Eure Lindigkeit lasset kund seyn allen Menschen. Phil. 4, 5. (Denn) die Liebe bessert. 1. Cor. 8, 1. Wenn du andere bestrafest, und so haben wilst, wie du bist; prüfe, ob es aus Bekehrsucht, Parteiligkeit, Ungeduld, Ei- gensinn, oder aus Liebe herkommt, u. ob du vor oder auch hernach herzlich be- test. Wer da siehet, wie GOtt mit ihm, als dem schwächsten Kinde, so gelinde und zärtlich umgeht, der ist auch gegen alle andere gelinde, und denkt: Wenn auch niemand mit andern Geduld hat, so muß ich sie doch haben: seufzet daher: Schenke mir den sanften Geist, der nur Lindigkeit beweis't.
Folge du der Liebe Spur: Denn die Liebe bessert nur, Strafe darum in der Liebe, nicht im falschen Eifertriebe: Denn dis macht nur Bitterkeit. Strafe mit Bescheidenheit: So wirst du vielmehr gewinnen, und dein Freund wird sich besinnen. Strafen aber muß man wol, wo man herzlich lieben soll; Denn läßt man den Nächsten stehen, und so in der Irre gehen, So ist Menschenfurcht sehr nah, und gar wenig Liebe da. Doch der andre soll auch hören: Denn uns kan ein Kind oft lehren; Wenn es gleich schon harte scheint, ist es doch wol gut gemeint. Thut es weh, machts viele Schmerzen, o so steckt noch viel im Herzen: Also ist, das glaube mir, nur vielmehr die Härt' in dir.
G
7. April.
Eure Lindigkeit laſſet kund ſeyn allen Menſchen. Phil. 4, 5. (Denn) die Liebe beſſert. 1. Cor. 8, 1. Wenn du andere beſtrafeſt, und ſo haben wilſt, wie du biſt; prüfe, ob es aus Bekehrſucht, Parteiligkeit, Ungeduld, Ei- genſinn, oder aus Liebe herkommt, u. ob du vor oder auch hernach herzlich be- teſt. Wer da ſiehet, wie GOtt mit ihm, als dem ſchwächſten Kinde, ſo gelinde und zärtlich umgeht, der iſt auch gegen alle andere gelinde, und denkt: Wenn auch niemand mit andern Geduld hat, ſo muß ich ſie doch haben: ſeufzet daher: Schenke mir den ſanften Geiſt, der nur Lindigkeit beweiſ’t.
Folge du der Liebe Spur: Denn die Liebe beſſert nur, Strafe darum in der Liebe, nicht im falſchen Eifertriebe: Denn dis macht nur Bitterkeit. Strafe mit Beſcheidenheit: So wirſt du vielmehr gewinnen, und dein Freund wird ſich beſinnen. Strafen aber muß man wol, wo man herzlich lieben ſoll; Denn läßt man den Nächſten ſtehen, und ſo in der Irre gehen, So iſt Menſchenfurcht ſehr nah, und gar wenig Liebe da. Doch der andre ſoll auch hören: Denn uns kan ein Kind oft lehren; Wenn es gleich ſchon harte ſcheint, iſt es doch wol gut gemeint. Thut es weh, machts viele Schmerzen, o ſo ſteckt noch viel im Herzen: Alſo iſt, das glaube mir, nur vielmehr die Härt’ in dir.
G
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0109"n="97"/><divn="2"><dateline>7. <hirendition="#aq">April.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">E</hi><hirendition="#fr">ure Lindigkeit laſſet kund ſeyn allen Menſchen.</hi> Phil. 4, 5. <hirendition="#fr">(Denn)<lb/>
die Liebe beſſert.</hi> 1. Cor. 8, 1. Wenn du andere beſtrafeſt, und ſo haben<lb/>
wilſt, wie du biſt; prüfe, ob es aus Bekehrſucht, Parteiligkeit, Ungeduld, Ei-<lb/>
genſinn, oder aus Liebe herkommt, u. ob du vor oder auch hernach herzlich be-<lb/>
teſt. Wer da ſiehet, wie GOtt mit ihm, als dem ſchwächſten Kinde, ſo gelinde<lb/>
und zärtlich umgeht, der iſt auch gegen alle andere gelinde, und denkt: <hirendition="#fr">Wenn<lb/>
auch niemand mit andern Geduld hat, ſo muß ich ſie doch haben:</hi><lb/>ſeufzet daher: Schenke mir den ſanften Geiſt, der nur Lindigkeit beweiſ’t.</p><lb/><lgtype="poem"><l>Folge du der Liebe Spur: Denn <hirendition="#fr">die Liebe beſſert nur,</hi></l><lb/><l>Strafe darum in der Liebe, nicht im falſchen Eifertriebe:</l><lb/><l>Denn dis macht nur Bitterkeit. Strafe mit Beſcheidenheit:</l><lb/><l>So wirſt du vielmehr gewinnen, und dein Freund wird ſich beſinnen.</l><lb/><l>Strafen aber muß man wol, wo man herzlich lieben ſoll;</l><lb/><l>Denn läßt man den Nächſten ſtehen, und ſo in der Irre gehen,</l><lb/><l>So iſt Menſchenfurcht ſehr nah, und gar wenig Liebe da.</l><lb/><l>Doch der andre ſoll auch hören: Denn uns kan ein Kind oft lehren;</l><lb/><l>Wenn es gleich ſchon harte ſcheint, iſt es doch wol gut gemeint.</l><lb/><l>Thut es weh, machts viele Schmerzen, o ſo ſteckt noch viel im Herzen:</l><lb/><l>Alſo iſt, das glaube mir, nur vielmehr die Härt’ in dir.</l></lg></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">G</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[97/0109]
7. April.
Eure Lindigkeit laſſet kund ſeyn allen Menſchen. Phil. 4, 5. (Denn)
die Liebe beſſert. 1. Cor. 8, 1. Wenn du andere beſtrafeſt, und ſo haben
wilſt, wie du biſt; prüfe, ob es aus Bekehrſucht, Parteiligkeit, Ungeduld, Ei-
genſinn, oder aus Liebe herkommt, u. ob du vor oder auch hernach herzlich be-
teſt. Wer da ſiehet, wie GOtt mit ihm, als dem ſchwächſten Kinde, ſo gelinde
und zärtlich umgeht, der iſt auch gegen alle andere gelinde, und denkt: Wenn
auch niemand mit andern Geduld hat, ſo muß ich ſie doch haben:
ſeufzet daher: Schenke mir den ſanften Geiſt, der nur Lindigkeit beweiſ’t.
Folge du der Liebe Spur: Denn die Liebe beſſert nur,
Strafe darum in der Liebe, nicht im falſchen Eifertriebe:
Denn dis macht nur Bitterkeit. Strafe mit Beſcheidenheit:
So wirſt du vielmehr gewinnen, und dein Freund wird ſich beſinnen.
Strafen aber muß man wol, wo man herzlich lieben ſoll;
Denn läßt man den Nächſten ſtehen, und ſo in der Irre gehen,
So iſt Menſchenfurcht ſehr nah, und gar wenig Liebe da.
Doch der andre ſoll auch hören: Denn uns kan ein Kind oft lehren;
Wenn es gleich ſchon harte ſcheint, iſt es doch wol gut gemeint.
Thut es weh, machts viele Schmerzen, o ſo ſteckt noch viel im Herzen:
Alſo iſt, das glaube mir, nur vielmehr die Härt’ in dir.
G
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739/109>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.