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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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lichen Gestalt und des freien Herzens-
Wahlrechts hoch
! Halleluja! Halleluja!

-- Nichts ist schwerer im menschlichen Leben
-- ausgenommen einen Zitronenkern herausfischen,
wenn er am Boden eines vollen Glases Limonade
liegt -- als es mit den Deutschen acht Tage hinter
einander gut zu meinen, so sehr sie es auch verdie¬
nen und so unglücklich sie auch sind. So oft ich
über sie weine, haben meine Thränen nicht Zeit zu
trocknen, und ich muß schon wieder lachen. So oft
ich über sie lache -- nun freilich das kann niemals
lange dauern. Es ist nicht meine Schuld. Auch
der beste Mensch, der doch jedes Kind, so oft es
hinfällt mitleidig aufhebt, obzwar keine Gefahr dabei
ist, muß doch lachen, wenn er einen erwachsenen
Menschen fallen sieht, der sich doch so leicht beschä¬
digen kann. Das deutsche Volk ist ein solch erwach¬
sener Mensch mit Kindesbeinen, und man muß la¬
chen so oft es auf den Kopf fällt. Es ist gar zu
ungeschickt, zu zerstreut, zu gelehrt. Da sind Rotteck
und Welcker, Männer die es gewiß gut meinen,
und auf welche sonst so viele als auf ihre Erretter
sagen. Sie haben der guten Sache mehr geschadet
als deren schlimmste Feinde. Sie haben sich und ihre
Leidensgenossen aus der Sklaverei befreiet, ließen aber

lichen Geſtalt und des freien Herzens-
Wahlrechts hoch
! Halleluja! Halleluja!

— Nichts iſt ſchwerer im menſchlichen Leben
— ausgenommen einen Zitronenkern herausfiſchen,
wenn er am Boden eines vollen Glaſes Limonade
liegt — als es mit den Deutſchen acht Tage hinter
einander gut zu meinen, ſo ſehr ſie es auch verdie¬
nen und ſo unglücklich ſie auch ſind. So oft ich
über ſie weine, haben meine Thränen nicht Zeit zu
trocknen, und ich muß ſchon wieder lachen. So oft
ich über ſie lache — nun freilich das kann niemals
lange dauern. Es iſt nicht meine Schuld. Auch
der beſte Menſch, der doch jedes Kind, ſo oft es
hinfällt mitleidig aufhebt, obzwar keine Gefahr dabei
iſt, muß doch lachen, wenn er einen erwachſenen
Menſchen fallen ſieht, der ſich doch ſo leicht beſchä¬
digen kann. Das deutſche Volk iſt ein ſolch erwach¬
ſener Menſch mit Kindesbeinen, und man muß la¬
chen ſo oft es auf den Kopf fällt. Es iſt gar zu
ungeſchickt, zu zerſtreut, zu gelehrt. Da ſind Rotteck
und Welcker, Männer die es gewiß gut meinen,
und auf welche ſonſt ſo viele als auf ihre Erretter
ſagen. Sie haben der guten Sache mehr geſchadet
als deren ſchlimmſte Feinde. Sie haben ſich und ihre
Leidensgenoſſen aus der Sklaverei befreiet, ließen aber

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[190/0202] lichen Geſtalt und des freien Herzens- Wahlrechts hoch! Halleluja! Halleluja! — Nichts iſt ſchwerer im menſchlichen Leben — ausgenommen einen Zitronenkern herausfiſchen, wenn er am Boden eines vollen Glaſes Limonade liegt — als es mit den Deutſchen acht Tage hinter einander gut zu meinen, ſo ſehr ſie es auch verdie¬ nen und ſo unglücklich ſie auch ſind. So oft ich über ſie weine, haben meine Thränen nicht Zeit zu trocknen, und ich muß ſchon wieder lachen. So oft ich über ſie lache — nun freilich das kann niemals lange dauern. Es iſt nicht meine Schuld. Auch der beſte Menſch, der doch jedes Kind, ſo oft es hinfällt mitleidig aufhebt, obzwar keine Gefahr dabei iſt, muß doch lachen, wenn er einen erwachſenen Menſchen fallen ſieht, der ſich doch ſo leicht beſchä¬ digen kann. Das deutſche Volk iſt ein ſolch erwach¬ ſener Menſch mit Kindesbeinen, und man muß la¬ chen ſo oft es auf den Kopf fällt. Es iſt gar zu ungeſchickt, zu zerſtreut, zu gelehrt. Da ſind Rotteck und Welcker, Männer die es gewiß gut meinen, und auf welche ſonſt ſo viele als auf ihre Erretter ſagen. Sie haben der guten Sache mehr geſchadet als deren ſchlimmſte Feinde. Sie haben ſich und ihre Leidensgenoſſen aus der Sklaverei befreiet, ließen aber

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/202>, abgerufen am 24.11.2024.