der Liberalismus und die Republikanische Verhaftung die Menschen nicht besser macht, was wird dabei ge¬ wonnen? Darauf erwidere ich Ihnen; der Repu¬ blikanismus macht die Menschen nicht besser aber den Menschen. Der Egoismus in einer republika¬ nischen Sphäre, ist weder so breit im Raume, noch so lang in der Zeit, als der Egoismus in einer mo¬ narchischen Sphäre. Nicht so breit -- durch Kor¬ porations-Geist; nicht so lang -- durch Erb¬ lichkeit. Er beginnt und endet mit dem Leben, und tritt nicht über den Kreis der Familie hinaus. In¬ dividuel wie er ist, hat er nicht Raum genug unge¬ heuer, nicht Zeit genug trostlos zu werden für die bürgerliche Gesellschaft. Die Person hat die Verantwortlichkeit aller ihrer Handlungen auf sich allein zu nehmen, und dieses Gefühl wird auch der lasterhaftesten Natur Schranken setzen. Aber der Adel hat kein Gewissen; denn er theilt die Schuld mit den Tausenden seines Standes. Aber der schlechteste Fürst kann sich gerecht dünken; denn er betrachtet sich als einen treuen Verwalter, der ein Gut, das ihm von seinen Vorfahren anvertraut worden, ungeschmälert seinen Nachkommen überliefern will. Ich werde Ihnen das ein andersmal, deutlicher und umständlicher auseinander setzen. Wenn Sie wißbegierig sind erinnern Sie mich daran; meine
der Liberalismus und die Republikaniſche Verhaftung die Menſchen nicht beſſer macht, was wird dabei ge¬ wonnen? Darauf erwidere ich Ihnen; der Repu¬ blikanismus macht die Menſchen nicht beſſer aber den Menſchen. Der Egoismus in einer republika¬ niſchen Sphäre, iſt weder ſo breit im Raume, noch ſo lang in der Zeit, als der Egoismus in einer mo¬ narchiſchen Sphäre. Nicht ſo breit — durch Kor¬ porations-Geiſt; nicht ſo lang — durch Erb¬ lichkeit. Er beginnt und endet mit dem Leben, und tritt nicht über den Kreis der Familie hinaus. In¬ dividuel wie er iſt, hat er nicht Raum genug unge¬ heuer, nicht Zeit genug troſtlos zu werden für die bürgerliche Geſellſchaft. Die Perſon hat die Verantwortlichkeit aller ihrer Handlungen auf ſich allein zu nehmen, und dieſes Gefühl wird auch der laſterhafteſten Natur Schranken ſetzen. Aber der Adel hat kein Gewiſſen; denn er theilt die Schuld mit den Tauſenden ſeines Standes. Aber der ſchlechteſte Fürſt kann ſich gerecht dünken; denn er betrachtet ſich als einen treuen Verwalter, der ein Gut, das ihm von ſeinen Vorfahren anvertraut worden, ungeſchmälert ſeinen Nachkommen überliefern will. Ich werde Ihnen das ein andersmal, deutlicher und umſtändlicher auseinander ſetzen. Wenn Sie wißbegierig ſind erinnern Sie mich daran; meine
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der Liberalismus und die Republikaniſche Verhaftung
die Menſchen nicht beſſer macht, was wird dabei ge¬
wonnen? Darauf erwidere ich Ihnen; der Repu¬
blikanismus macht die Menſchen nicht beſſer aber
den Menſchen. Der Egoismus in einer republika¬
niſchen Sphäre, iſt weder ſo breit im Raume, noch
ſo lang in der Zeit, als der Egoismus in einer mo¬
narchiſchen Sphäre. Nicht ſo breit — durch Kor¬
porations-Geiſt; nicht ſo lang — durch Erb¬
lichkeit. Er beginnt und endet mit dem Leben, und
tritt nicht über den Kreis der Familie hinaus. In¬
dividuel wie er iſt, hat er nicht Raum genug unge¬
heuer, nicht Zeit genug troſtlos zu werden für die
bürgerliche Geſellſchaft. Die Perſon hat die
Verantwortlichkeit aller ihrer Handlungen auf ſich
allein zu nehmen, und dieſes Gefühl wird auch der
laſterhafteſten Natur Schranken ſetzen. Aber der Adel
hat kein Gewiſſen; denn er theilt die Schuld mit
den Tauſenden ſeines Standes. Aber der ſchlechteſte
Fürſt kann ſich gerecht dünken; denn er betrachtet
ſich als einen treuen Verwalter, der ein Gut,
das ihm von ſeinen Vorfahren anvertraut worden,
ungeſchmälert ſeinen Nachkommen überliefern will.
Ich werde Ihnen das ein andersmal, deutlicher
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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