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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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stimmungen eingeführt, die alle den Zweck hatten,
die kräftige Entwicklung eines wahren repräsentativen
Systems zu verhindern. Bald darf man nicht spre¬
chen, bald darf man nicht hören, die Einen werden
stumm, die Andern werden taub gemacht. Ist ein
Bischen frischer Wind in der Kammer, werden gleich
alle Segel eingezogen. Wird etwas verhandelt was
das Volk nahe angeht, wird es aus der Kammer
gejagt, es darf den Sitzungen nur beiwohnen, so oft
sie langweilig sind. Man meint freilich das wäre
oft genug. In Baiern müssen die Deputirten, die
auf sechs Jahre gewählt werden, in der ersten Sitzung
um die Plätze in der Kammer loosen. Diesen nume¬
rirten Platz muß jeder Deputirte wie ein Schulbube
behalten, er darf ihn nicht wechseln. Dadurch wollte
man verhindern, daß die Gleichgesinnten sich nicht
neben einander setzen, sich verabredeten und Parthei
machten. Die liebe deutsche Schuljugend läßt sich
auch das alles gefallen.

Eine andere Bestimmung ist fast in alle Con¬
stitutionen übergegangen. Passen Sie auf! Jetzt
kömmt Ihre dumme Geschichte. Keiner darf als
Deputirter gewählt werden
, der irgend
einmal eine Criminalstrafe ausgestanden
hat
. Hier dachte man aber keineswegs daran, ge¬
wöhnliche Spitzbuben aus der Kammer entfernt zu
halten, Räuber, Mörder, Diebe, solche Fälle kommen

ſtimmungen eingeführt, die alle den Zweck hatten,
die kräftige Entwicklung eines wahren repräſentativen
Syſtems zu verhindern. Bald darf man nicht ſpre¬
chen, bald darf man nicht hören, die Einen werden
ſtumm, die Andern werden taub gemacht. Iſt ein
Bischen friſcher Wind in der Kammer, werden gleich
alle Segel eingezogen. Wird etwas verhandelt was
das Volk nahe angeht, wird es aus der Kammer
gejagt, es darf den Sitzungen nur beiwohnen, ſo oft
ſie langweilig ſind. Man meint freilich das wäre
oft genug. In Baiern müſſen die Deputirten, die
auf ſechs Jahre gewählt werden, in der erſten Sitzung
um die Plätze in der Kammer looſen. Dieſen nume¬
rirten Platz muß jeder Deputirte wie ein Schulbube
behalten, er darf ihn nicht wechſeln. Dadurch wollte
man verhindern, daß die Gleichgeſinnten ſich nicht
neben einander ſetzen, ſich verabredeten und Parthei
machten. Die liebe deutſche Schuljugend läßt ſich
auch das alles gefallen.

Eine andere Beſtimmung iſt faſt in alle Con¬
ſtitutionen übergegangen. Paſſen Sie auf! Jetzt
kömmt Ihre dumme Geſchichte. Keiner darf als
Deputirter gewählt werden
, der irgend
einmal eine Criminalſtrafe ausgeſtanden
hat
. Hier dachte man aber keineswegs daran, ge¬
wöhnliche Spitzbuben aus der Kammer entfernt zu
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[148/0160] ſtimmungen eingeführt, die alle den Zweck hatten, die kräftige Entwicklung eines wahren repräſentativen Syſtems zu verhindern. Bald darf man nicht ſpre¬ chen, bald darf man nicht hören, die Einen werden ſtumm, die Andern werden taub gemacht. Iſt ein Bischen friſcher Wind in der Kammer, werden gleich alle Segel eingezogen. Wird etwas verhandelt was das Volk nahe angeht, wird es aus der Kammer gejagt, es darf den Sitzungen nur beiwohnen, ſo oft ſie langweilig ſind. Man meint freilich das wäre oft genug. In Baiern müſſen die Deputirten, die auf ſechs Jahre gewählt werden, in der erſten Sitzung um die Plätze in der Kammer looſen. Dieſen nume¬ rirten Platz muß jeder Deputirte wie ein Schulbube behalten, er darf ihn nicht wechſeln. Dadurch wollte man verhindern, daß die Gleichgeſinnten ſich nicht neben einander ſetzen, ſich verabredeten und Parthei machten. Die liebe deutſche Schuljugend läßt ſich auch das alles gefallen. Eine andere Beſtimmung iſt faſt in alle Con¬ ſtitutionen übergegangen. Paſſen Sie auf! Jetzt kömmt Ihre dumme Geſchichte. Keiner darf als Deputirter gewählt werden, der irgend einmal eine Criminalſtrafe ausgeſtanden hat. Hier dachte man aber keineswegs daran, ge¬ wöhnliche Spitzbuben aus der Kammer entfernt zu halten, Räuber, Mörder, Diebe, ſolche Fälle kommen

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/160>, abgerufen am 23.11.2024.