Nur folgende kurze Stelle: "Es kann dem Kenner¬ "auge nicht entgehen, daß der Teufel sich nur durch "seine Klugheit hält. Der Teufel selbst verstellt sich "in einen Engel des Lichts. So sagt der Apostel. "Dem Schlechten stehen viel mehr Waffen zu Gebote, "als dem Edlen. Dieser muß zur Erreichung seines "Zweckes sich selbst einsetzen. Jener setzt Andere ein. "Jede Geburt hat ihre Wochen. Wenn nur das "Kind beim Leben bleibt und zu einem großen kräf¬ "tigen Manne heranwächst. Unsere Zeit leidet an "einem ungebührlichen Heishunger. Macht sie es "doch wie Saturn und verzehrt die eignen Kinder. "Wenn sie nicht mäßiger wird, wird sie sich den "Magen überladen," Sancho Pansa hat nicht mehr Sprichwörter und nicht mehr Punkte; und so geht es in einem fort. Dann fand ich so schön, daß Pitt¬ schaft und der Schatten Robert Beide in Baden woh¬ nen, und ich konnte mir so herrlich ausmalen, wie der Medizinalrath, der im Winter keine Kranke hat, und Robert der in keiner Jahreszeit Leser hat, sich gegenseitig in diesen langen Ferien mit einem Kran¬ ken und einem Leser ausgeholfen, und wie sie beide auf dem Berge und auf dem Sopha einander gegen¬ über saßen, und Robert dem Medizinalrathe seine verstorbenen Briefe vorgelesen, und dabei vor und nach jedem Komma einen prüfenden Blick auf ihn ge¬ worfen, um zu untersuchen, ob er nicht außer sich
Nur folgende kurze Stelle: „Es kann dem Kenner¬ „auge nicht entgehen, daß der Teufel ſich nur durch „ſeine Klugheit hält. Der Teufel ſelbſt verſtellt ſich „in einen Engel des Lichts. So ſagt der Apoſtel. „Dem Schlechten ſtehen viel mehr Waffen zu Gebote, „als dem Edlen. Dieſer muß zur Erreichung ſeines „Zweckes ſich ſelbſt einſetzen. Jener ſetzt Andere ein. „Jede Geburt hat ihre Wochen. Wenn nur das „Kind beim Leben bleibt und zu einem großen kräf¬ „tigen Manne heranwächſt. Unſere Zeit leidet an „einem ungebührlichen Heishunger. Macht ſie es „doch wie Saturn und verzehrt die eignen Kinder. „Wenn ſie nicht mäßiger wird, wird ſie ſich den „Magen überladen,“ Sancho Panſa hat nicht mehr Sprichwörter und nicht mehr Punkte; und ſo geht es in einem fort. Dann fand ich ſo ſchön, daß Pitt¬ ſchaft und der Schatten Robert Beide in Baden woh¬ nen, und ich konnte mir ſo herrlich ausmalen, wie der Medizinalrath, der im Winter keine Kranke hat, und Robert der in keiner Jahreszeit Leſer hat, ſich gegenſeitig in dieſen langen Ferien mit einem Kran¬ ken und einem Leſer ausgeholfen, und wie ſie beide auf dem Berge und auf dem Sopha einander gegen¬ über ſaßen, und Robert dem Medizinalrathe ſeine verſtorbenen Briefe vorgeleſen, und dabei vor und nach jedem Komma einen prüfenden Blick auf ihn ge¬ worfen, um zu unterſuchen, ob er nicht außer ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0080"n="66"/><p>Nur folgende kurze Stelle: „Es kann dem Kenner¬<lb/>„auge nicht entgehen, daß der Teufel ſich nur durch<lb/>„ſeine Klugheit hält. Der Teufel ſelbſt verſtellt ſich<lb/>„in einen Engel des Lichts. So ſagt der Apoſtel.<lb/>„Dem Schlechten ſtehen viel mehr Waffen zu Gebote,<lb/>„als dem Edlen. Dieſer muß zur Erreichung ſeines<lb/>„Zweckes ſich ſelbſt einſetzen. Jener ſetzt Andere ein.<lb/>„Jede Geburt hat ihre Wochen. Wenn nur das<lb/>„Kind beim Leben bleibt und zu einem großen kräf¬<lb/>„tigen Manne heranwächſt. Unſere Zeit leidet an<lb/>„einem ungebührlichen Heishunger. Macht ſie es<lb/>„doch wie Saturn und verzehrt die eignen Kinder.<lb/>„Wenn ſie nicht mäßiger wird, wird ſie ſich den<lb/>„Magen überladen,“ Sancho Panſa hat nicht mehr<lb/>
Sprichwörter und nicht mehr Punkte; und ſo geht<lb/>
es in einem fort. Dann fand ich ſo ſchön, daß Pitt¬<lb/>ſchaft und der Schatten Robert Beide in Baden woh¬<lb/>
nen, und ich konnte mir ſo herrlich ausmalen, wie<lb/>
der Medizinalrath, der im Winter keine Kranke hat,<lb/>
und Robert der in keiner Jahreszeit Leſer hat, ſich<lb/>
gegenſeitig in dieſen langen Ferien mit einem Kran¬<lb/>
ken und einem Leſer ausgeholfen, und wie ſie beide<lb/>
auf dem Berge und auf dem Sopha einander gegen¬<lb/>
über ſaßen, und Robert dem Medizinalrathe ſeine<lb/>
verſtorbenen Briefe vorgeleſen, und dabei vor und<lb/>
nach jedem Komma einen prüfenden Blick auf ihn ge¬<lb/>
worfen, um zu unterſuchen, ob er nicht außer ſich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[66/0080]
Nur folgende kurze Stelle: „Es kann dem Kenner¬
„auge nicht entgehen, daß der Teufel ſich nur durch
„ſeine Klugheit hält. Der Teufel ſelbſt verſtellt ſich
„in einen Engel des Lichts. So ſagt der Apoſtel.
„Dem Schlechten ſtehen viel mehr Waffen zu Gebote,
„als dem Edlen. Dieſer muß zur Erreichung ſeines
„Zweckes ſich ſelbſt einſetzen. Jener ſetzt Andere ein.
„Jede Geburt hat ihre Wochen. Wenn nur das
„Kind beim Leben bleibt und zu einem großen kräf¬
„tigen Manne heranwächſt. Unſere Zeit leidet an
„einem ungebührlichen Heishunger. Macht ſie es
„doch wie Saturn und verzehrt die eignen Kinder.
„Wenn ſie nicht mäßiger wird, wird ſie ſich den
„Magen überladen,“ Sancho Panſa hat nicht mehr
Sprichwörter und nicht mehr Punkte; und ſo geht
es in einem fort. Dann fand ich ſo ſchön, daß Pitt¬
ſchaft und der Schatten Robert Beide in Baden woh¬
nen, und ich konnte mir ſo herrlich ausmalen, wie
der Medizinalrath, der im Winter keine Kranke hat,
und Robert der in keiner Jahreszeit Leſer hat, ſich
gegenſeitig in dieſen langen Ferien mit einem Kran¬
ken und einem Leſer ausgeholfen, und wie ſie beide
auf dem Berge und auf dem Sopha einander gegen¬
über ſaßen, und Robert dem Medizinalrathe ſeine
verſtorbenen Briefe vorgeleſen, und dabei vor und
nach jedem Komma einen prüfenden Blick auf ihn ge¬
worfen, um zu unterſuchen, ob er nicht außer ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/80>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.