Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755.4. Octobr. Wenn du mich demüthigest, machest du mich groß, Ps. 18, 36. Es Wem ist doch die Schuld zu geben, daß ich also elend bin? Wem? ach! glaub'es, dir nur selber, deinem eignen hohen Sinn! Sieh', esfällt dir ja noch schwer, in die Einfalt einzugehen: Denn du wilt noch etwas seyn, stehest noch auf manchen Höhen; Kanst noch öfters speculiren, lässest der Vernunft den Lauf; Rennst, und wirkest oft noch selber, baust dein eignes Thürmchen auf; Stössest dich an dis und das, und bist noch so scharf im Richten: Da muß GOtt den hohen Sinn, und dein eignes Werk vernichten; Daß du klein und niedrig werdest. Liesse GOtt dich nur so gehn, Und dich nicht dein' Ohnmacht sehen, würd es ärger um dich stehn: Denn nur der, sonst keiner, wächset, wo wir Lieb und Demuth sehn. 4. Octobr. Wenn du mich demüthigeſt, macheſt du mich groß, Pſ. 18, 36. Es Wem iſt doch die Schuld zu geben, daß ich alſo elend bin? Wem? ach! glaub’es, dir nur ſelber, deinem eignen hohen Sinn! Sieh’, esfällt dir ja noch ſchwer, in die Einfalt einzugehen: Denn du wilt noch etwas ſeyn, ſteheſt noch auf manchen Höhen; Kanſt noch öfters ſpeculiren, läſſeſt der Vernunft den Lauf; Rennſt, und wirkeſt oft noch ſelber, bauſt dein eignes Thürmchen auf; Stöſſeſt dich an dis und das, und biſt noch ſo ſcharf im Richten: Da muß GOtt den hohen Sinn, und dein eignes Werk vernichten; Daß du klein und niedrig werdeſt. Lieſſe GOtt dich nur ſo gehn, Und dich nicht dein’ Ohnmacht ſehen, würd es ärger um dich ſtehn: Denn nur der, ſonſt keiner, wächſet, wo wir Lieb und Demuth ſehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0289" n="277"/> <div n="2"> <dateline>4. <hi rendition="#aq">Octobr.</hi></dateline><lb/> <p><hi rendition="#in">W</hi><hi rendition="#fr">enn du mich demüthigeſt, macheſt du mich groß,</hi> Pſ. 18, 36. Es<lb/> iſt nicht ſo leicht, als man denkt, ſich in Demuth zu bewahren. Wer<lb/> bey groſſen Gaben nicht groſſe Anfechtungen, oder andere Demüthigung hat,<lb/> ſteht gewiß in Gefahr, auf gefährliche Höhen zu gerathen, ſonderlich wenn er<lb/> den innern Greuel geringe achtet, und bald meint, mit der Sünde, als mit<lb/> einer Fliege, fertig zu werden, wie ietzo manche ſo vermeſſen reden. Wunder-<lb/> liche Helden! Schlechter Sieg! Wie wird die Crone ſeyn? Wer die Sün-<lb/> de verkleinert, verkleinert auch Chriſti Verdienſt und Kraft.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Wem iſt doch die Schuld zu geben, daß ich alſo elend bin?</l><lb/> <l>Wem? ach! glaub’es, dir nur ſelber, deinem eignen hohen Sinn!</l><lb/> <l>Sieh’, esfällt dir ja noch ſchwer, in die Einfalt einzugehen:</l><lb/> <l>Denn du wilt noch etwas ſeyn, ſteheſt noch auf manchen Höhen;</l><lb/> <l>Kanſt noch öfters ſpeculiren, läſſeſt der Vernunft den Lauf;</l><lb/> <l>Rennſt, und wirkeſt oft noch ſelber, bauſt dein eignes Thürmchen auf;</l><lb/> <l>Stöſſeſt dich an dis und das, und biſt noch ſo ſcharf im Richten:</l><lb/> <l>Da muß GOtt den hohen Sinn, und dein eignes Werk vernichten;</l><lb/> <l>Daß du klein und niedrig werdeſt. Lieſſe GOtt dich nur ſo gehn,</l><lb/> <l>Und dich nicht dein’ Ohnmacht ſehen, würd es ärger um dich ſtehn:</l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Denn nur der, ſonſt keiner, wächſet, wo wir Lieb und Demuth ſehn.</hi> </l> </lg> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [277/0289]
4. Octobr.
Wenn du mich demüthigeſt, macheſt du mich groß, Pſ. 18, 36. Es
iſt nicht ſo leicht, als man denkt, ſich in Demuth zu bewahren. Wer
bey groſſen Gaben nicht groſſe Anfechtungen, oder andere Demüthigung hat,
ſteht gewiß in Gefahr, auf gefährliche Höhen zu gerathen, ſonderlich wenn er
den innern Greuel geringe achtet, und bald meint, mit der Sünde, als mit
einer Fliege, fertig zu werden, wie ietzo manche ſo vermeſſen reden. Wunder-
liche Helden! Schlechter Sieg! Wie wird die Crone ſeyn? Wer die Sün-
de verkleinert, verkleinert auch Chriſti Verdienſt und Kraft.
Wem iſt doch die Schuld zu geben, daß ich alſo elend bin?
Wem? ach! glaub’es, dir nur ſelber, deinem eignen hohen Sinn!
Sieh’, esfällt dir ja noch ſchwer, in die Einfalt einzugehen:
Denn du wilt noch etwas ſeyn, ſteheſt noch auf manchen Höhen;
Kanſt noch öfters ſpeculiren, läſſeſt der Vernunft den Lauf;
Rennſt, und wirkeſt oft noch ſelber, bauſt dein eignes Thürmchen auf;
Stöſſeſt dich an dis und das, und biſt noch ſo ſcharf im Richten:
Da muß GOtt den hohen Sinn, und dein eignes Werk vernichten;
Daß du klein und niedrig werdeſt. Lieſſe GOtt dich nur ſo gehn,
Und dich nicht dein’ Ohnmacht ſehen, würd es ärger um dich ſtehn:
Denn nur der, ſonſt keiner, wächſet, wo wir Lieb und Demuth ſehn.
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