Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebes-Geschichte.
angenehme gewesen? Jch glaubete/ antwortete Fe-
deric,
daß die Befremdung/ eine geliebte Person
unerwartet vor sich zu sehen/ so viel Freude verursa-
chen solte/ daß ich mir niemahls eingebildet hätte/
euch solche Vergnügung hinwegzunehmen/ und ich
hatte selbst aus der eurigen meine Lust zu geniessen
gehoffet; doch nun spühre ich wohl/ daß ich mir sol-
che muß vergehen lassen: Wollet ihr dann/ daß ich
aufhören soll zu leben? Jhr dürfft nur zu lieben auf-
hören. Wann ich euch weniger liebete/ sagte die
Hertzogin/ als ich nicht thue/ so werdet ihr doch so eu-
serst anderswo geliebet/ daß ihr euch über mein Ver-
fahren leichtlich trösten würdet.

Jhr redet mir auf so dunckele Manier/ verwieß ihr
der Hertzog/ und die so wenig mit meiner Redlichkeit
übereinkommt/ daß ich in dieser neuen Art mit mir zu
handeln tausenderley sehe/ so mich erschrecket. Es
kömmt daher/ sagte Victoria, daß eure Augen nicht
genug geöffnet seyn/ und daß dasjenige/ was man
nicht eigentlich schauet/ uns jedesmahl verdrießlich
und unangenehm scheinet. Aber vielleicht/ mein
Herr/ weil doch hinter eurer Reise ein Geheimniß
stecket/ da ihr allem Ansehen nach euch nicht wenig
bemühet/ so habt ihr wohl der Ruhe vonnöthen.
Vielleicht störe ich die eurige/ sagte Federic: Ge-
wiß störet ihr selbige/ antwortete sie/ und ich kan zu-
gleich sagen/ daß niemahls jemand anders solches
gewesen sey.

Der Hertzog war so voller schmertzlichen Regun-
gen/ daß er sich kaum enthalten kunte/ einige Zeichen
seiner Schwachheit blicken zu lassen/ doch er über-
wande sich: Victoria fragte ihn; ob er nicht speisen

wol-

Liebes-Geſchichte.
angenehme geweſen? Jch glaubete/ antwortete Fe-
deric,
daß die Befremdung/ eine geliebte Perſon
unerwartet vor ſich zu ſehen/ ſo viel Freude verurſa-
chen ſolte/ daß ich mir niemahls eingebildet haͤtte/
euch ſolche Vergnuͤgung hinwegzunehmen/ und ich
hatte ſelbſt aus der eurigen meine Luſt zu genieſſen
gehoffet; doch nun ſpuͤhre ich wohl/ daß ich mir ſol-
che muß vergehen laſſen: Wollet ihr dann/ daß ich
aufhoͤren ſoll zu leben? Jhr duͤrfft nur zu lieben auf-
hoͤren. Wann ich euch weniger liebete/ ſagte die
Hertzogin/ als ich nicht thue/ ſo werdet ihr doch ſo eu-
ſerſt anderswo geliebet/ daß ihr euch uͤber mein Ver-
fahren leichtlich troͤſten wuͤrdet.

Jhr redet mir auf ſo dunckele Manier/ verwieß ihr
der Hertzog/ und die ſo wenig mit meiner Redlichkeit
uͤbereinkom̃t/ daß ich in dieſer neuen Art mit mir zu
handeln tauſenderley ſehe/ ſo mich erſchrecket. Es
koͤm̃t daher/ ſagte Victoria, daß eure Augen nicht
genug geoͤffnet ſeyn/ und daß dasjenige/ was man
nicht eigentlich ſchauet/ uns jedesmahl verdrießlich
und unangenehm ſcheinet. Aber vielleicht/ mein
Herr/ weil doch hinter eurer Reiſe ein Geheimniß
ſtecket/ da ihr allem Anſehen nach euch nicht wenig
bemuͤhet/ ſo habt ihr wohl der Ruhe vonnoͤthen.
Vielleicht ſtoͤre ich die eurige/ ſagte Federic: Ge-
wiß ſtoͤret ihr ſelbige/ antwortete ſie/ und ich kan zu-
gleich ſagen/ daß niemahls jemand anders ſolches
geweſen ſey.

Der Hertzog war ſo voller ſchmertzlichen Regun-
gen/ daß er ſich kaum enthalten kunte/ einige Zeichen
ſeiner Schwachheit blicken zu laſſen/ doch er uͤber-
wande ſich: Victoria fragte ihn; ob er nicht ſpeiſen

wol-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0383" n="351"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Liebes-Ge&#x017F;chichte.</hi></fw><lb/>
angenehme gewe&#x017F;en? Jch glaubete/ antwortete <hi rendition="#aq">Fe-<lb/>
deric,</hi> daß die Befremdung/ eine geliebte Per&#x017F;on<lb/>
unerwartet vor &#x017F;ich zu &#x017F;ehen/ &#x017F;o viel Freude verur&#x017F;a-<lb/>
chen &#x017F;olte/ daß ich mir niemahls eingebildet ha&#x0364;tte/<lb/>
euch &#x017F;olche Vergnu&#x0364;gung hinwegzunehmen/ und ich<lb/>
hatte &#x017F;elb&#x017F;t aus der eurigen meine Lu&#x017F;t zu genie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gehoffet; doch nun &#x017F;pu&#x0364;hre ich wohl/ daß ich mir &#x017F;ol-<lb/>
che muß vergehen la&#x017F;&#x017F;en: Wollet ihr dann/ daß ich<lb/>
aufho&#x0364;ren &#x017F;oll zu leben? Jhr du&#x0364;rfft nur zu lieben auf-<lb/>
ho&#x0364;ren. Wann ich euch weniger liebete/ &#x017F;agte die<lb/>
Hertzogin/ als ich nicht thue/ &#x017F;o werdet ihr doch &#x017F;o eu-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;t anderswo geliebet/ daß ihr euch u&#x0364;ber mein Ver-<lb/>
fahren leichtlich tro&#x0364;&#x017F;ten wu&#x0364;rdet.</p><lb/>
          <p>Jhr redet mir auf &#x017F;o dunckele Manier/ verwieß ihr<lb/>
der Hertzog/ und die &#x017F;o wenig mit meiner Redlichkeit<lb/>
u&#x0364;bereinkom&#x0303;t/ daß ich in die&#x017F;er neuen Art mit mir zu<lb/>
handeln tau&#x017F;enderley &#x017F;ehe/ &#x017F;o mich er&#x017F;chrecket. Es<lb/>
ko&#x0364;m&#x0303;t daher/ &#x017F;agte <hi rendition="#aq">Victoria,</hi> daß eure Augen nicht<lb/>
genug geo&#x0364;ffnet &#x017F;eyn/ und daß dasjenige/ was man<lb/>
nicht eigentlich &#x017F;chauet/ uns jedesmahl verdrießlich<lb/>
und unangenehm &#x017F;cheinet. Aber vielleicht/ mein<lb/>
Herr/ weil doch hinter eurer Rei&#x017F;e ein Geheimniß<lb/>
&#x017F;tecket/ da ihr allem An&#x017F;ehen nach euch nicht wenig<lb/>
bemu&#x0364;het/ &#x017F;o habt ihr wohl der Ruhe vonno&#x0364;then.<lb/>
Vielleicht &#x017F;to&#x0364;re ich die eurige/ &#x017F;agte <hi rendition="#aq">Federic:</hi> Ge-<lb/>
wiß &#x017F;to&#x0364;ret ihr &#x017F;elbige/ antwortete &#x017F;ie/ und ich kan zu-<lb/>
gleich &#x017F;agen/ daß niemahls jemand anders &#x017F;olches<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Der Hertzog war &#x017F;o voller &#x017F;chmertzlichen Regun-<lb/>
gen/ daß er &#x017F;ich kaum enthalten kunte/ einige Zeichen<lb/>
&#x017F;einer Schwachheit blicken zu la&#x017F;&#x017F;en/ doch er u&#x0364;ber-<lb/>
wande &#x017F;ich: <hi rendition="#aq">Victoria</hi> fragte ihn; ob er nicht &#x017F;pei&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wol-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0383] Liebes-Geſchichte. angenehme geweſen? Jch glaubete/ antwortete Fe- deric, daß die Befremdung/ eine geliebte Perſon unerwartet vor ſich zu ſehen/ ſo viel Freude verurſa- chen ſolte/ daß ich mir niemahls eingebildet haͤtte/ euch ſolche Vergnuͤgung hinwegzunehmen/ und ich hatte ſelbſt aus der eurigen meine Luſt zu genieſſen gehoffet; doch nun ſpuͤhre ich wohl/ daß ich mir ſol- che muß vergehen laſſen: Wollet ihr dann/ daß ich aufhoͤren ſoll zu leben? Jhr duͤrfft nur zu lieben auf- hoͤren. Wann ich euch weniger liebete/ ſagte die Hertzogin/ als ich nicht thue/ ſo werdet ihr doch ſo eu- ſerſt anderswo geliebet/ daß ihr euch uͤber mein Ver- fahren leichtlich troͤſten wuͤrdet. Jhr redet mir auf ſo dunckele Manier/ verwieß ihr der Hertzog/ und die ſo wenig mit meiner Redlichkeit uͤbereinkom̃t/ daß ich in dieſer neuen Art mit mir zu handeln tauſenderley ſehe/ ſo mich erſchrecket. Es koͤm̃t daher/ ſagte Victoria, daß eure Augen nicht genug geoͤffnet ſeyn/ und daß dasjenige/ was man nicht eigentlich ſchauet/ uns jedesmahl verdrießlich und unangenehm ſcheinet. Aber vielleicht/ mein Herr/ weil doch hinter eurer Reiſe ein Geheimniß ſtecket/ da ihr allem Anſehen nach euch nicht wenig bemuͤhet/ ſo habt ihr wohl der Ruhe vonnoͤthen. Vielleicht ſtoͤre ich die eurige/ ſagte Federic: Ge- wiß ſtoͤret ihr ſelbige/ antwortete ſie/ und ich kan zu- gleich ſagen/ daß niemahls jemand anders ſolches geweſen ſey. Der Hertzog war ſo voller ſchmertzlichen Regun- gen/ daß er ſich kaum enthalten kunte/ einige Zeichen ſeiner Schwachheit blicken zu laſſen/ doch er uͤber- wande ſich: Victoria fragte ihn; ob er nicht ſpeiſen wol-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Diese Ausgabe ist ein Exemplar der Zeitschrift „D… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/383
Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/383>, abgerufen am 24.11.2024.