Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht? Ps. 139, 7. Zu JEsu
hin, da ist Ruhe: denn Sünde und Gesetz klagt mich stets an; doch sehe
ich mich nicht nur in dem, was mich verklagt, sondern in allem, als einen Sün-
der, der seinen Mund verstopfet, und sich alles schuldig gibt, in Christo aber
gerecht und vollkommen an; so habe ich Ruhe: lasse ich aber ein wenig eigene
Gerechtigkeit, oder irdische Begierden ein, so folget bald Unruhe. O HErr,
so laß mich nur stets dich begehren, und in dir Ruhe und Friede haben.

Kein Ort, und keine Zeit, kein Mensch, dein Herz allein
Ist schuld, daß du nicht kanst recht ruhig in dir seyn:
Drum gib nur GOtt dein Herz, sonst geht bey iedem Schritt,
Auch in die Einsamkeit, in dir die Unruh mit.
Man trifft doch ausser GOtt im äussern gar nichts an,
Das unsere Begier vollkommen stillen kan:
Weil sie unendlich ist, und, fällt ihr ja was zu,
Noch immer mehr begehrt! wo bleibet da die Ruh?
Wo? Wenn, was ausgedacht, nicht in Erfüllung geht?
Wo? Wenn, was man erlangt, bald wiederum entsteht?
Drum, die mit der Begier in etwas Eitles gehn,
Die werden in der Ruh, wie auf der Kugel stehn.

Wo ſoll ich hinfliehen vor deinem Angeſicht? Pſ. 139, 7. Zu JEſu
hin, da iſt Ruhe: denn Sünde und Geſetz klagt mich ſtets an; doch ſehe
ich mich nicht nur in dem, was mich verklagt, ſondern in allem, als einen Sün-
der, der ſeinen Mund verſtopfet, und ſich alles ſchuldig gibt, in Chriſto aber
gerecht und vollkommen an; ſo habe ich Ruhe: laſſe ich aber ein wenig eigene
Gerechtigkeit, oder irdiſche Begierden ein, ſo folget bald Unruhe. O HErr,
ſo laß mich nur ſtets dich begehren, und in dir Ruhe und Friede haben.

Kein Ort, und keine Zeit, kein Menſch, dein Herz allein
Iſt ſchuld, daß du nicht kanſt recht ruhig in dir ſeyn:
Drum gib nur GOtt dein Herz, ſonſt geht bey iedem Schritt,
Auch in die Einſamkeit, in dir die Unruh mit.
Man trifft doch auſſer GOtt im äuſſern gar nichts an,
Das unſere Begier vollkommen ſtillen kan:
Weil ſie unendlich iſt, und, fällt ihr ja was zu,
Noch immer mehr begehrt! wo bleibet da die Ruh?
Wo? Wenn, was ausgedacht, nicht in Erfüllung geht?
Wo? Wenn, was man erlangt, bald wiederum entſteht?
Drum, die mit der Begier in etwas Eitles gehn,
Die werden in der Ruh, wie auf der Kugel ſtehn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0310" n="298"/>
        <div n="2">
          <dateline>25. <hi rendition="#aq">Octobr.</hi></dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi><hi rendition="#fr">o &#x017F;oll ich hinfliehen vor deinem Ange&#x017F;icht?</hi> P&#x017F;. 139, 7. Zu JE&#x017F;u<lb/>
hin, da i&#x017F;t Ruhe: denn Sünde und Ge&#x017F;etz klagt mich &#x017F;tets an; doch &#x017F;ehe<lb/>
ich mich nicht nur in dem, was mich verklagt, &#x017F;ondern in allem, als einen Sün-<lb/>
der, der &#x017F;einen Mund ver&#x017F;topfet, und &#x017F;ich alles &#x017F;chuldig gibt, in Chri&#x017F;to aber<lb/>
gerecht und vollkommen an; &#x017F;o habe ich Ruhe: la&#x017F;&#x017F;e ich aber ein wenig eigene<lb/>
Gerechtigkeit, oder irdi&#x017F;che Begierden ein, &#x017F;o folget bald Unruhe. O HErr,<lb/>
&#x017F;o laß mich nur &#x017F;tets dich begehren, und in dir Ruhe und Friede haben.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Kein Ort, und keine Zeit, kein Men&#x017F;ch, <hi rendition="#fr">dein Herz allein</hi></l><lb/>
            <l>I&#x017F;t &#x017F;chuld, daß du nicht kan&#x017F;t recht ruhig in dir &#x017F;eyn:</l><lb/>
            <l>Drum gib nur GOtt dein Herz, &#x017F;on&#x017F;t geht bey iedem Schritt,</l><lb/>
            <l>Auch in die Ein&#x017F;amkeit, <hi rendition="#fr">in dir</hi> die Unruh mit.</l><lb/>
            <l>Man trifft doch au&#x017F;&#x017F;er GOtt im äu&#x017F;&#x017F;ern gar <hi rendition="#fr">nichts</hi> an,</l><lb/>
            <l>Das un&#x017F;ere Begier vollkommen &#x017F;tillen kan:</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ie unendlich i&#x017F;t, und, fällt ihr ja was zu,</l><lb/>
            <l>Noch immer mehr begehrt! wo bleibet da die Ruh?</l><lb/>
            <l>Wo? Wenn, was ausgedacht, nicht in Erfüllung geht?</l><lb/>
            <l>Wo? Wenn, was man erlangt, bald wiederum ent&#x017F;teht?</l><lb/>
            <l>Drum, die mit der Begier in etwas Eitles gehn,</l><lb/>
            <l>Die werden in der Ruh, wie <hi rendition="#fr">auf der Kugel &#x017F;tehn.</hi></l>
          </lg>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0310] 25. Octobr. Wo ſoll ich hinfliehen vor deinem Angeſicht? Pſ. 139, 7. Zu JEſu hin, da iſt Ruhe: denn Sünde und Geſetz klagt mich ſtets an; doch ſehe ich mich nicht nur in dem, was mich verklagt, ſondern in allem, als einen Sün- der, der ſeinen Mund verſtopfet, und ſich alles ſchuldig gibt, in Chriſto aber gerecht und vollkommen an; ſo habe ich Ruhe: laſſe ich aber ein wenig eigene Gerechtigkeit, oder irdiſche Begierden ein, ſo folget bald Unruhe. O HErr, ſo laß mich nur ſtets dich begehren, und in dir Ruhe und Friede haben. Kein Ort, und keine Zeit, kein Menſch, dein Herz allein Iſt ſchuld, daß du nicht kanſt recht ruhig in dir ſeyn: Drum gib nur GOtt dein Herz, ſonſt geht bey iedem Schritt, Auch in die Einſamkeit, in dir die Unruh mit. Man trifft doch auſſer GOtt im äuſſern gar nichts an, Das unſere Begier vollkommen ſtillen kan: Weil ſie unendlich iſt, und, fällt ihr ja was zu, Noch immer mehr begehrt! wo bleibet da die Ruh? Wo? Wenn, was ausgedacht, nicht in Erfüllung geht? Wo? Wenn, was man erlangt, bald wiederum entſteht? Drum, die mit der Begier in etwas Eitles gehn, Die werden in der Ruh, wie auf der Kugel ſtehn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739/310
Zitationshilfe: Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739/310>, abgerufen am 17.07.2024.