lebendige Kraft gleich der einem beliebigen anderen
Momentoide entsprechenden, also verschwindend klein, wenn
das System aus sehr vielen Atomen besteht. Es beziehen sich

III. Abschnitt. [Gleich. 111 a]
wand getrennten Gasen gebildetes System, was offenbar ein
specieller Fall des allgemeinen, früher betrachteten ist, so
können wir unter einigen der r die mit der Gesammtmasse
eines Moleküles multiplicirten Geschwindigkeitscomponenten
seines Schwerpunktes verstehen. Nach Gleichung 110) muss
also die mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes eines
Moleküles für beide Gase gleich sein, woraus dann das Avo-
gadro
’sche Gesetz folgt.

Diese mittlere lebendige Kraft müsste zudem gleich sein
der mittleren, einem beliebigen Momentoide entsprechenden
lebendigen Kraft, das die Molekularbewegung eines beliebigen,
mit dem Gase im Wärmegleichgewichte befindlichen Körpers
bestimmt. Verwenden wir daher ein vollkommenes Gas als
thermometrische Substanz, so müsste der Zuwachs der jedem
solchen Momentoide entsprechenden lebendigen Kraft gleich dem
mit einer für alle Momentoide gleichen Constanten multiplicirten
Temperaturzuwachse sein. Die in Form von lebendiger Kraft
der Molekularbewegung in irgend einem Körper vorhandene
Wärme wäre also gleich dem Produkte der absoluten Tempe-
ratur und der Anzahl der die Molekularbewegung bestimmen-
den Momentoide in eine für alle Körper und Temperaturen
constante Grösse.

Substituiren wir für eines der mechanischen Systeme ein
einziges Gas mit zusammengesetzten Molekülen, was wieder
ein specieller Fall ist, so folgt, dass für jedes Molekül die
mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes gleich der drei-
fachen mittleren lebendigen Kraft sein muss, die irgend einem
die innere Bewegung des Moleküles bestimmenden Momentoide
entspricht. Wir werden übrigens diese Sätze, soweit sie Gase
betreffen, in den folgenden Paragraphen noch auf ganz anderem
Wege ableiten.

Unter sechs der Momentoide r eines bloss inneren
Kräften unterworfenen Systems können wir die drei Com-
ponenten der Geschwindigkeit des Schwerpunktes und die
Flächenmomente bezüglich dreier rechtwinkliger Axen ver-
stehen. Für ergodische Systeme ist die ihnen entsprechende
mittlere lebendige Kraft gleich der einem beliebigen anderen
Momentoide entsprechenden, also verschwindend klein, wenn
das System aus sehr vielen Atomen besteht. Es beziehen sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0122" n="104"/><fw place="top" type="header">III. Abschnitt. [Gleich. 111 a]</fw><lb/>
wand getrennten Gasen gebildetes System, was offenbar ein<lb/>
specieller Fall des allgemeinen, früher betrachteten ist, so<lb/>
können wir unter einigen der <hi rendition="#i">r</hi> die mit der Gesammtmasse<lb/>
eines Moleküles multiplicirten Geschwindigkeitscomponenten<lb/>
seines Schwerpunktes verstehen. Nach Gleichung 110) muss<lb/>
also die mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes eines<lb/>
Moleküles für beide Gase gleich sein, woraus dann das <hi rendition="#g">Avo-<lb/>
gadro</hi>&#x2019;sche Gesetz folgt.</p><lb/>
          <p>Diese mittlere lebendige Kraft müsste zudem gleich sein<lb/>
der mittleren, einem beliebigen Momentoide entsprechenden<lb/>
lebendigen Kraft, das die Molekularbewegung eines beliebigen,<lb/>
mit dem Gase im Wärmegleichgewichte befindlichen Körpers<lb/>
bestimmt. Verwenden wir daher ein vollkommenes Gas als<lb/>
thermometrische Substanz, so müsste der Zuwachs der jedem<lb/>
solchen Momentoide entsprechenden lebendigen Kraft gleich dem<lb/>
mit einer für alle Momentoide gleichen Constanten multiplicirten<lb/>
Temperaturzuwachse sein. Die in Form von lebendiger Kraft<lb/>
der Molekularbewegung in irgend einem Körper vorhandene<lb/>
Wärme wäre also gleich dem Produkte der absoluten Tempe-<lb/>
ratur und der Anzahl der die Molekularbewegung bestimmen-<lb/>
den Momentoide in eine für alle Körper und Temperaturen<lb/>
constante Grösse.</p><lb/>
          <p>Substituiren wir für eines der mechanischen Systeme ein<lb/>
einziges Gas mit zusammengesetzten Molekülen, was wieder<lb/>
ein specieller Fall ist, so folgt, dass für jedes Molekül die<lb/>
mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes gleich der drei-<lb/>
fachen mittleren lebendigen Kraft sein muss, die irgend einem<lb/>
die innere Bewegung des Moleküles bestimmenden Momentoide<lb/>
entspricht. Wir werden übrigens diese Sätze, soweit sie Gase<lb/>
betreffen, in den folgenden Paragraphen noch auf ganz anderem<lb/>
Wege ableiten.</p><lb/>
          <p>Unter sechs der Momentoide <hi rendition="#i">r</hi> eines bloss inneren<lb/>
Kräften unterworfenen Systems können wir die drei Com-<lb/>
ponenten der Geschwindigkeit des Schwerpunktes und die<lb/>
Flächenmomente bezüglich dreier rechtwinkliger Axen ver-<lb/>
stehen. Für ergodische Systeme ist die ihnen entsprechende<lb/>
mittlere lebendige Kraft gleich der einem beliebigen anderen<lb/>
Momentoide entsprechenden, also verschwindend klein, wenn<lb/>
das System aus sehr vielen Atomen besteht. Es beziehen sich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0122] III. Abschnitt. [Gleich. 111 a] wand getrennten Gasen gebildetes System, was offenbar ein specieller Fall des allgemeinen, früher betrachteten ist, so können wir unter einigen der r die mit der Gesammtmasse eines Moleküles multiplicirten Geschwindigkeitscomponenten seines Schwerpunktes verstehen. Nach Gleichung 110) muss also die mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes eines Moleküles für beide Gase gleich sein, woraus dann das Avo- gadro’sche Gesetz folgt. Diese mittlere lebendige Kraft müsste zudem gleich sein der mittleren, einem beliebigen Momentoide entsprechenden lebendigen Kraft, das die Molekularbewegung eines beliebigen, mit dem Gase im Wärmegleichgewichte befindlichen Körpers bestimmt. Verwenden wir daher ein vollkommenes Gas als thermometrische Substanz, so müsste der Zuwachs der jedem solchen Momentoide entsprechenden lebendigen Kraft gleich dem mit einer für alle Momentoide gleichen Constanten multiplicirten Temperaturzuwachse sein. Die in Form von lebendiger Kraft der Molekularbewegung in irgend einem Körper vorhandene Wärme wäre also gleich dem Produkte der absoluten Tempe- ratur und der Anzahl der die Molekularbewegung bestimmen- den Momentoide in eine für alle Körper und Temperaturen constante Grösse. Substituiren wir für eines der mechanischen Systeme ein einziges Gas mit zusammengesetzten Molekülen, was wieder ein specieller Fall ist, so folgt, dass für jedes Molekül die mittlere lebendige Kraft des Schwerpunktes gleich der drei- fachen mittleren lebendigen Kraft sein muss, die irgend einem die innere Bewegung des Moleküles bestimmenden Momentoide entspricht. Wir werden übrigens diese Sätze, soweit sie Gase betreffen, in den folgenden Paragraphen noch auf ganz anderem Wege ableiten. Unter sechs der Momentoide r eines bloss inneren Kräften unterworfenen Systems können wir die drei Com- ponenten der Geschwindigkeit des Schwerpunktes und die Flächenmomente bezüglich dreier rechtwinkliger Axen ver- stehen. Für ergodische Systeme ist die ihnen entsprechende mittlere lebendige Kraft gleich der einem beliebigen anderen Momentoide entsprechenden, also verschwindend klein, wenn das System aus sehr vielen Atomen besteht. Es beziehen sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/122
Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/122>, abgerufen am 26.11.2024.