Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9).dings durch einen Erlaß des Kultusministers vom 11. Januar 1911 Die Lehrerinnen wünschen, daß sie zur Mitarbeit bei den Jugend- dings durch einen Erlaß des Kultusministers vom 11. Januar 1911 Die Lehrerinnen wünschen, daß sie zur Mitarbeit bei den Jugend- <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0007" n="4"/> dings durch einen <hi rendition="#g">Erlaß des Kultusministers</hi> vom 11. Januar 1911<lb/> die Möglichkeit gegeben, <hi rendition="#g">in leitende Stellungen aufzurücken</hi>. Durch<lb/> diesen Erlaß werden die bisherigen Prüfungsordnungen für Lehrerinnen<lb/> sowie die Prüfung für Schulvorsteherinnen aufgehoben. Jn Zukunft ist<lb/> der Lehrplan der Präparanden und Lehrerbildungsanstalten verbindlich.<lb/> An Stelle der Schulvorsteherinnenprüfung tritt die Prüfungsordnung für<lb/><hi rendition="#g">Rektoren</hi> vom 1. Juli 1901, durch welche die Lehrerinnen die Be-<lb/> fähigung zur Leitung von Mädchen-Volks-, Mädchen-Mittel- und ge-<lb/> hobenen Mädchenschulen sowie zur Anstellung als Seminarlehrerin und<lb/> Seminardirektorin erlangen. Damit ist ein in Volksschullehrerkreisen<lb/> schon lange gehegter Wunsch endlich in Erfüllung gegangen und es wäre<lb/> zu wünschen, daß recht viele Volksschullehrerinnen sich zur Ablegung des<lb/> Rektorexamens entschließen würden, denn erst durch die große Masse der<lb/> Volksschullehrerinnen, der im Amte gereiften Frauen, wird die Frage der<lb/> weiblichen Schulleitung endgültig gelöst werden. Der Erlaß ist um so<lb/> bedeutungsvoller, weil er in einer Zeit erfolgte, in der von Seiten der<lb/> Oberlehrer wieder einmal eine Petition gegen die weibliche Schulleitung<lb/> höherer Schulen an das Abgeordnetenhaus eingereicht worden war. Am<lb/> 3. April d.J. ist man auf Antrag der Kommission über die Petition der<lb/> Lehrer zur Tagesordnung übergegangen. Damit bekunden die Abge-<lb/> ordneten, daß sie den Frauen den Weg zur Schulleitung nicht verlegen<lb/> wollen. Fragen wir uns, wem in erster Linie dieser Umschwung in der<lb/> öffentlichen Meinung zu danken ist, so ist es die <hi rendition="#g">Frauenbewegung.</hi><lb/> Wohl sind auch in den letzten Jahren die Lehrerinnenvereine auf den<lb/> Plan getreten, aber den Gedanken der weiblichen Schulleitung und der<lb/> Zulassung der Frauen zu den höchsten Aemtern hat jahrzehntelang<lb/> die Frauenbewegung allein getragen und in großen öffentlichen Ver-<lb/> sammlungen kraftvoll verteidigt. Das müßten die Lehrerinnen anerkennen,<lb/> und statt ironisch lächelnd über Frauenemanzipation zu reden, sollten sie<lb/> sich bemühen, es den mutigen Vorkämpferinnen auf dem Gebiete der<lb/> Frauenbewegung gleichzutun und nun an ihrem Teile mit dazu beizu-<lb/> tragen, daß auch den Frauen der Zukunft die Wege geebnet und die<lb/> Bahn freigemacht werde. <hi rendition="#g">Das geschieht aber, wenn sie sich der<lb/> Frauenstimmrechtsbewegung anschließen und den Frauen ihre<lb/> staatsbürgerlichen Rechte erkämpfen helfen.</hi></p><lb/> <p>Die Lehrerinnen wünschen, daß sie zur Mitarbeit bei den <hi rendition="#g">Jugend-<lb/> gerichtshöfen</hi> zugezogen werden. Der Vorstand des Landesvereins<lb/> preußischer Volksschullehrerinnen und des Sozialen Ausschusses hatte zur<lb/> Beratung der Strafprozeßnovelle eine Petition an den Reichstag gesandt<lb/> mit der Bitte : 1. bei der Reform der Strafgesetzgebung Frauen vom<lb/> Amte der <hi rendition="#g">Schöffen</hi> nicht grundsätzlich auszuschließen und 2. neben den<lb/> Volksschullehrern auch Volksschullehrerinnen als Schöffen bei den Jugend-<lb/></p> </body> </text> </TEI> [4/0007]
dings durch einen Erlaß des Kultusministers vom 11. Januar 1911
die Möglichkeit gegeben, in leitende Stellungen aufzurücken. Durch
diesen Erlaß werden die bisherigen Prüfungsordnungen für Lehrerinnen
sowie die Prüfung für Schulvorsteherinnen aufgehoben. Jn Zukunft ist
der Lehrplan der Präparanden und Lehrerbildungsanstalten verbindlich.
An Stelle der Schulvorsteherinnenprüfung tritt die Prüfungsordnung für
Rektoren vom 1. Juli 1901, durch welche die Lehrerinnen die Be-
fähigung zur Leitung von Mädchen-Volks-, Mädchen-Mittel- und ge-
hobenen Mädchenschulen sowie zur Anstellung als Seminarlehrerin und
Seminardirektorin erlangen. Damit ist ein in Volksschullehrerkreisen
schon lange gehegter Wunsch endlich in Erfüllung gegangen und es wäre
zu wünschen, daß recht viele Volksschullehrerinnen sich zur Ablegung des
Rektorexamens entschließen würden, denn erst durch die große Masse der
Volksschullehrerinnen, der im Amte gereiften Frauen, wird die Frage der
weiblichen Schulleitung endgültig gelöst werden. Der Erlaß ist um so
bedeutungsvoller, weil er in einer Zeit erfolgte, in der von Seiten der
Oberlehrer wieder einmal eine Petition gegen die weibliche Schulleitung
höherer Schulen an das Abgeordnetenhaus eingereicht worden war. Am
3. April d.J. ist man auf Antrag der Kommission über die Petition der
Lehrer zur Tagesordnung übergegangen. Damit bekunden die Abge-
ordneten, daß sie den Frauen den Weg zur Schulleitung nicht verlegen
wollen. Fragen wir uns, wem in erster Linie dieser Umschwung in der
öffentlichen Meinung zu danken ist, so ist es die Frauenbewegung.
Wohl sind auch in den letzten Jahren die Lehrerinnenvereine auf den
Plan getreten, aber den Gedanken der weiblichen Schulleitung und der
Zulassung der Frauen zu den höchsten Aemtern hat jahrzehntelang
die Frauenbewegung allein getragen und in großen öffentlichen Ver-
sammlungen kraftvoll verteidigt. Das müßten die Lehrerinnen anerkennen,
und statt ironisch lächelnd über Frauenemanzipation zu reden, sollten sie
sich bemühen, es den mutigen Vorkämpferinnen auf dem Gebiete der
Frauenbewegung gleichzutun und nun an ihrem Teile mit dazu beizu-
tragen, daß auch den Frauen der Zukunft die Wege geebnet und die
Bahn freigemacht werde. Das geschieht aber, wenn sie sich der
Frauenstimmrechtsbewegung anschließen und den Frauen ihre
staatsbürgerlichen Rechte erkämpfen helfen.
Die Lehrerinnen wünschen, daß sie zur Mitarbeit bei den Jugend-
gerichtshöfen zugezogen werden. Der Vorstand des Landesvereins
preußischer Volksschullehrerinnen und des Sozialen Ausschusses hatte zur
Beratung der Strafprozeßnovelle eine Petition an den Reichstag gesandt
mit der Bitte : 1. bei der Reform der Strafgesetzgebung Frauen vom
Amte der Schöffen nicht grundsätzlich auszuschließen und 2. neben den
Volksschullehrern auch Volksschullehrerinnen als Schöffen bei den Jugend-
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Zitationshilfe: | Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9), S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohrer_lehrerinnen_1911/7>, abgerufen am 16.07.2024. |