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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Die Würckungen
fähig ist euch zu rühren/ so werffet zum wenigsten eure Augen
auf die zarte Frucht unserer Vereinigung. Was hat dieses
Kind verschuldet/ daß es so lange der Liebkosungen und Um-
armungen seiner Mutter entbehren soll? Warum mißgönnet
ihr mir die Vergnügung/ an einem Orte zu leben/ wo die
Unschuld und der Friede regieret? Welche Grausamkeit/ wel-
che Barbarey kan dieser gleich seyn? Jch bitte euch um des
Himmels willen/ durch das heilige Band der Ehe/ so uns
vereinbahret hat; durch alles was sonsten heilig ist/ ja durch
euch selbst/ verhindert mich doch/ länger ein solches Leben zu
führen/ welches gantz mit Schrecken angefüllet/ und daran
ich ohne Erzittern nicht gedencken darff. Mir ist verboten
ohne ausdrückliche Ordre mich vom Hofe zu begeben: aber so
ich nur von euch eine empfange/ will ich schon das Mittel fin-
den/ zu entkommen: Man machet grosse Anstalten zu des
Hertzog von Alencon und des von Montmorenci ihren Bey-
lagern: alle diese Pracht ist mir verdrießlich; und dieses
Schauspiel höchst zu wider/ indem mein Hertz nach nichts
als nach der Zurückkehr zu euch sich sehnet. Adieu. Mein
Schmertz überhäuffet mich. Noch einmahl/ habt doch ein
Mitleyden mit mir/ und lasset mir ehest von euch Zeitungen
wissen/ so mich von der völligen Verzweiffelung abhalten.

Nach Verfassung dieses Brieffes lieset solchen die
Gräfin etliche mahl durch/ und wird von unterschied-
lichen Bewegungen bestritten. Bald meynet sie/
es wäre einem solchen Undanckbaren/ und der sie all-
zu barbarisch tractirete/ zu viel Güte dadurch erwie-
sen: bald aber weiset sie die Tugend dahin an/ daß
je ungerechter ihr Mann mit ihr handelte/ je mehr es
ihr rühmlich wäre/ wann sie ihrer Schuldigkeit
nach sich bemühete/ ihn wieder zu versöhnen/ und
vor keinen andern als vor ihn alle Liebe vorzube-
halten.

Jndem sie in solchen Uberlegungen begriffen/ tritt
der König in ihr Zimmer. Sie erröthet/ indem sie

ihn

Die Wuͤrckungen
faͤhig iſt euch zu ruͤhren/ ſo werffet zum wenigſten eure Augen
auf die zarte Frucht unſerer Vereinigung. Was hat dieſes
Kind verſchuldet/ daß es ſo lange der Liebkoſungen und Um-
armungen ſeiner Mutter entbehren ſoll? Warum mißgönnet
ihr mir die Vergnügung/ an einem Orte zu leben/ wo die
Unſchuld und der Friede regieret? Welche Grauſamkeit/ wel-
che Barbarey kan dieſer gleich ſeyn? Jch bitte euch um des
Himmels willen/ durch das heilige Band der Ehe/ ſo uns
vereinbahret hat; durch alles was ſonſten heilig iſt/ ja durch
euch ſelbſt/ verhindert mich doch/ laͤnger ein ſolches Leben zu
fuͤhren/ welches gantz mit Schrecken angefuͤllet/ und daran
ich ohne Erzittern nicht gedencken darff. Mir iſt verboten
ohne ausdruͤckliche Ordre mich vom Hofe zu begeben: aber ſo
ich nur von euch eine empfange/ will ich ſchon das Mittel fin-
den/ zu entkommen: Man machet groſſe Anſtalten zu des
Hertzog von Alençon und des von Montmorenci ihren Bey-
lagern: alle dieſe Pracht iſt mir verdrießlich; und dieſes
Schauſpiel höchſt zu wider/ indem mein Hertz nach nichts
als nach der Zuruͤckkehr zu euch ſich ſehnet. Adieu. Mein
Schmertz uͤberhaͤuffet mich. Noch einmahl/ habt doch ein
Mitleyden mit mir/ und laſſet mir eheſt von euch Zeitungen
wiſſen/ ſo mich von der voͤlligen Verzweiffelung abhalten.

Nach Verfaſſung dieſes Brieffes lieſet ſolchen die
Graͤfin etliche mahl durch/ und wird von unterſchied-
lichen Bewegungen beſtritten. Bald meynet ſie/
es waͤre einem ſolchen Undanckbaren/ und der ſie all-
zu barbariſch tractirete/ zu viel Guͤte dadurch erwie-
ſen: bald aber weiſet ſie die Tugend dahin an/ daß
je ungerechter ihr Mann mit ihr handelte/ je mehr es
ihr ruͤhmlich waͤre/ wann ſie ihrer Schuldigkeit
nach ſich bemuͤhete/ ihn wieder zu verſoͤhnen/ und
vor keinen andern als vor ihn alle Liebe vorzube-
halten.

Jndem ſie in ſolchen Uberlegungen begriffen/ tritt
der Koͤnig in ihr Zimmer. Sie erroͤthet/ indem ſie

ihn
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[166/0190] Die Wuͤrckungen faͤhig iſt euch zu ruͤhren/ ſo werffet zum wenigſten eure Augen auf die zarte Frucht unſerer Vereinigung. Was hat dieſes Kind verſchuldet/ daß es ſo lange der Liebkoſungen und Um- armungen ſeiner Mutter entbehren ſoll? Warum mißgönnet ihr mir die Vergnügung/ an einem Orte zu leben/ wo die Unſchuld und der Friede regieret? Welche Grauſamkeit/ wel- che Barbarey kan dieſer gleich ſeyn? Jch bitte euch um des Himmels willen/ durch das heilige Band der Ehe/ ſo uns vereinbahret hat; durch alles was ſonſten heilig iſt/ ja durch euch ſelbſt/ verhindert mich doch/ laͤnger ein ſolches Leben zu fuͤhren/ welches gantz mit Schrecken angefuͤllet/ und daran ich ohne Erzittern nicht gedencken darff. Mir iſt verboten ohne ausdruͤckliche Ordre mich vom Hofe zu begeben: aber ſo ich nur von euch eine empfange/ will ich ſchon das Mittel fin- den/ zu entkommen: Man machet groſſe Anſtalten zu des Hertzog von Alençon und des von Montmorenci ihren Bey- lagern: alle dieſe Pracht iſt mir verdrießlich; und dieſes Schauſpiel höchſt zu wider/ indem mein Hertz nach nichts als nach der Zuruͤckkehr zu euch ſich ſehnet. Adieu. Mein Schmertz uͤberhaͤuffet mich. Noch einmahl/ habt doch ein Mitleyden mit mir/ und laſſet mir eheſt von euch Zeitungen wiſſen/ ſo mich von der voͤlligen Verzweiffelung abhalten. Nach Verfaſſung dieſes Brieffes lieſet ſolchen die Graͤfin etliche mahl durch/ und wird von unterſchied- lichen Bewegungen beſtritten. Bald meynet ſie/ es waͤre einem ſolchen Undanckbaren/ und der ſie all- zu barbariſch tractirete/ zu viel Guͤte dadurch erwie- ſen: bald aber weiſet ſie die Tugend dahin an/ daß je ungerechter ihr Mann mit ihr handelte/ je mehr es ihr ruͤhmlich waͤre/ wann ſie ihrer Schuldigkeit nach ſich bemuͤhete/ ihn wieder zu verſoͤhnen/ und vor keinen andern als vor ihn alle Liebe vorzube- halten. Jndem ſie in ſolchen Uberlegungen begriffen/ tritt der Koͤnig in ihr Zimmer. Sie erroͤthet/ indem ſie ihn

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/190>, abgerufen am 23.11.2024.