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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Die Würckungen
sie sich doch täglich mehreten: Und wie sie doch ihm
so gar demüthig und verpflichtet kurtz verwichener
Zeit noch habe schreiben können; da er doch auf ih-
re vorigen Brieffe mit den ärgsten Schimpff-Wor-
ten geantwortet.

Dieser Discurs befremdet die Gräfin hefftig/ sie
weiß nicht/ wie es zugehet/ daß der König von ih-
rem Brieffe weiß/ von welchem sie selbst weder Ab-
schrifft gemacht/ noch ihn einigem Menschen in der
Welt gewiesen: aber sie wird noch mehr bestürtzt/
als der König ihre eigene Hand hervorziehet/ und ihr
versichert/ daß ihr Mann solchen Brieff gantz ver-
ächtlich andern Personen hingegeben/ von welchen
er dann in seine Hände gerathen wäre.

Die Gräfin wird bey Ansicht dieses Schreibens
höchlich wider ihren Mann erbittert; ersuchet dar-
auf den König/ sie alleine zu lassen/ denn sie gestün-
de/ daß sie vor Eyfer sich selbst nicht mehr kenne:
Er gehorsamet ihr/ und ob er sie zwar in der grösten
Verwirrung zurück läst/ so gehet er doch vergnügter
aus ihrem Zimmer/ als er ist hineingekommen.

Sie schläget sich mit den grausamesten Gedan-
cken in ihrer Einsamkeit: indessen sinnet der König
darauf/ wie er weitere Progressen in seiner Liebe
bey ihr machen möge. Weil er sich nun einbildet/
daß ihr Bruder sie abhalte/ ihm mehr Gunst zuzu-
wenden/ so sendet er ihn nach Jtalien/ um das Her-
tzogthum Milano, dessen Gouverneur er ist/ zu er-
halten: wie dann auch der andere Bruder/ der
Marschal de Foix zugleich mitgehet. Aber diese
Reise hat unglücklichen Succeß, denn die Schwei-
tzer/ so den grösten Theil seiner Armee machen/

tre-

Die Wuͤrckungen
ſie ſich doch taͤglich mehreten: Und wie ſie doch ihm
ſo gar demuͤthig und verpflichtet kurtz verwichener
Zeit noch habe ſchreiben koͤnnen; da er doch auf ih-
re vorigen Brieffe mit den aͤrgſten Schimpff-Wor-
ten geantwortet.

Dieſer Diſcurs befremdet die Graͤfin hefftig/ ſie
weiß nicht/ wie es zugehet/ daß der Koͤnig von ih-
rem Brieffe weiß/ von welchem ſie ſelbſt weder Ab-
ſchrifft gemacht/ noch ihn einigem Menſchen in der
Welt gewieſen: aber ſie wird noch mehr beſtuͤrtzt/
als der Koͤnig ihre eigene Hand hervorziehet/ und ihr
verſichert/ daß ihr Mann ſolchen Brieff gantz ver-
aͤchtlich andern Perſonen hingegeben/ von welchen
er dann in ſeine Haͤnde gerathen waͤre.

Die Graͤfin wird bey Anſicht dieſes Schreibens
hoͤchlich wider ihren Mann erbittert; erſuchet dar-
auf den Koͤnig/ ſie alleine zu laſſen/ denn ſie geſtuͤn-
de/ daß ſie vor Eyfer ſich ſelbſt nicht mehr kenne:
Er gehorſamet ihr/ und ob er ſie zwar in der groͤſten
Verwirrung zuruͤck laͤſt/ ſo gehet er doch vergnuͤgter
aus ihrem Zimmer/ als er iſt hineingekommen.

Sie ſchlaͤget ſich mit den grauſameſten Gedan-
cken in ihrer Einſamkeit: indeſſen ſinnet der Koͤnig
darauf/ wie er weitere Progreſſen in ſeiner Liebe
bey ihr machen moͤge. Weil er ſich nun einbildet/
daß ihr Bruder ſie abhalte/ ihm mehr Gunſt zuzu-
wenden/ ſo ſendet er ihn nach Jtalien/ um das Her-
tzogthum Milano, deſſen Gouverneur er iſt/ zu er-
halten: wie dann auch der andere Bruder/ der
Marſchal de Foix zugleich mitgehet. Aber dieſe
Reiſe hat ungluͤcklichen Succeß, denn die Schwei-
tzer/ ſo den groͤſten Theil ſeiner Armée machen/

tre-
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[174/0198] Die Wuͤrckungen ſie ſich doch taͤglich mehreten: Und wie ſie doch ihm ſo gar demuͤthig und verpflichtet kurtz verwichener Zeit noch habe ſchreiben koͤnnen; da er doch auf ih- re vorigen Brieffe mit den aͤrgſten Schimpff-Wor- ten geantwortet. Dieſer Diſcurs befremdet die Graͤfin hefftig/ ſie weiß nicht/ wie es zugehet/ daß der Koͤnig von ih- rem Brieffe weiß/ von welchem ſie ſelbſt weder Ab- ſchrifft gemacht/ noch ihn einigem Menſchen in der Welt gewieſen: aber ſie wird noch mehr beſtuͤrtzt/ als der Koͤnig ihre eigene Hand hervorziehet/ und ihr verſichert/ daß ihr Mann ſolchen Brieff gantz ver- aͤchtlich andern Perſonen hingegeben/ von welchen er dann in ſeine Haͤnde gerathen waͤre. Die Graͤfin wird bey Anſicht dieſes Schreibens hoͤchlich wider ihren Mann erbittert; erſuchet dar- auf den Koͤnig/ ſie alleine zu laſſen/ denn ſie geſtuͤn- de/ daß ſie vor Eyfer ſich ſelbſt nicht mehr kenne: Er gehorſamet ihr/ und ob er ſie zwar in der groͤſten Verwirrung zuruͤck laͤſt/ ſo gehet er doch vergnuͤgter aus ihrem Zimmer/ als er iſt hineingekommen. Sie ſchlaͤget ſich mit den grauſameſten Gedan- cken in ihrer Einſamkeit: indeſſen ſinnet der Koͤnig darauf/ wie er weitere Progreſſen in ſeiner Liebe bey ihr machen moͤge. Weil er ſich nun einbildet/ daß ihr Bruder ſie abhalte/ ihm mehr Gunſt zuzu- wenden/ ſo ſendet er ihn nach Jtalien/ um das Her- tzogthum Milano, deſſen Gouverneur er iſt/ zu er- halten: wie dann auch der andere Bruder/ der Marſchal de Foix zugleich mitgehet. Aber dieſe Reiſe hat ungluͤcklichen Succeß, denn die Schwei- tzer/ ſo den groͤſten Theil ſeiner Armée machen/ tre-

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/198>, abgerufen am 22.11.2024.