Frankfurter Publikum -- warum bist du denn so gar einfältig, dich in deinem Concertsaale auf die Hinterstühle zu setzen, und dem hohen Adel die Vordern zu überlassen? Thut das nicht, setzt euch selbst mit euren Weibern und Töchtern vorn hin. Zwar weiß ich wie viel es einem bescheidenen Manne kostet, sich in einen öffentlichen Kampf mit der Eitel¬ keit einzulassen; aber es soll auch nicht Einer allein, alle Bürger sollen sich zugleich hervorstellen. Und werdet ihr auch verbannt, bringt der guten Sache das Opfer. Seid nicht demüthig, seid nicht blöde, seid nicht schwach. Eure Demuth ist ihr Hochmuth, eure Blödigkeit ist ihre Frechheit, eure Schwäche ist ihre Stärke. Geht jede Stunde einen Schritt, aber geht diesen Schritt jede Stunde und ihr werdet bald an das Ziel gelangen.
-- "Göttliche Gerechtigkeit wie -- lange noch wirst du deine Blitze schlafen lassen?" Sie glauben vielleicht ich hätte das gesagt? O nein, es steht im frankfurter französischen Journale und wird bei einer, ich weiß nicht mehr welcher, Gelegenheit ausgerufen, wo die Fürsten¬ schaft oder der Adel irgend eine Schleppe bekommen. Das Wort ist schön, aber die ganze hohe deutsche Bundesversammlung, mit allen ihren Excellenzen, Grafen und Baronen, mit allen ihren Legationsräthen und Gesandtschafts-Sekretairen, mit dem großen
Frankfurter Publikum — warum biſt du denn ſo gar einfältig, dich in deinem Concertſaale auf die Hinterſtühle zu ſetzen, und dem hohen Adel die Vordern zu überlaſſen? Thut das nicht, ſetzt euch ſelbſt mit euren Weibern und Töchtern vorn hin. Zwar weiß ich wie viel es einem beſcheidenen Manne koſtet, ſich in einen öffentlichen Kampf mit der Eitel¬ keit einzulaſſen; aber es ſoll auch nicht Einer allein, alle Bürger ſollen ſich zugleich hervorſtellen. Und werdet ihr auch verbannt, bringt der guten Sache das Opfer. Seid nicht demüthig, ſeid nicht blöde, ſeid nicht ſchwach. Eure Demuth iſt ihr Hochmuth, eure Blödigkeit iſt ihre Frechheit, eure Schwäche iſt ihre Stärke. Geht jede Stunde einen Schritt, aber geht dieſen Schritt jede Stunde und ihr werdet bald an das Ziel gelangen.
— „Göttliche Gerechtigkeit wie — lange noch wirſt du deine Blitze ſchlafen laſſen?“ Sie glauben vielleicht ich hätte das geſagt? O nein, es ſteht im frankfurter franzöſiſchen Journale und wird bei einer, ich weiß nicht mehr welcher, Gelegenheit ausgerufen, wo die Fürſten¬ ſchaft oder der Adel irgend eine Schleppe bekommen. Das Wort iſt ſchön, aber die ganze hohe deutſche Bundesverſammlung, mit allen ihren Excellenzen, Grafen und Baronen, mit allen ihren Legationsräthen und Geſandtſchafts-Sekretairen, mit dem großen
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Frankfurter Publikum — warum biſt du denn ſo
gar einfältig, dich in deinem Concertſaale auf die
Hinterſtühle zu ſetzen, und dem hohen Adel die
Vordern zu überlaſſen? Thut das nicht, ſetzt euch
ſelbſt mit euren Weibern und Töchtern vorn hin.
Zwar weiß ich wie viel es einem beſcheidenen Manne
koſtet, ſich in einen öffentlichen Kampf mit der Eitel¬
keit einzulaſſen; aber es ſoll auch nicht Einer allein,
alle Bürger ſollen ſich zugleich hervorſtellen. Und
werdet ihr auch verbannt, bringt der guten Sache
das Opfer. Seid nicht demüthig, ſeid nicht blöde,
ſeid nicht ſchwach. Eure Demuth iſt ihr Hochmuth,
eure Blödigkeit iſt ihre Frechheit, eure Schwäche iſt
ihre Stärke. Geht jede Stunde einen Schritt,
aber geht dieſen Schritt jede Stunde und ihr
werdet bald an das Ziel gelangen.
— „Göttliche Gerechtigkeit wie —
lange noch wirſt du deine Blitze ſchlafen
laſſen?“ Sie glauben vielleicht ich hätte das
geſagt? O nein, es ſteht im frankfurter franzöſiſchen
Journale und wird bei einer, ich weiß nicht mehr
welcher, Gelegenheit ausgerufen, wo die Fürſten¬
ſchaft oder der Adel irgend eine Schleppe bekommen.
Das Wort iſt ſchön, aber die ganze hohe deutſche
Bundesverſammlung, mit allen ihren Excellenzen,
Grafen und Baronen, mit allen ihren Legationsräthen
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/20>, abgerufen am 17.07.2024.
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