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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Liebes-Geschichte.
kleiden pflegte/ zurechte macheten/ fanden sie auf
dem Schreib-Tische einen Brieff liegen/ welchen sie
zur Hertzogin trugen. Er war erbrochen/ und sie
lase darinnen folgende Worte mit höchster Ge-
müths-Bewegung:

An den Hertzog von Arione.

Wann ich euch nicht allezeit mehr als mich
selbst liebe/ so wündsche ich/ daß ihr mich
niemahls lieben möget. Jch habe Bedencken
getragen/ es euch auf das neue zu entdecken/
aber endlich muß ich doch einer
Passion nachge-
ben/ die alles übertrifft. Die Lust eines gehet-
men Verständnisses ist gewiß eine der empfind-
lichsten unsres Lebens; und wenn man schon
an denen Personen/ welche unsre Freyheit ge-
fangen halten/ einen kleinen Raub begehet/ so
haben sie doch noch genug. übrig/ daß sie sich
nicht beklagen dürffen. Jch hoffe/ ihr werdet
auf wenige Zeit die Schönheit verlassen/ um
zu kommen/ und die Zärtlichkeit einer inbrün-
stigen Liebe zu suchen; ihr werdet solche nach
euren Verlangen finden/ und wäret sehr unbil-
lig/ wann ihr nicht mit selbiger ihrer Hefft g-
keit übereinstimmetet.

Die Hertzogin deutete gleich diese Zuschrifft auf
die Arbeit der Feldmarschallin/ und da sie nun da-
gegen hielt/ daß Federic diesen Brieff empfangen/
darauf so gähling fortgereiset/ da ihn doch eben keine
Noth getrieben/ so wurde sie von solchem Schmer-
tzen und Eyfersucht befallen/ welche keine eintzige
Gegen-Betrachtung ihr benehmen kunte. Die grau-
same Einbildung von Federics Untreue pressete

tau-
A a 2

Liebes-Geſchichte.
kleiden pflegte/ zurechte macheten/ fanden ſie auf
dem Schreib-Tiſche einen Brieff liegen/ welchen ſie
zur Hertzogin trugen. Er war erbrochen/ und ſie
laſe darinnen folgende Worte mit hoͤchſter Ge-
muͤths-Bewegung:

An den Hertzog von Arione.

Wann ich euch nicht allezeit mehr als mich
ſelbſt liebe/ ſo wuͤndſche ich/ daß ihr mich
niemahls lieben moͤget. Jch habe Bedencken
getragen/ es euch auf das neue zu entdecken/
aber endlich muß ich doch einer
Pasſion nachge-
ben/ die alles uͤbertrifft. Die Luſt eines gehet-
men Verſtaͤndniſſes iſt gewiß eine der empfind-
lichſten unſres Lebens; und wenn man ſchon
an denen Perſonen/ welche unſre Freyheit ge-
fangen halten/ einen kleinen Raub begehet/ ſo
haben ſie doch noch genug. uͤbrig/ daß ſie ſich
nicht beklagen duͤrffen. Jch hoffe/ ihr werdet
auf wenige Zeit die Schoͤnheit verlaſſen/ um
zu kommen/ und die Zaͤrtlichkeit einer inbruͤn-
ſtigen Liebe zu ſuchen; ihr werdet ſolche nach
euren Verlangen finden/ und waͤret ſehr unbil-
lig/ wann ihr nicht mit ſelbiger ihrer Hefft g-
keit uͤbereinſtimmetet.

Die Hertzogin deutete gleich dieſe Zuſchrifft auf
die Arbeit der Feldmarſchallin/ und da ſie nun da-
gegen hielt/ daß Federic dieſen Brieff empfangen/
darauf ſo gaͤhling fortgereiſet/ da ihn doch eben keine
Noth getrieben/ ſo wurde ſie von ſolchem Schmer-
tzen und Eyferſucht befallen/ welche keine eintzige
Gegen-Betrachtung ihr benehmen kunte. Die grau-
ſame Einbildung von Federics Untreue preſſete

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[343/0375] Liebes-Geſchichte. kleiden pflegte/ zurechte macheten/ fanden ſie auf dem Schreib-Tiſche einen Brieff liegen/ welchen ſie zur Hertzogin trugen. Er war erbrochen/ und ſie laſe darinnen folgende Worte mit hoͤchſter Ge- muͤths-Bewegung: An den Hertzog von Arione. Wann ich euch nicht allezeit mehr als mich ſelbſt liebe/ ſo wuͤndſche ich/ daß ihr mich niemahls lieben moͤget. Jch habe Bedencken getragen/ es euch auf das neue zu entdecken/ aber endlich muß ich doch einer Pasſion nachge- ben/ die alles uͤbertrifft. Die Luſt eines gehet- men Verſtaͤndniſſes iſt gewiß eine der empfind- lichſten unſres Lebens; und wenn man ſchon an denen Perſonen/ welche unſre Freyheit ge- fangen halten/ einen kleinen Raub begehet/ ſo haben ſie doch noch genug. uͤbrig/ daß ſie ſich nicht beklagen duͤrffen. Jch hoffe/ ihr werdet auf wenige Zeit die Schoͤnheit verlaſſen/ um zu kommen/ und die Zaͤrtlichkeit einer inbruͤn- ſtigen Liebe zu ſuchen; ihr werdet ſolche nach euren Verlangen finden/ und waͤret ſehr unbil- lig/ wann ihr nicht mit ſelbiger ihrer Hefft g- keit uͤbereinſtimmetet. Die Hertzogin deutete gleich dieſe Zuſchrifft auf die Arbeit der Feldmarſchallin/ und da ſie nun da- gegen hielt/ daß Federic dieſen Brieff empfangen/ darauf ſo gaͤhling fortgereiſet/ da ihn doch eben keine Noth getrieben/ ſo wurde ſie von ſolchem Schmer- tzen und Eyferſucht befallen/ welche keine eintzige Gegen-Betrachtung ihr benehmen kunte. Die grau- ſame Einbildung von Federics Untreue preſſete tau- A a 2

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/375>, abgerufen am 25.11.2024.