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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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da, und habe ich nicht recht, daß ich nach meinem
Kopfe fühle? Notre-Dame de Blaye, nennt
Chateaubriand die Herzogin und erzählt von den
Wallfahrten, die fromme Gläubige in großen Schaa¬
ren dahin machten. Er sagt: "man wirft mir vor,
"daß ich eine Familie dem Vaterlande vorziehe.
"Nein; ich ziehe die Treue des Eides, dem Mein¬
"eide, die moralische Welt der materiellen Gesellschaft
"vor. Das ists." Freilich ist es das, nach der
Lehre der Monarchisten. Der Räuber nachdem er
sein Handgeld empfangen und dem Hauptmanne
Treue geschworen, darf plündern und morden; denn
Treue ist heiliger denn das körperliche Wohlbehagen
der Wanderer!

Chateaubriand meint: nur die Legitimität gäbe
einer Regierung und der bürgerlichen Ordnung Dauer¬
haftigkeit. Aber wäre dies auch, wie es nicht ist,
was würde das beweisen? Nicht die Dauerhaftig¬
keit, der Vollgenuß ist die Bestimmung jedes Daseins.
Es kömmt nicht darauf an lange, sondern viel zu
leben. Nichts ist dauerhafter als ein Stein, aber die
Pflanze, das Thier vergehen schnell. Wenn die Oe¬
sterreichische Monarchie noch zehen Tausend Jahre
lebte und der Nordamerikanische Freistaat endigte
morgen, in seinem fünfzigsten Jahre, wäre darum
Oesterreich ein besserer, ein glücklicherer Staat als
Nordamerika gewesen? Napoleon sagte auf St. He¬

da, und habe ich nicht recht, daß ich nach meinem
Kopfe fühle? Notre-Dame de Blaye, nennt
Chateaubriand die Herzogin und erzählt von den
Wallfahrten, die fromme Gläubige in großen Schaa¬
ren dahin machten. Er ſagt: „man wirft mir vor,
„daß ich eine Familie dem Vaterlande vorziehe.
„Nein; ich ziehe die Treue des Eides, dem Mein¬
„eide, die moraliſche Welt der materiellen Geſellſchaft
„vor. Das iſts.“ Freilich iſt es das, nach der
Lehre der Monarchiſten. Der Räuber nachdem er
ſein Handgeld empfangen und dem Hauptmanne
Treue geſchworen, darf plündern und morden; denn
Treue iſt heiliger denn das körperliche Wohlbehagen
der Wanderer!

Chateaubriand meint: nur die Legitimität gäbe
einer Regierung und der bürgerlichen Ordnung Dauer¬
haftigkeit. Aber wäre dies auch, wie es nicht iſt,
was würde das beweiſen? Nicht die Dauerhaftig¬
keit, der Vollgenuß iſt die Beſtimmung jedes Daſeins.
Es kömmt nicht darauf an lange, ſondern viel zu
leben. Nichts iſt dauerhafter als ein Stein, aber die
Pflanze, das Thier vergehen ſchnell. Wenn die Oe¬
ſterreichiſche Monarchie noch zehen Tauſend Jahre
lebte und der Nordamerikaniſche Freiſtaat endigte
morgen, in ſeinem fünfzigſten Jahre, wäre darum
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[182/0194] da, und habe ich nicht recht, daß ich nach meinem Kopfe fühle? Notre-Dame de Blaye, nennt Chateaubriand die Herzogin und erzählt von den Wallfahrten, die fromme Gläubige in großen Schaa¬ ren dahin machten. Er ſagt: „man wirft mir vor, „daß ich eine Familie dem Vaterlande vorziehe. „Nein; ich ziehe die Treue des Eides, dem Mein¬ „eide, die moraliſche Welt der materiellen Geſellſchaft „vor. Das iſts.“ Freilich iſt es das, nach der Lehre der Monarchiſten. Der Räuber nachdem er ſein Handgeld empfangen und dem Hauptmanne Treue geſchworen, darf plündern und morden; denn Treue iſt heiliger denn das körperliche Wohlbehagen der Wanderer! Chateaubriand meint: nur die Legitimität gäbe einer Regierung und der bürgerlichen Ordnung Dauer¬ haftigkeit. Aber wäre dies auch, wie es nicht iſt, was würde das beweiſen? Nicht die Dauerhaftig¬ keit, der Vollgenuß iſt die Beſtimmung jedes Daſeins. Es kömmt nicht darauf an lange, ſondern viel zu leben. Nichts iſt dauerhafter als ein Stein, aber die Pflanze, das Thier vergehen ſchnell. Wenn die Oe¬ ſterreichiſche Monarchie noch zehen Tauſend Jahre lebte und der Nordamerikaniſche Freiſtaat endigte morgen, in ſeinem fünfzigſten Jahre, wäre darum Oeſterreich ein beſſerer, ein glücklicherer Staat als Nordamerika geweſen? Napoleon ſagte auf St. He¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/194>, abgerufen am 25.11.2024.