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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Liebes-Geschichte.

Die Thüre des Cabinets war also gefasset/ daß
er sie sehen kunte/ ohne daß sie ihn wieder gewahr
wurde. Bey dem Anblick eines so liebreichen Ob-
jects
empfande der Hertzog von Arione nichts
als seine zärtliche Neigung/ und ware gleich in
dem Begriff/ nach ihr gähling zuzugehen; als er
von Victorien, nachdem selbige das kleine Bildniß/
so er nicht erkennen kunte/ offtmals geküsset/ unter
heissen Seuffzern folgende Klagen hörete: O du
ungerechte Liebe/ nachdem du mir so günstig gewe-
sen/ soltest du mir nun so grausam werden: ich Un-
glückselige/ und in meiner Liebe allzuempfindliche!
muß ich dann mit solcher Hefftigkeit lieben? Ja/ ja/
fuhr sie fort/ ich muß/ und solte ich tausendmahl
darüber sterben.

Diese Worte/ so dem Hertzog gantz ausser der Zeit
vorgebracht schienen/ ein offener Brieff/ und ein
Bildniß/ dem sie tausend Liebkosungen unter heissen
Thränen gabe/ bliesen eine neue Eyfersucht in sein
Gemüth: Don Alvaros de Luna sein Zuspruch/
indeß/ daß er in Vailladolid gewesen/ halff zu deren
Vergrösserung/ und indem er sich einbildete/ Victo-
ria
liebe ihn nicht mehr/ fühlete er in seinem Hertzen
tödtliche Marter.

Doch/ wie ein grosser Sturm daß auch in seiner
Seelen entstand/ wolte er gleichwohl mit Victorien
nicht aus denen Grentzen der Honnetete und der
Ehrerbietung schreiten/ ob er schon sich nicht starck
genug befande/ sie gantz ruhig anzureden. Er hielt
demnach davor/ daß er sich vorhero in etwas ab-
werts erholen müste/ und begabe sich heimlich
wieder fort in sein Zimmer; da er dann im

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Liebes-Geſchichte.

Die Thuͤre des Cabinets war alſo gefaſſet/ daß
er ſie ſehen kunte/ ohne daß ſie ihn wieder gewahr
wurde. Bey dem Anblick eines ſo liebreichen Ob-
jects
empfande der Hertzog von Arione nichts
als ſeine zaͤrtliche Neigung/ und ware gleich in
dem Begriff/ nach ihr gaͤhling zuzugehen; als er
von Victorien, nachdem ſelbige das kleine Bildniß/
ſo er nicht erkennen kunte/ offtmals gekuͤſſet/ unter
heiſſen Seuffzern folgende Klagen hoͤrete: O du
ungerechte Liebe/ nachdem du mir ſo guͤnſtig gewe-
ſen/ ſolteſt du mir nun ſo grauſam werden: ich Un-
gluͤckſelige/ und in meiner Liebe allzuempfindliche!
muß ich dann mit ſolcher Hefftigkeit lieben? Ja/ ja/
fuhr ſie fort/ ich muß/ und ſolte ich tauſendmahl
daruͤber ſterben.

Dieſe Worte/ ſo dem Hertzog gantz auſſer der Zeit
vorgebracht ſchienen/ ein offener Brieff/ und ein
Bildniß/ dem ſie tauſend Liebkoſungen unter heiſſen
Thraͤnen gabe/ blieſen eine neue Eyferſucht in ſein
Gemuͤth: Don Alvaros de Luna ſein Zuſpruch/
indeß/ daß er in Vailladolid geweſen/ halff zu deren
Vergroͤſſerung/ und indem er ſich einbildete/ Victo-
ria
liebe ihn nicht mehr/ fuͤhlete er in ſeinem Hertzen
toͤdtliche Marter.

Doch/ wie ein groſſer Sturm daß auch in ſeiner
Seelen entſtand/ wolte er gleichwohl mit Victorien
nicht aus denen Grentzen der Honnêteté und der
Ehrerbietung ſchreiten/ ob er ſchon ſich nicht ſtarck
genug befande/ ſie gantz ruhig anzureden. Er hielt
demnach davor/ daß er ſich vorhero in etwas ab-
werts erholen muͤſte/ und begabe ſich heimlich
wieder fort in ſein Zimmer; da er dann im

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[349/0381] Liebes-Geſchichte. Die Thuͤre des Cabinets war alſo gefaſſet/ daß er ſie ſehen kunte/ ohne daß ſie ihn wieder gewahr wurde. Bey dem Anblick eines ſo liebreichen Ob- jects empfande der Hertzog von Arione nichts als ſeine zaͤrtliche Neigung/ und ware gleich in dem Begriff/ nach ihr gaͤhling zuzugehen; als er von Victorien, nachdem ſelbige das kleine Bildniß/ ſo er nicht erkennen kunte/ offtmals gekuͤſſet/ unter heiſſen Seuffzern folgende Klagen hoͤrete: O du ungerechte Liebe/ nachdem du mir ſo guͤnſtig gewe- ſen/ ſolteſt du mir nun ſo grauſam werden: ich Un- gluͤckſelige/ und in meiner Liebe allzuempfindliche! muß ich dann mit ſolcher Hefftigkeit lieben? Ja/ ja/ fuhr ſie fort/ ich muß/ und ſolte ich tauſendmahl daruͤber ſterben. Dieſe Worte/ ſo dem Hertzog gantz auſſer der Zeit vorgebracht ſchienen/ ein offener Brieff/ und ein Bildniß/ dem ſie tauſend Liebkoſungen unter heiſſen Thraͤnen gabe/ blieſen eine neue Eyferſucht in ſein Gemuͤth: Don Alvaros de Luna ſein Zuſpruch/ indeß/ daß er in Vailladolid geweſen/ halff zu deren Vergroͤſſerung/ und indem er ſich einbildete/ Victo- ria liebe ihn nicht mehr/ fuͤhlete er in ſeinem Hertzen toͤdtliche Marter. Doch/ wie ein groſſer Sturm daß auch in ſeiner Seelen entſtand/ wolte er gleichwohl mit Victorien nicht aus denen Grentzen der Honnêteté und der Ehrerbietung ſchreiten/ ob er ſchon ſich nicht ſtarck genug befande/ ſie gantz ruhig anzureden. Er hielt demnach davor/ daß er ſich vorhero in etwas ab- werts erholen muͤſte/ und begabe ſich heimlich wieder fort in ſein Zimmer; da er dann im Hin- A a 5

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/381>, abgerufen am 24.11.2024.