Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.man über den Spaß den Ernst vergessen wird. Ich man über den Spaß den Ernſt vergeſſen wird. Ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0078" n="66"/> man über den Spaß den Ernſt vergeſſen wird. Ich<lb/> habe es immer geſagt: wenn zweihundert Bürger<lb/> zuſammenhalten in gerechten Dingen, ſind ſie unbe¬<lb/> ſiegbar. Aber zuſammenhalten auf die rechte Art.<lb/> Nicht wie ein langer Faden — er ſey noch ſo lang,<lb/> das macht ihn nicht ſtärker, ein Kind zerreißt ihn<lb/> — ſondern wie ein Knäul. Und nicht zuſammenge¬<lb/> halten in ſeltenen und großen Dingen — zu ſeltenen<lb/> und großen Dingen finden ſich ſeltene und große<lb/> Menſchen, die das allein vollbringen — ſondern in<lb/> kleinen Dingen, die alltäglich wiederkehren. Um zu<lb/> lernen wie man die Freiheit erwerbe und behaupte,<lb/> beobachte man, wie die Tyrannei ihre Macht erlangt<lb/> und erhält. Wodurch? Man glaubt gewöhnlich<lb/> durch die bewaffnete Macht, durch phyſiſche Gewalt;<lb/> es iſt aber Täuſchung. Wo noch ſo despotiſch, wird<lb/> durch eine ſittliche Gewalt regiert. Wodurch wird<lb/> eine bewaffnete Macht zuſammengebracht, zuſammen¬<lb/> gehalten? Durch <choice><sic>maraliſche</sic><corr>moraliſche</corr></choice> Einflüſſe, Furcht, Eigen¬<lb/> nutz, Ehre, Gemeingeiſt. Alle dieſe Hülfsmittel der<lb/> Tyrannei ſtehen der Freiheit auch zu Gebote. Und<lb/> wie ſelten wird die bewaffnete Macht gebraucht, und<lb/> wo es geſchieht, da iſt es ſchon ein Kampf auf Le¬<lb/> ben und Tod zwiſchen der Tyrannei und der Freiheit.<lb/> Eine Patrouille, womit man eine große Verſammlung<lb/> Bürger aus einander treibt, iſt keine phyſiſche, ſon¬<lb/> dern eine moraliſche Gewalt, denn ſie iſt nur ein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0078]
man über den Spaß den Ernſt vergeſſen wird. Ich
habe es immer geſagt: wenn zweihundert Bürger
zuſammenhalten in gerechten Dingen, ſind ſie unbe¬
ſiegbar. Aber zuſammenhalten auf die rechte Art.
Nicht wie ein langer Faden — er ſey noch ſo lang,
das macht ihn nicht ſtärker, ein Kind zerreißt ihn
— ſondern wie ein Knäul. Und nicht zuſammenge¬
halten in ſeltenen und großen Dingen — zu ſeltenen
und großen Dingen finden ſich ſeltene und große
Menſchen, die das allein vollbringen — ſondern in
kleinen Dingen, die alltäglich wiederkehren. Um zu
lernen wie man die Freiheit erwerbe und behaupte,
beobachte man, wie die Tyrannei ihre Macht erlangt
und erhält. Wodurch? Man glaubt gewöhnlich
durch die bewaffnete Macht, durch phyſiſche Gewalt;
es iſt aber Täuſchung. Wo noch ſo despotiſch, wird
durch eine ſittliche Gewalt regiert. Wodurch wird
eine bewaffnete Macht zuſammengebracht, zuſammen¬
gehalten? Durch moraliſche Einflüſſe, Furcht, Eigen¬
nutz, Ehre, Gemeingeiſt. Alle dieſe Hülfsmittel der
Tyrannei ſtehen der Freiheit auch zu Gebote. Und
wie ſelten wird die bewaffnete Macht gebraucht, und
wo es geſchieht, da iſt es ſchon ein Kampf auf Le¬
ben und Tod zwiſchen der Tyrannei und der Freiheit.
Eine Patrouille, womit man eine große Verſammlung
Bürger aus einander treibt, iſt keine phyſiſche, ſon¬
dern eine moraliſche Gewalt, denn ſie iſt nur ein
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