Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
22. Dec.

Wer sich gerne läßt strafen, wird klug werden. Wer aber, (als ein
sich klug dünkender,) ungestraft seyn will, der bleibet ein Narr:
Spr. 12, 1. ob er auch ein grosser Weltweise wäre. Darum sollen wir die
Bestrafung, ob sie auch nicht so lauter wäre, dennoch annehmen, und keine
Disteln und Dornen seyn, die den, der sie berühret, alsbald empfindlich
stechen. Es kan nichts so böse von uns gesagt werden, das nicht der Wur-
zel nach noch in uns ist, und ob wir auch wol unsere Schwachheit selbst
erkennen, und dawider kämpfen, so geschichts doch nicht so ernstlich, daß wir
immer siegten: daher kömmt uns GOtt mit einer auch wol harten Bestra-
fung von andern zu Hülfe; denn GOtt braucht auch der andern Fehler zu
unserm Besten. Nehmen wir da alles als von ihm allein an, und kämpfen
desto mehr wider dieselbige Schwachheit, daß wir unserm Nächsten nicht fer-
ner anstößig seyn; so haben wir gewiß einen Sieg und Segen: werden wir
aber ungeduldig, brauchen viel Entschuldigungen, und wollen nichts auf
uns sitzen lassen; so machen wir übel ärger, und versäumen unsere und an-
derer Besserung. HErr, bessere uns und gib Geduld. Denn

Wer dem Leiden will entlaufen, den verfolgt es erst mit Haufen.
Hilf so die Lieb und Demuth üben, daß wir auch, die uns strafen, lieben.
22. Dec.

Wer ſich gerne läßt ſtrafen, wird klug werden. Wer aber, (als ein
ſich klug dünkender,) ungeſtraft ſeyn will, der bleibet ein Narr:
Spr. 12, 1. ob er auch ein groſſer Weltweiſe wäre. Darum ſollen wir die
Beſtrafung, ob ſie auch nicht ſo lauter wäre, dennoch annehmen, und keine
Diſteln und Dornen ſeyn, die den, der ſie berühret, alsbald empfindlich
ſtechen. Es kan nichts ſo böſe von uns geſagt werden, das nicht der Wur-
zel nach noch in uns iſt, und ob wir auch wol unſere Schwachheit ſelbſt
erkennen, und dawider kämpfen, ſo geſchichts doch nicht ſo ernſtlich, daß wir
immer ſiegten: daher kömmt uns GOtt mit einer auch wol harten Beſtra-
fung von andern zu Hülfe; denn GOtt braucht auch der andern Fehler zu
unſerm Beſten. Nehmen wir da alles als von ihm allein an, und kämpfen
deſto mehr wider dieſelbige Schwachheit, daß wir unſerm Nächſten nicht fer-
ner anſtößig ſeyn; ſo haben wir gewiß einen Sieg und Segen: werden wir
aber ungeduldig, brauchen viel Entſchuldigungen, und wollen nichts auf
uns ſitzen laſſen; ſo machen wir übel ärger, und verſäumen unſere und an-
derer Beſſerung. HErr, beſſere uns und gib Geduld. Denn

Wer dem Leiden will entlaufen, den verfolgt es erſt mit Haufen.
Hilf ſo die Lieb und Demuth üben, daß wir auch, die uns ſtrafen, lieben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0372" n="356"/>
        <div n="2">
          <dateline>22. <hi rendition="#aq">Dec.</hi></dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi><hi rendition="#fr">er &#x017F;ich gerne läßt &#x017F;trafen, wird klug werden. Wer aber,</hi> (als ein<lb/>
&#x017F;ich klug dünkender,) <hi rendition="#fr">unge&#x017F;traft &#x017F;eyn will, der bleibet ein Narr:</hi><lb/>
Spr. 12, 1. ob er auch ein gro&#x017F;&#x017F;er Weltwei&#x017F;e wäre. Darum &#x017F;ollen wir die<lb/>
Be&#x017F;trafung, ob &#x017F;ie auch nicht &#x017F;o lauter wäre, dennoch annehmen, und keine<lb/>
Di&#x017F;teln und Dornen &#x017F;eyn, die den, der &#x017F;ie berühret, alsbald empfindlich<lb/>
&#x017F;techen. Es kan nichts &#x017F;o bö&#x017F;e von uns ge&#x017F;agt werden, das nicht der Wur-<lb/>
zel nach noch in uns i&#x017F;t, und ob wir auch wol un&#x017F;ere Schwachheit &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erkennen, und dawider kämpfen, &#x017F;o ge&#x017F;chichts doch nicht &#x017F;o ern&#x017F;tlich, daß wir<lb/>
immer &#x017F;iegten: daher kömmt uns GOtt mit einer auch wol harten Be&#x017F;tra-<lb/>
fung von andern zu Hülfe; denn GOtt braucht auch der andern Fehler zu<lb/>
un&#x017F;erm Be&#x017F;ten. Nehmen wir da alles als von ihm allein an, und kämpfen<lb/>
de&#x017F;to mehr wider die&#x017F;elbige Schwachheit, daß wir un&#x017F;erm Näch&#x017F;ten nicht fer-<lb/>
ner an&#x017F;tößig &#x017F;eyn; &#x017F;o haben wir gewiß einen Sieg und Segen: werden wir<lb/>
aber ungeduldig, brauchen viel Ent&#x017F;chuldigungen, und wollen nichts auf<lb/>
uns &#x017F;itzen la&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;o machen wir übel ärger, und ver&#x017F;äumen un&#x017F;ere und an-<lb/>
derer Be&#x017F;&#x017F;erung. HErr, be&#x017F;&#x017F;ere uns und gib Geduld. <hi rendition="#et">Denn</hi></p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wer dem Leiden will entlaufen, den verfolgt es er&#x017F;t mit Haufen.</l><lb/>
            <l>Hilf &#x017F;o die Lieb und Demuth üben, daß wir auch, die uns &#x017F;trafen, lieben.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0372] 22. Dec. Wer ſich gerne läßt ſtrafen, wird klug werden. Wer aber, (als ein ſich klug dünkender,) ungeſtraft ſeyn will, der bleibet ein Narr: Spr. 12, 1. ob er auch ein groſſer Weltweiſe wäre. Darum ſollen wir die Beſtrafung, ob ſie auch nicht ſo lauter wäre, dennoch annehmen, und keine Diſteln und Dornen ſeyn, die den, der ſie berühret, alsbald empfindlich ſtechen. Es kan nichts ſo böſe von uns geſagt werden, das nicht der Wur- zel nach noch in uns iſt, und ob wir auch wol unſere Schwachheit ſelbſt erkennen, und dawider kämpfen, ſo geſchichts doch nicht ſo ernſtlich, daß wir immer ſiegten: daher kömmt uns GOtt mit einer auch wol harten Beſtra- fung von andern zu Hülfe; denn GOtt braucht auch der andern Fehler zu unſerm Beſten. Nehmen wir da alles als von ihm allein an, und kämpfen deſto mehr wider dieſelbige Schwachheit, daß wir unſerm Nächſten nicht fer- ner anſtößig ſeyn; ſo haben wir gewiß einen Sieg und Segen: werden wir aber ungeduldig, brauchen viel Entſchuldigungen, und wollen nichts auf uns ſitzen laſſen; ſo machen wir übel ärger, und verſäumen unſere und an- derer Beſſerung. HErr, beſſere uns und gib Geduld. Denn Wer dem Leiden will entlaufen, den verfolgt es erſt mit Haufen. Hilf ſo die Lieb und Demuth üben, daß wir auch, die uns ſtrafen, lieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739/372
Zitationshilfe: Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739/372>, abgerufen am 17.02.2025.