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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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die Zuversicht habe, daß Recht gesprochen werde.
Was hilft alle Sicherheit, wenn man nicht das Ge¬
fühl dieser Sicherheit hat? Der Traum einer Ge¬
fahr kann Einen im warmen, weichen Bette so sehr
ängstigen, als diese Gefahr selbst. Aber dieses Ge¬
fühl der Sicherheit, diese Zuversicht auf strenge
Rechtlichkeit kann ein deutscher Bürger nicht haben,
in allen Fällen wo es ein Staatsverbrechen betrifft.
Tiefe Nacht umgiebt den Kerker, die Untersuchung
wird geheim geführt, der Richterspruch wird geheim
gefällt, die Vertheidigung bleibt verborgen, der erste
Strahl des Tages fällt auf das Blutgerüst, ein blei¬
ches, gramgefurchtes Haupt fällt -- ob schuldlos oder
schuldig, das wird Gott einst richten. Wie wird ein
armer deutscher Staatsgefangener im Kerker behan¬
delt? Mit Menschlichkeit? Oder wird er gefoltert?
Wer kann es wissen? Kömmt er endlich frei, haben
oft lange Leiden die Kraft seiner Seele gebrochen,
oder er hat wohl in seinem heißen Gebete um Ret¬
tung, den Himmel gelobt, wenn er ihn befreie, wolle
er allen seinen Feinden vergeben, jede Kränkung ver¬
gessen er schweigt und klagt nicht. Vielleicht
hat man ihm auch einen Schwur der Verschwiegen¬
heit als Preis seiner Befreiung aufgelegt

In freien Staaten, wie in Frankreich und Eng¬
land, werden die gerichtliche Untersuchung und die

die Zuverſicht habe, daß Recht geſprochen werde.
Was hilft alle Sicherheit, wenn man nicht das Ge¬
fühl dieſer Sicherheit hat? Der Traum einer Ge¬
fahr kann Einen im warmen, weichen Bette ſo ſehr
ängſtigen, als dieſe Gefahr ſelbſt. Aber dieſes Ge¬
fühl der Sicherheit, dieſe Zuverſicht auf ſtrenge
Rechtlichkeit kann ein deutſcher Bürger nicht haben,
in allen Fällen wo es ein Staatsverbrechen betrifft.
Tiefe Nacht umgiebt den Kerker, die Unterſuchung
wird geheim geführt, der Richterſpruch wird geheim
gefällt, die Vertheidigung bleibt verborgen, der erſte
Strahl des Tages fällt auf das Blutgerüſt, ein blei¬
ches, gramgefurchtes Haupt fällt — ob ſchuldlos oder
ſchuldig, das wird Gott einſt richten. Wie wird ein
armer deutſcher Staatsgefangener im Kerker behan¬
delt? Mit Menſchlichkeit? Oder wird er gefoltert?
Wer kann es wiſſen? Kömmt er endlich frei, haben
oft lange Leiden die Kraft ſeiner Seele gebrochen,
oder er hat wohl in ſeinem heißen Gebete um Ret¬
tung, den Himmel gelobt, wenn er ihn befreie, wolle
er allen ſeinen Feinden vergeben, jede Kränkung ver¬
geſſen er ſchweigt und klagt nicht. Vielleicht
hat man ihm auch einen Schwur der Verſchwiegen¬
heit als Preis ſeiner Befreiung aufgelegt

In freien Staaten, wie in Frankreich und Eng¬
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[205/0217] die Zuverſicht habe, daß Recht geſprochen werde. Was hilft alle Sicherheit, wenn man nicht das Ge¬ fühl dieſer Sicherheit hat? Der Traum einer Ge¬ fahr kann Einen im warmen, weichen Bette ſo ſehr ängſtigen, als dieſe Gefahr ſelbſt. Aber dieſes Ge¬ fühl der Sicherheit, dieſe Zuverſicht auf ſtrenge Rechtlichkeit kann ein deutſcher Bürger nicht haben, in allen Fällen wo es ein Staatsverbrechen betrifft. Tiefe Nacht umgiebt den Kerker, die Unterſuchung wird geheim geführt, der Richterſpruch wird geheim gefällt, die Vertheidigung bleibt verborgen, der erſte Strahl des Tages fällt auf das Blutgerüſt, ein blei¬ ches, gramgefurchtes Haupt fällt — ob ſchuldlos oder ſchuldig, das wird Gott einſt richten. Wie wird ein armer deutſcher Staatsgefangener im Kerker behan¬ delt? Mit Menſchlichkeit? Oder wird er gefoltert? Wer kann es wiſſen? Kömmt er endlich frei, haben oft lange Leiden die Kraft ſeiner Seele gebrochen, oder er hat wohl in ſeinem heißen Gebete um Ret¬ tung, den Himmel gelobt, wenn er ihn befreie, wolle er allen ſeinen Feinden vergeben, jede Kränkung ver¬ geſſen er ſchweigt und klagt nicht. Vielleicht hat man ihm auch einen Schwur der Verſchwiegen¬ heit als Preis ſeiner Befreiung aufgelegt In freien Staaten, wie in Frankreich und Eng¬ land, werden die gerichtliche Unterſuchung und die

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/217>, abgerufen am 27.11.2024.