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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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"großen welthistorischen Akte Rache zu neh¬
"men für den Druck und die Schmach, den
"das Volk, dem sie ihren Ursprung nach an¬
"gehören, Jahrhunderte lang von dem uns¬
"rigen erduldet."

O Herr Jarke, das ist zu arg! Und als Sie
dieses schrieben, waren Sie noch nicht österreichischer
Rath, sondern nichts weiter als das preußische Ge¬
gentheil -- wie werden Sie nicht erst rasen, wenn
Sie in der wiener Staatskanzlei sitzen? Daß Sie
uns die Ruchlosigkeit vorwerfen, wir wollen das deut¬
sche Volk unglücklich machen, weil es uns selbst un¬
glücklich gemacht -- das verzeihen wir dem Crimi¬
nalisten und seiner schönen Imputations-Theorie.
Daß Sie uns die Klugheit zutrauen, unter dem
Scheine der Liebe unsere Feinde zu verderben -- da¬
für müssen wir uns bei dem Jesuiten bedanken, der
uns dadurch zu loben glaubte. Aber daß Sie uns
für so dumm halten, wir würden eine Taube in der
Hand für eine Lerche auf dem Dache fliegen lassen
-- dafür müssen Sie uns Rede stehen, Herr Jarke.
Wie! Wenn wir das deutsche Volk haßten, würden
wir mit aller unserer Kraft dafür streiten, es von
der schmachvollsten Erniedrigung in der es versunken,
es von der bleiernen Tyrannei die auf ihm lastet,
es von dem Uebermuthe seiner Aristokraten, dem
Hochmuthe seiner Fürsten, von dem Spotte aller

großen welthiſtoriſchen Akte Rache zu neh¬
men für den Druck und die Schmach, den
das Volk, dem ſie ihren Urſprung nach an¬
gehören, Jahrhunderte lang von dem unſ¬
rigen erduldet.“

O Herr Jarke, das iſt zu arg! Und als Sie
dieſes ſchrieben, waren Sie noch nicht öſterreichiſcher
Rath, ſondern nichts weiter als das preußiſche Ge¬
gentheil — wie werden Sie nicht erſt raſen, wenn
Sie in der wiener Staatskanzlei ſitzen? Daß Sie
uns die Ruchloſigkeit vorwerfen, wir wollen das deut¬
ſche Volk unglücklich machen, weil es uns ſelbſt un¬
glücklich gemacht — das verzeihen wir dem Crimi¬
naliſten und ſeiner ſchönen Imputations-Theorie.
Daß Sie uns die Klugheit zutrauen, unter dem
Scheine der Liebe unſere Feinde zu verderben — da¬
für müſſen wir uns bei dem Jeſuiten bedanken, der
uns dadurch zu loben glaubte. Aber daß Sie uns
für ſo dumm halten, wir würden eine Taube in der
Hand für eine Lerche auf dem Dache fliegen laſſen
— dafür müſſen Sie uns Rede ſtehen, Herr Jarke.
Wie! Wenn wir das deutſche Volk haßten, würden
wir mit aller unſerer Kraft dafür ſtreiten, es von
der ſchmachvollſten Erniedrigung in der es verſunken,
es von der bleiernen Tyrannei die auf ihm laſtet,
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[50/0062] „großen welthiſtoriſchen Akte Rache zu neh¬ „men für den Druck und die Schmach, den „das Volk, dem ſie ihren Urſprung nach an¬ „gehören, Jahrhunderte lang von dem unſ¬ „rigen erduldet.“ O Herr Jarke, das iſt zu arg! Und als Sie dieſes ſchrieben, waren Sie noch nicht öſterreichiſcher Rath, ſondern nichts weiter als das preußiſche Ge¬ gentheil — wie werden Sie nicht erſt raſen, wenn Sie in der wiener Staatskanzlei ſitzen? Daß Sie uns die Ruchloſigkeit vorwerfen, wir wollen das deut¬ ſche Volk unglücklich machen, weil es uns ſelbſt un¬ glücklich gemacht — das verzeihen wir dem Crimi¬ naliſten und ſeiner ſchönen Imputations-Theorie. Daß Sie uns die Klugheit zutrauen, unter dem Scheine der Liebe unſere Feinde zu verderben — da¬ für müſſen wir uns bei dem Jeſuiten bedanken, der uns dadurch zu loben glaubte. Aber daß Sie uns für ſo dumm halten, wir würden eine Taube in der Hand für eine Lerche auf dem Dache fliegen laſſen — dafür müſſen Sie uns Rede ſtehen, Herr Jarke. Wie! Wenn wir das deutſche Volk haßten, würden wir mit aller unſerer Kraft dafür ſtreiten, es von der ſchmachvollſten Erniedrigung in der es verſunken, es von der bleiernen Tyrannei die auf ihm laſtet, es von dem Uebermuthe ſeiner Ariſtokraten, dem Hochmuthe ſeiner Fürſten, von dem Spotte aller

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/62>, abgerufen am 28.11.2024.