Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.Des Hertzogs von Arione &c. durch schleppete. Der Hertzog von Arione durchdiesen Anblick zu einem eilfertigen Mitleiden bewo- gen/ aunte mit verhängtem Zügel auf dieses tolle Pferd zu/ und hielte es gleich in dem Augenblicke glücklich auf/ da es sich sonder Zweiffel zwischen ho- he Felsen würde hinab gestürtzet haben/ die nicht weit davon entfernet waren. Aber diejenige/ welche oh- ne höchste Vrwirrung einen grausamen Tod nicht hatte können ansehen/ bliebe gantz ohnmächtig in sei- nen Armen. So bald der Hertzog ihre ungemeine Schönheit Jndem er aber eben ein kleines Bächlein gewahr gien-
Des Hertzogs von Arione &c. durch ſchleppete. Der Hertzog von Arione durchdieſen Anblick zu einem eilfertigen Mitleiden bewo- gen/ aunte mit verhaͤngtem Zuͤgel auf dieſes tolle Pferd zu/ und hielte es gleich in dem Augenblicke gluͤcklich auf/ da es ſich ſonder Zweiffel zwiſchen ho- he Felſen wuͤrde hinab geſtuͤrtzet haben/ die nicht weit davon entfernet waren. Aber diejenige/ welche oh- ne hoͤchſte Vrwirrung einen grauſamen Tod nicht hatte koͤnnen anſehen/ bliebe gantz ohnmaͤchtig in ſei- nen Armen. So bald der Hertzog ihre ungemeine Schoͤnheit Jndem er aber eben ein kleines Baͤchlein gewahr gien-
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Des Hertzogs von Arione &c.
durch ſchleppete. Der Hertzog von Arione durch
dieſen Anblick zu einem eilfertigen Mitleiden bewo-
gen/ aunte mit verhaͤngtem Zuͤgel auf dieſes tolle
Pferd zu/ und hielte es gleich in dem Augenblicke
gluͤcklich auf/ da es ſich ſonder Zweiffel zwiſchen ho-
he Felſen wuͤrde hinab geſtuͤrtzet haben/ die nicht weit
davon entfernet waren. Aber diejenige/ welche oh-
ne hoͤchſte Vrwirrung einen grauſamen Tod nicht
hatte koͤnnen anſehen/ bliebe gantz ohnmaͤchtig in ſei-
nen Armen.
So bald der Hertzog ihre ungemeine Schoͤnheit
erkannte/ ſo hub er an/ aus Intereſſe ſich zu thun zu
machen/ wie er ſchon bißher aus Großmuͤthigkeit
gehandelt hatte. Sie war gantz erblaßt/ und hatte
die Augen feſte zu; doch waren noch genug Bezau-
berungen in ihrem Geſichte uͤbrig/ die Hertzen in
Banden zu legen. Jn einem Augenblick miſchete
ſich die Liebe bey dem Hertzog unter die Furcht und
die Erbaͤrmniß. Er zweiffelte nicht/ daß dieſe gantz
ſonderbare Perſon von dem Geleite der Koͤnigin von
Navarra waͤre. Nachdem er ſie nun gantz ſanfft auf
die Erde nieder geſetzet/ und ihre Kleider/ Feder-
buſch/ und Haarlocken ziemlich aus der Ordnung
gebracht ſahe/ ſo wuͤndſchete er ſich ſelbſt Gluͤck/ daß
er den Erfolg eines ſo beſtuͤrtzten Zufalls verhindert
haͤtte.
Jndem er aber eben ein kleines Baͤchlein gewahr
wurde/ ſo vorbey rieſelte/ ſchoͤpffete er mit der Hand
von deſſen hellen Waſſer/ und ſpritzete es auf dieſes
wunderſchoͤne Geſicht/ welches er ſchon mit ſo zaͤrtli-
chen Bewegungen anſahe. Victoria oͤffnete die Au-
gen/ und wiewohl die erſten Blicke noch gantz matt/
gien-
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Zitationshilfe: | Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/344>, abgerufen am 04.07.2024. |