Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.Montag, den 7. Januar. Von Chateaubriand ist eine neue Schrift erschie¬ Als Chateaubriand von der Gefangenschaft der Montag, den 7. Januar. Von Chateaubriand iſt eine neue Schrift erſchie¬ Als Chateaubriand von der Gefangenſchaft der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <pb facs="#f0192" n="180"/> <div> <dateline rendition="#right">Montag, den 7. Januar.</dateline><lb/> <p>Von Chateaubriand iſt eine neue Schrift erſchie¬<lb/> nen: <hi rendition="#aq #g">Mémoire sur la captivité de la de Madame<lb/> la Duchesse de Berry</hi>. Sie ſollen ſich aus<lb/> Freundſchaft für mich etwas darüber freuen; denn<lb/> dieſer gute Mann nimmt mir jeden Winter die<lb/> Hälfte meines Zornes ab. So oft er erſcheint, gehe<lb/> ich in mein Zelt und laſſe ihn kämpfen. Freilich<lb/> muß ich dieſe Hülfe mit melancholiſchen Gedanken<lb/> bezahlen. Wenn ich ſehe, wie ein ſo geiſtreicher und<lb/> edler Menſch von der Legitimität faſelt, greife ich<lb/> nach meinem Kopfe und rufe betrübt aus: Auch<lb/> Chateaubriand hat den Verſtand verloren und war<lb/> doch mehr als du! Die <hi rendition="#g">Legitimität</hi>, dieſe Hoff¬<lb/> nungsloſigkeit des Unglücks, dieſe Erblichkeit der tief¬<lb/> ſten menſchlichen Erniedrigung — das vertheidigen,<lb/> das preiſen! O Wahnſinn!</p><lb/> <p>Als Chateaubriand von der Gefangenſchaft der<lb/> Herzogin erfuhr, eilte er aus der Schweiz nach Pa¬<lb/> ris, und bot ſich ihr in einem Schreiben zu ihrem<lb/> Sachwalter an. Aber die Miniſter erlaubten weder<lb/> ihm noch ſeinen Briefen den Einlaß in Blaye.<lb/> Schon dreimal ſeit der Revolution hat Chateaubriand<lb/> von der Welt Abſchied genommen und ſich in die Ein¬<lb/> ſamkeit begeben, und dreimal ſchon kehrte er zurück.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0192]
Montag, den 7. Januar.
Von Chateaubriand iſt eine neue Schrift erſchie¬
nen: Mémoire sur la captivité de la de Madame
la Duchesse de Berry. Sie ſollen ſich aus
Freundſchaft für mich etwas darüber freuen; denn
dieſer gute Mann nimmt mir jeden Winter die
Hälfte meines Zornes ab. So oft er erſcheint, gehe
ich in mein Zelt und laſſe ihn kämpfen. Freilich
muß ich dieſe Hülfe mit melancholiſchen Gedanken
bezahlen. Wenn ich ſehe, wie ein ſo geiſtreicher und
edler Menſch von der Legitimität faſelt, greife ich
nach meinem Kopfe und rufe betrübt aus: Auch
Chateaubriand hat den Verſtand verloren und war
doch mehr als du! Die Legitimität, dieſe Hoff¬
nungsloſigkeit des Unglücks, dieſe Erblichkeit der tief¬
ſten menſchlichen Erniedrigung — das vertheidigen,
das preiſen! O Wahnſinn!
Als Chateaubriand von der Gefangenſchaft der
Herzogin erfuhr, eilte er aus der Schweiz nach Pa¬
ris, und bot ſich ihr in einem Schreiben zu ihrem
Sachwalter an. Aber die Miniſter erlaubten weder
ihm noch ſeinen Briefen den Einlaß in Blaye.
Schon dreimal ſeit der Revolution hat Chateaubriand
von der Welt Abſchied genommen und ſich in die Ein¬
ſamkeit begeben, und dreimal ſchon kehrte er zurück.
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