Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

bringen, daß man ihm für seine Ehre auch nur das
nöthige Brennholz liefere. Der Ehren-Handel ist
kein freies bürgerliches Gewerbe; er ist ein Regal
wie das Salz und wird nur wenigen General-
Pächtern überlassen. Unsere vornehmen Freunde,
und hätten sie auch "Gedanken groß wie die
Welt
" theilen doch nur ihre überirdischen Ge¬
danken mit uns; ihre unterirdischen, die mit
Metallen vermischt sind behalten sie für sich allein.
Ich sagte einmal gegen Heine: wenn ich nicht ehrlich
wäre aus Dummheit, wäre ich ehrlich aus Klugheit.
Er hat das nicht verstanden. Später wird er es
verstehen lernen und meine Erfahrung theuer bezahlen
müssen, die ihm von mir unentgeldlich angeboten
wurde .... Ich hätte die größte Lust wieder
einmal zu sagen: "ich bin der einzige gescheidte
Mensch in Deutschland" aber ich fürchte mich vor
den Rezensenten.

Es giebt noch mehrere solcher geistreichen Ochsen
in Deutschland, die gar nicht begreifen, wie die
Vollblütigkeit des monarchischen Prinzips mit ihr
eigner Bleichsucht, und wie die häufigen Indigesti¬
onen der Diplomaten mit dem schriftstellerischen
Hunger zusammenhängen. Ich wollte wetten, es
ist dem dramatischen Dichter Raupach in Berlin
noch nie durch den Sinn gegangen, daß wenn in

bringen, daß man ihm für ſeine Ehre auch nur das
nöthige Brennholz liefere. Der Ehren-Handel iſt
kein freies bürgerliches Gewerbe; er iſt ein Regal
wie das Salz und wird nur wenigen General-
Pächtern überlaſſen. Unſere vornehmen Freunde,
und hätten ſie auch „Gedanken groß wie die
Welt
“ theilen doch nur ihre überirdiſchen Ge¬
danken mit uns; ihre unterirdiſchen, die mit
Metallen vermiſcht ſind behalten ſie für ſich allein.
Ich ſagte einmal gegen Heine: wenn ich nicht ehrlich
wäre aus Dummheit, wäre ich ehrlich aus Klugheit.
Er hat das nicht verſtanden. Später wird er es
verſtehen lernen und meine Erfahrung theuer bezahlen
müſſen, die ihm von mir unentgeldlich angeboten
wurde .... Ich hätte die größte Luſt wieder
einmal zu ſagen: „ich bin der einzige geſcheidte
Menſch in Deutſchland“ aber ich fürchte mich vor
den Rezenſenten.

Es giebt noch mehrere ſolcher geiſtreichen Ochſen
in Deutſchland, die gar nicht begreifen, wie die
Vollblütigkeit des monarchiſchen Prinzips mit ihr
eigner Bleichſucht, und wie die häufigen Indigeſti¬
onen der Diplomaten mit dem ſchriftſtelleriſchen
Hunger zuſammenhängen. Ich wollte wetten, es
iſt dem dramatiſchen Dichter Raupach in Berlin
noch nie durch den Sinn gegangen, daß wenn in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="228"/>
bringen, daß man ihm für &#x017F;eine Ehre auch nur das<lb/>
nöthige Brennholz liefere. Der Ehren-Handel i&#x017F;t<lb/>
kein freies bürgerliches Gewerbe; er i&#x017F;t ein Regal<lb/>
wie das Salz und wird nur wenigen General-<lb/>
Pächtern überla&#x017F;&#x017F;en. Un&#x017F;ere vornehmen Freunde,<lb/>
und hätten &#x017F;ie auch &#x201E;<hi rendition="#g">Gedanken groß wie die<lb/>
Welt</hi>&#x201C; theilen doch nur ihre <hi rendition="#g">überirdi&#x017F;chen</hi> Ge¬<lb/>
danken mit uns; ihre <hi rendition="#g">unterirdi&#x017F;chen</hi>, die mit<lb/>
Metallen vermi&#x017F;cht &#x017F;ind behalten &#x017F;ie für &#x017F;ich allein.<lb/>
Ich &#x017F;agte einmal gegen Heine: wenn ich nicht ehrlich<lb/>
wäre aus Dummheit, wäre ich ehrlich aus Klugheit.<lb/>
Er hat das nicht ver&#x017F;tanden. Später wird er es<lb/>
ver&#x017F;tehen lernen und meine Erfahrung theuer <choice><sic>hezahlen</sic><corr>bezahlen</corr></choice><lb/>&#x017F;&#x017F;en, die ihm von mir unentgeldlich angeboten<lb/>
wurde .... Ich hätte die größte Lu&#x017F;t wieder<lb/>
einmal zu &#x017F;agen: &#x201E;ich bin der einzige ge&#x017F;cheidte<lb/>
Men&#x017F;ch in Deut&#x017F;chland&#x201C; aber ich fürchte mich vor<lb/>
den Rezen&#x017F;enten.</p><lb/>
          <p>Es giebt noch mehrere &#x017F;olcher gei&#x017F;treichen Och&#x017F;en<lb/>
in Deut&#x017F;chland, die gar nicht begreifen, wie die<lb/>
Vollblütigkeit des monarchi&#x017F;chen Prinzips mit ihr<lb/>
eigner Bleich&#x017F;ucht, und wie die häufigen Indige&#x017F;ti¬<lb/>
onen der Diplomaten mit dem &#x017F;chrift&#x017F;telleri&#x017F;chen<lb/>
Hunger zu&#x017F;ammenhängen. Ich wollte wetten, es<lb/>
i&#x017F;t dem dramati&#x017F;chen Dichter Raupach in Berlin<lb/>
noch nie durch den Sinn gegangen, daß wenn in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0240] bringen, daß man ihm für ſeine Ehre auch nur das nöthige Brennholz liefere. Der Ehren-Handel iſt kein freies bürgerliches Gewerbe; er iſt ein Regal wie das Salz und wird nur wenigen General- Pächtern überlaſſen. Unſere vornehmen Freunde, und hätten ſie auch „Gedanken groß wie die Welt“ theilen doch nur ihre überirdiſchen Ge¬ danken mit uns; ihre unterirdiſchen, die mit Metallen vermiſcht ſind behalten ſie für ſich allein. Ich ſagte einmal gegen Heine: wenn ich nicht ehrlich wäre aus Dummheit, wäre ich ehrlich aus Klugheit. Er hat das nicht verſtanden. Später wird er es verſtehen lernen und meine Erfahrung theuer bezahlen müſſen, die ihm von mir unentgeldlich angeboten wurde .... Ich hätte die größte Luſt wieder einmal zu ſagen: „ich bin der einzige geſcheidte Menſch in Deutſchland“ aber ich fürchte mich vor den Rezenſenten. Es giebt noch mehrere ſolcher geiſtreichen Ochſen in Deutſchland, die gar nicht begreifen, wie die Vollblütigkeit des monarchiſchen Prinzips mit ihr eigner Bleichſucht, und wie die häufigen Indigeſti¬ onen der Diplomaten mit dem ſchriftſtelleriſchen Hunger zuſammenhängen. Ich wollte wetten, es iſt dem dramatiſchen Dichter Raupach in Berlin noch nie durch den Sinn gegangen, daß wenn in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/240
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/240>, abgerufen am 24.11.2024.