Missethäter ist gefunden. Wie! gellt Lucrecia -- er ist gefunden und noch frei? Er ist gefangen, erwiedert der Herzog. Er ist gefangen und lebt noch? frägt Lucrecia in ihrem Grimme. Er wird sterben, erwiedert der Herzog eiskalt. Lucrecia läßt ihren Gemahl bei seiner fürstlichen Würde schwören, den Verbrecher hinzurichten, wer er auch sei. Der Herzog giebt sein Fürstenwort höhnisch lächelnd. Er winkt, der Verbrecher wird hereingeführt, und Lucrecia erkennt mit Entsetzen ihren Gennaro. Das ist der Thäter nicht, spricht Lucrecia. Gennaro tritt hervor und sagt: ich bin der Thäter. Lucrecia bittet ihren Gemahl um ein heimliches Gespräch. Gennaro wird abgeführt. Jetzt bittet sie ihren Gemahl um das Leben des jungen Mannes. Sie wolle großmüthig sein, es sei nur eine Laune gewesen als sie seinen Tod gefordert. Der Herzog erinnert sie, daß er ihr sein Fürstenwort gegeben, den Ver¬ brecher zu bestrafen. Lucrecia erwiedert lächelnd: Eide sind für das Volk, nicht für uns Für¬ sten. Das ganze Haus beklatscht dieses Wort. Aber der Herzog läßt sich nicht erbitten. Alle Künste des Himmels und der Hölle ruft sie auf; Liebe und Haß, Wehmuth und Zorn, Lächeln und Thränen, Schmeicheleien und Drohungen. Alles umsonst. Sie droht ihrem Gemahle mit der Rache ihres Vaters des Papstes, mit ihrer eignen; sie erinnert
Miſſethäter iſt gefunden. Wie! gellt Lucrecia — er iſt gefunden und noch frei? Er iſt gefangen, erwiedert der Herzog. Er iſt gefangen und lebt noch? frägt Lucrecia in ihrem Grimme. Er wird ſterben, erwiedert der Herzog eiskalt. Lucrecia läßt ihren Gemahl bei ſeiner fürſtlichen Würde ſchwören, den Verbrecher hinzurichten, wer er auch ſei. Der Herzog giebt ſein Fürſtenwort höhniſch lächelnd. Er winkt, der Verbrecher wird hereingeführt, und Lucrecia erkennt mit Entſetzen ihren Gennaro. Das iſt der Thäter nicht, ſpricht Lucrecia. Gennaro tritt hervor und ſagt: ich bin der Thäter. Lucrecia bittet ihren Gemahl um ein heimliches Geſpräch. Gennaro wird abgeführt. Jetzt bittet ſie ihren Gemahl um das Leben des jungen Mannes. Sie wolle großmüthig ſein, es ſei nur eine Laune geweſen als ſie ſeinen Tod gefordert. Der Herzog erinnert ſie, daß er ihr ſein Fürſtenwort gegeben, den Ver¬ brecher zu beſtrafen. Lucrecia erwiedert lächelnd: Eide ſind für das Volk, nicht für uns Für¬ ſten. Das ganze Haus beklatſcht dieſes Wort. Aber der Herzog läßt ſich nicht erbitten. Alle Künſte des Himmels und der Hölle ruft ſie auf; Liebe und Haß, Wehmuth und Zorn, Lächeln und Thränen, Schmeicheleien und Drohungen. Alles umſonſt. Sie droht ihrem Gemahle mit der Rache ihres Vaters des Papſtes, mit ihrer eignen; ſie erinnert
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Miſſethäter iſt gefunden. Wie! gellt Lucrecia —
er iſt gefunden und noch frei? Er iſt gefangen,
erwiedert der Herzog. Er iſt gefangen und lebt
noch? frägt Lucrecia in ihrem Grimme. Er wird
ſterben, erwiedert der Herzog eiskalt. Lucrecia läßt
ihren Gemahl bei ſeiner fürſtlichen Würde ſchwören,
den Verbrecher hinzurichten, wer er auch ſei. Der
Herzog giebt ſein Fürſtenwort höhniſch lächelnd.
Er winkt, der Verbrecher wird hereingeführt, und
Lucrecia erkennt mit Entſetzen ihren Gennaro. Das
iſt der Thäter nicht, ſpricht Lucrecia. Gennaro
tritt hervor und ſagt: ich bin der Thäter. Lucrecia
bittet ihren Gemahl um ein heimliches Geſpräch.
Gennaro wird abgeführt. Jetzt bittet ſie ihren
Gemahl um das Leben des jungen Mannes. Sie
wolle großmüthig ſein, es ſei nur eine Laune geweſen
als ſie ſeinen Tod gefordert. Der Herzog erinnert
ſie, daß er ihr ſein Fürſtenwort gegeben, den Ver¬
brecher zu beſtrafen. Lucrecia erwiedert lächelnd:
Eide ſind für das Volk, nicht für uns Für¬
ſten. Das ganze Haus beklatſcht dieſes Wort.
Aber der Herzog läßt ſich nicht erbitten. Alle Künſte
des Himmels und der Hölle ruft ſie auf; Liebe und
Haß, Wehmuth und Zorn, Lächeln und Thränen,
Schmeicheleien und Drohungen. Alles umſonſt.
Sie droht ihrem Gemahle mit der Rache ihres
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/140>, abgerufen am 16.02.2025.
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