Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

der Regierung zornig reden, so ist das der lächer¬
lichste und zugleich der grausamste Pleonasmus.
Ihre Gewehre, ihre Kanonen, ihre Kerker -- was
sind sie denn anders als plastische Grobheiten von
Stein, Eisen und Stahl, während die unsern ganz
unschädlich nur von Luft sind? --

In Preußen geht man damit um, die Justiz¬
beamte für absetzbar zu erklären. Vielleicht wissen
Sie nicht was das bedeutet. In den Staaten, wo
der Despotismus nicht alle Schaam von sich geworfen,
wo ihm noch ein kleiner Rest, ich sage nicht von
Tugend, aber von Ehre geblieben, sind die Gerichts¬
personen unabsetzbar, das heißt: wenn sie einmal
ihre Stelle erhalten, darf sie die Regierung ihnen
nicht wieder nehmen. Dieses ist der letzte Anker
der Ruhe für jeden Bürger, der nun nicht zu be¬
fürchten braucht, daß sein Richter in die traurige
Lage kommen könnte, entweder seine Stelle zu ver¬
lieren und mit Weib und Kinder zu verhungern,
oder einen Angeklagten zum Tode, zum Kerker, zu
Geldbußen zu verurtheilen, sobald es einem Wahn¬
sinnigen, oder ruchlosen Minister beliebt. Dieser
Schutz soll jetzt dem Preußischen Volke geraubt
werden. Ich will es noch nicht glauben. Was
bliebe denn jenen guten Preußen, die ich im Aus¬
lande so oft habe in die Enge treiben sehen, indem

der Regierung zornig reden, ſo iſt das der lächer¬
lichſte und zugleich der grauſamſte Pleonasmus.
Ihre Gewehre, ihre Kanonen, ihre Kerker — was
ſind ſie denn anders als plaſtiſche Grobheiten von
Stein, Eiſen und Stahl, während die unſern ganz
unſchädlich nur von Luft ſind? —

In Preußen geht man damit um, die Juſtiz¬
beamte für abſetzbar zu erklären. Vielleicht wiſſen
Sie nicht was das bedeutet. In den Staaten, wo
der Despotismus nicht alle Schaam von ſich geworfen,
wo ihm noch ein kleiner Reſt, ich ſage nicht von
Tugend, aber von Ehre geblieben, ſind die Gerichts¬
perſonen unabſetzbar, das heißt: wenn ſie einmal
ihre Stelle erhalten, darf ſie die Regierung ihnen
nicht wieder nehmen. Dieſes iſt der letzte Anker
der Ruhe für jeden Bürger, der nun nicht zu be¬
fürchten braucht, daß ſein Richter in die traurige
Lage kommen könnte, entweder ſeine Stelle zu ver¬
lieren und mit Weib und Kinder zu verhungern,
oder einen Angeklagten zum Tode, zum Kerker, zu
Geldbußen zu verurtheilen, ſobald es einem Wahn¬
ſinnigen, oder ruchloſen Miniſter beliebt. Dieſer
Schutz ſoll jetzt dem Preußiſchen Volke geraubt
werden. Ich will es noch nicht glauben. Was
bliebe denn jenen guten Preußen, die ich im Aus¬
lande ſo oft habe in die Enge treiben ſehen, indem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0185" n="173"/>
der Regierung zornig reden, &#x017F;o i&#x017F;t das der lächer¬<lb/>
lich&#x017F;te und zugleich der grau&#x017F;am&#x017F;te Pleonasmus.<lb/>
Ihre Gewehre, ihre Kanonen, ihre Kerker &#x2014; was<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie denn anders als pla&#x017F;ti&#x017F;che Grobheiten von<lb/>
Stein, Ei&#x017F;en und Stahl, während die un&#x017F;ern ganz<lb/>
un&#x017F;chädlich nur von Luft &#x017F;ind? &#x2014;</p><lb/>
          <p>In Preußen geht man damit um, die Ju&#x017F;tiz¬<lb/>
beamte für <hi rendition="#g">ab&#x017F;etzbar</hi> zu erklären. Vielleicht wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie nicht was das bedeutet. In den Staaten, wo<lb/>
der Despotismus nicht alle Schaam von &#x017F;ich geworfen,<lb/>
wo ihm noch ein kleiner Re&#x017F;t, ich &#x017F;age nicht von<lb/>
Tugend, aber von Ehre geblieben, &#x017F;ind die Gerichts¬<lb/>
per&#x017F;onen unab&#x017F;etzbar, das heißt: wenn &#x017F;ie einmal<lb/>
ihre Stelle erhalten, darf &#x017F;ie die Regierung ihnen<lb/>
nicht wieder nehmen. Die&#x017F;es i&#x017F;t der letzte Anker<lb/>
der Ruhe für jeden Bürger, der nun nicht zu be¬<lb/>
fürchten braucht, daß &#x017F;ein Richter in die traurige<lb/>
Lage kommen könnte, entweder &#x017F;eine Stelle zu ver¬<lb/>
lieren und mit Weib und Kinder zu verhungern,<lb/>
oder einen Angeklagten zum Tode, zum Kerker, zu<lb/>
Geldbußen zu verurtheilen, &#x017F;obald es einem Wahn¬<lb/>
&#x017F;innigen, oder ruchlo&#x017F;en Mini&#x017F;ter beliebt. Die&#x017F;er<lb/>
Schutz &#x017F;oll jetzt dem Preußi&#x017F;chen Volke geraubt<lb/>
werden. Ich will es noch nicht glauben. Was<lb/>
bliebe denn jenen guten Preußen, die ich im Aus¬<lb/>
lande &#x017F;o oft habe in die Enge treiben &#x017F;ehen, indem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0185] der Regierung zornig reden, ſo iſt das der lächer¬ lichſte und zugleich der grauſamſte Pleonasmus. Ihre Gewehre, ihre Kanonen, ihre Kerker — was ſind ſie denn anders als plaſtiſche Grobheiten von Stein, Eiſen und Stahl, während die unſern ganz unſchädlich nur von Luft ſind? — In Preußen geht man damit um, die Juſtiz¬ beamte für abſetzbar zu erklären. Vielleicht wiſſen Sie nicht was das bedeutet. In den Staaten, wo der Despotismus nicht alle Schaam von ſich geworfen, wo ihm noch ein kleiner Reſt, ich ſage nicht von Tugend, aber von Ehre geblieben, ſind die Gerichts¬ perſonen unabſetzbar, das heißt: wenn ſie einmal ihre Stelle erhalten, darf ſie die Regierung ihnen nicht wieder nehmen. Dieſes iſt der letzte Anker der Ruhe für jeden Bürger, der nun nicht zu be¬ fürchten braucht, daß ſein Richter in die traurige Lage kommen könnte, entweder ſeine Stelle zu ver¬ lieren und mit Weib und Kinder zu verhungern, oder einen Angeklagten zum Tode, zum Kerker, zu Geldbußen zu verurtheilen, ſobald es einem Wahn¬ ſinnigen, oder ruchloſen Miniſter beliebt. Dieſer Schutz ſoll jetzt dem Preußiſchen Volke geraubt werden. Ich will es noch nicht glauben. Was bliebe denn jenen guten Preußen, die ich im Aus¬ lande ſo oft habe in die Enge treiben ſehen, indem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/185
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/185>, abgerufen am 23.11.2024.