Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.peinigen sich die Völker ab, ihre unwissenden und peinigen ſich die Völker ab, ihre unwiſſenden und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0051" n="39"/> peinigen ſich die Völker ab, ihre unwiſſenden und<lb/> entarteten Fürſten und Regierungen zur Weisheit,<lb/> Menſchlichkeit und Gerechtigkeit zu erziehen, und jetzt<lb/> ſitzen wir ſchon da Jahrhunderte lang in Schmerzen<lb/> und Ungeduld, ſehen den Schneckengang der Ausbil¬<lb/> dung mit an und ſchmachten und dulden, bis es der<lb/> lieben Jugend, die uns beherrſcht endlich einmal ge¬<lb/> fallen wird, leſen zu lernen im Buche der Weisheit<lb/> und Gerechtigkeit und ſich die erſten Grundſätze der<lb/> Sittenlehre einzuprägen. Man ſage nicht das Volk<lb/> wäre einverſtanden geweſen mit der Excommunikation<lb/> der Schauſpieler; das war es nicht, wenigſtens nicht<lb/> im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert. Ob<lb/> es zu Molieres Zeit noch ſo tief ſtand, weiß ich<lb/> nicht, doch ich zweifle; doch wäre es auch geweſen<lb/> — wann hat ſich denn je Ludwig <hi rendition="#aq">XIV</hi>. um die<lb/> Stimme und Meinung des Volks bekümmert? Es<lb/> hätte ihm nur ein Wort gekoſtet und keiner hätte zu<lb/> murren gewagt, wenn Moliere auch mit dem Ge¬<lb/> pränge eines Papſtes wäre beerdigt worden. Jede<lb/> Thorheit, jeder Aberglaube des Volkes, wenn ſie<lb/> dazu dienen, die Tyrannei der Fürſten und die Macht<lb/> der Regierungen zu verſtärken, wird geachtet und ge¬<lb/> liebkoſet; da iſt des Volkes Stimme, Gottes Stimme.<lb/> Wenn aber die öffentliche Meinung das Gute, das<lb/> Gerechte will, verſpottet man ſie, und verlangt ſie<lb/> mit Beharrlichkeit, antwortet man ihr mit Flinten¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0051]
peinigen ſich die Völker ab, ihre unwiſſenden und
entarteten Fürſten und Regierungen zur Weisheit,
Menſchlichkeit und Gerechtigkeit zu erziehen, und jetzt
ſitzen wir ſchon da Jahrhunderte lang in Schmerzen
und Ungeduld, ſehen den Schneckengang der Ausbil¬
dung mit an und ſchmachten und dulden, bis es der
lieben Jugend, die uns beherrſcht endlich einmal ge¬
fallen wird, leſen zu lernen im Buche der Weisheit
und Gerechtigkeit und ſich die erſten Grundſätze der
Sittenlehre einzuprägen. Man ſage nicht das Volk
wäre einverſtanden geweſen mit der Excommunikation
der Schauſpieler; das war es nicht, wenigſtens nicht
im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert. Ob
es zu Molieres Zeit noch ſo tief ſtand, weiß ich
nicht, doch ich zweifle; doch wäre es auch geweſen
— wann hat ſich denn je Ludwig XIV. um die
Stimme und Meinung des Volks bekümmert? Es
hätte ihm nur ein Wort gekoſtet und keiner hätte zu
murren gewagt, wenn Moliere auch mit dem Ge¬
pränge eines Papſtes wäre beerdigt worden. Jede
Thorheit, jeder Aberglaube des Volkes, wenn ſie
dazu dienen, die Tyrannei der Fürſten und die Macht
der Regierungen zu verſtärken, wird geachtet und ge¬
liebkoſet; da iſt des Volkes Stimme, Gottes Stimme.
Wenn aber die öffentliche Meinung das Gute, das
Gerechte will, verſpottet man ſie, und verlangt ſie
mit Beharrlichkeit, antwortet man ihr mit Flinten¬
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