Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.liberale Spitzbubenschule steht Ihnen zu jeder Zeit Es wird jetzt von sämmtlichen Regierungen ein liberale Spitzbubenſchule ſteht Ihnen zu jeder Zeit Es wird jetzt von ſämmtlichen Regierungen ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0122" n="110"/> liberale Spitzbubenſchule ſteht Ihnen zu jeder Zeit<lb/> offen.</p><lb/> <p>Es wird jetzt von ſämmtlichen Regierungen ein<lb/> allgemeines Europäiſches Treibjagen auf die ehrlichen<lb/> Leute gehalten, und ein edles Thier weiß gar nicht<lb/> mehr, wo es ſich vor all den Hunden und Jägern<lb/> verſtecken ſoll. Sehen Sie, wenn ein Thor einmal<lb/> von einem Weiſen etwas lernt, ein unwiſſender Menſch<lb/> aus einem guten Buche eine Lehre zieht: können<lb/> Sie ſich darauf verlaſſen, daß es gerade eine Thor¬<lb/> heit und etwas Falſches ſein wird, was ſie ſich an¬<lb/> eignen. Vor vielen Jahren hat Montesqieu in ſei¬<lb/> nem berühmten Werke: <hi rendition="#g">von dem Geiſte der Ge¬<lb/> ſetze</hi>, den Grundſatz aufgeſtellt: <hi rendition="#g">Die Tugend ſei<lb/> das Prinzip der Republiken</hi>, <hi rendition="#g">wie die Ehre<lb/> das der Monarchie</hi>. Die ganze Weltgeſchichte<lb/> ſpricht dagegen. Doch glaubte man es wie ein<lb/> Evangelium. Nun war in früherer Zeit von repu¬<lb/> blikaniſchen Geſinnungen in Europa nichts zu ſpüren;<lb/> die Tugend, wo ſie ſich zeigte, flößte alſo keine Be¬<lb/> ſorgniſſe ein und die Fürſten trugen kein Bedenken<lb/> einem ehrlichen Manne ein wichtiges Staatsamt an¬<lb/> zuvertrauen. Jetzt aber, da ſich die republikaniſchen<lb/> Neigungen täglich ſtärker ausſprechen, erinnert man<lb/> ſich, daß die Tugend ihre einzige Nahrung ſei, und<lb/> man ſucht die ehrlichen Leute wie die Wölfe auszu¬<lb/> rotten. Auch werden die Staatswälder täglich ſiche¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0122]
liberale Spitzbubenſchule ſteht Ihnen zu jeder Zeit
offen.
Es wird jetzt von ſämmtlichen Regierungen ein
allgemeines Europäiſches Treibjagen auf die ehrlichen
Leute gehalten, und ein edles Thier weiß gar nicht
mehr, wo es ſich vor all den Hunden und Jägern
verſtecken ſoll. Sehen Sie, wenn ein Thor einmal
von einem Weiſen etwas lernt, ein unwiſſender Menſch
aus einem guten Buche eine Lehre zieht: können
Sie ſich darauf verlaſſen, daß es gerade eine Thor¬
heit und etwas Falſches ſein wird, was ſie ſich an¬
eignen. Vor vielen Jahren hat Montesqieu in ſei¬
nem berühmten Werke: von dem Geiſte der Ge¬
ſetze, den Grundſatz aufgeſtellt: Die Tugend ſei
das Prinzip der Republiken, wie die Ehre
das der Monarchie. Die ganze Weltgeſchichte
ſpricht dagegen. Doch glaubte man es wie ein
Evangelium. Nun war in früherer Zeit von repu¬
blikaniſchen Geſinnungen in Europa nichts zu ſpüren;
die Tugend, wo ſie ſich zeigte, flößte alſo keine Be¬
ſorgniſſe ein und die Fürſten trugen kein Bedenken
einem ehrlichen Manne ein wichtiges Staatsamt an¬
zuvertrauen. Jetzt aber, da ſich die republikaniſchen
Neigungen täglich ſtärker ausſprechen, erinnert man
ſich, daß die Tugend ihre einzige Nahrung ſei, und
man ſucht die ehrlichen Leute wie die Wölfe auszu¬
rotten. Auch werden die Staatswälder täglich ſiche¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |