Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.Kerker eines Oestreichischen Landtags schaudern Ich hätte Ihnen noch einige Worte von der Kerker eines Oeſtreichiſchen Landtags ſchaudern Ich hätte Ihnen noch einige Worte von der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0146" n="134"/> Kerker eines Oeſtreichiſchen Landtags ſchaudern<lb/> mußte. Wer an ſolche Luft gewöhnt, hat keine<lb/> Tyrannei zu fürchten — er erträgt ſie nicht.</p><lb/> <p>Ich hätte Ihnen noch einige Worte von der<lb/> Demoiſelle <hi rendition="#g">Georges</hi> ſagen ſollen, welche die<lb/> Lucrecia Borgia ganz herrlich geſpielt. Sie war<lb/> ein Vulkan und alles was in dem dunklen Buſen<lb/> eines ſolchen Weibes kocht, kam donnernd und in<lb/> Feuergüſſen an den Tag. Das war freilich das<lb/> Verdienſt des Dichters, zugleich aber ſeine Schuld.<lb/> Statt uns an den reinlichen gedeckten Tiſch der<lb/> Leidenſchaft zu ſetzen, bringt er uns in ihre Küche,<lb/> und dieſes Mal war es des Teufels Küche. In<lb/> mehreren Ecken des Saals wurde einigemal geziſcht,<lb/> bei ſolchen Stellen, wo alles zu nackt, zu roh, zu<lb/> blutig erſchien, wo einen das rothe Fleiſch anekelte.<lb/> Victor Hugo kömmt mir wie ein unmündiger reicher<lb/> Erbe vor, der Wucherern in die Hände gefallen,<lb/> und Schulden auf Schulden häuft. Wenn er es<lb/> ſo forttreibt, kann er, bis er volljährig und ver¬<lb/> ſtändig wird, ſich arm gelebt haben. Man ſoll von<lb/> den Zinſen ſeines Geiſtes leben ... Und wie<lb/> gefalle ich Ihnen als ſolider Menſch?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0146]
Kerker eines Oeſtreichiſchen Landtags ſchaudern
mußte. Wer an ſolche Luft gewöhnt, hat keine
Tyrannei zu fürchten — er erträgt ſie nicht.
Ich hätte Ihnen noch einige Worte von der
Demoiſelle Georges ſagen ſollen, welche die
Lucrecia Borgia ganz herrlich geſpielt. Sie war
ein Vulkan und alles was in dem dunklen Buſen
eines ſolchen Weibes kocht, kam donnernd und in
Feuergüſſen an den Tag. Das war freilich das
Verdienſt des Dichters, zugleich aber ſeine Schuld.
Statt uns an den reinlichen gedeckten Tiſch der
Leidenſchaft zu ſetzen, bringt er uns in ihre Küche,
und dieſes Mal war es des Teufels Küche. In
mehreren Ecken des Saals wurde einigemal geziſcht,
bei ſolchen Stellen, wo alles zu nackt, zu roh, zu
blutig erſchien, wo einen das rothe Fleiſch anekelte.
Victor Hugo kömmt mir wie ein unmündiger reicher
Erbe vor, der Wucherern in die Hände gefallen,
und Schulden auf Schulden häuft. Wenn er es
ſo forttreibt, kann er, bis er volljährig und ver¬
ſtändig wird, ſich arm gelebt haben. Man ſoll von
den Zinſen ſeines Geiſtes leben ... Und wie
gefalle ich Ihnen als ſolider Menſch?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |