herab. Und wäre das nicht genug? Die ungeheu¬ ren Summen, die der König von Baiern verschwen¬ det, seinen Wohnort zum neuen Athen zu machen, könnten erspart werden: München war die Stadt der Nachteule, schon ehe es Statüen und Gemählde besaß. Ist es nicht ein herzzerreißender Jammer, daß der arme Häusler im Spessart, der sich glück¬ lich schätzt, wenn ihm nur drei Tage in der Woche die Kartoffeln mangeln, den Schweiß seiner Hände versilbern muß, damit in einer sechzig Stunden ent¬ fernten Stadt, die er nie gesehen, wohin er nie kom¬ men wird, eine Klypthothek, eine Pinothek, ein Odeon -- Dinge, deren Namen er nicht einmal kennt -- die eitle Ruhmsucht eines Königs befriedige? Und dieser kunstliebende König, der Zögling des alten freien Griechenlands, der Nacheiferer eines Perikles, hat den Stellvertretern des baierischen Volks sagen lassen: Er würde sie auseinander treiben, wenn sie sich unterständen, ihm noch so wenig von seiner Civilliste zu streichen! Und er hat später seiner Adelskammer kund gethan, er wolle sich mit drei Millionen begnügen! und die Minister dieses Königs haben in öffentlicher Sitzung der Kammer zu verstehen gegeben: ihr Herr würde der Kammer manche Forderung bewilligen, wenn sie sich gegen die Civilliste billig zeigten! Sie -- Königin der Unglücklichen, wenn diese sich je ihren Herrscher
herab. Und wäre das nicht genug? Die ungeheu¬ ren Summen, die der König von Baiern verſchwen¬ det, ſeinen Wohnort zum neuen Athen zu machen, könnten erſpart werden: München war die Stadt der Nachteule, ſchon ehe es Statüen und Gemählde beſaß. Iſt es nicht ein herzzerreißender Jammer, daß der arme Häusler im Speſſart, der ſich glück¬ lich ſchätzt, wenn ihm nur drei Tage in der Woche die Kartoffeln mangeln, den Schweiß ſeiner Hände verſilbern muß, damit in einer ſechzig Stunden ent¬ fernten Stadt, die er nie geſehen, wohin er nie kom¬ men wird, eine Klypthothek, eine Pinothek, ein Odeon — Dinge, deren Namen er nicht einmal kennt — die eitle Ruhmſucht eines Königs befriedige? Und dieſer kunſtliebende König, der Zögling des alten freien Griechenlands, der Nacheiferer eines Perikles, hat den Stellvertretern des baieriſchen Volks ſagen laſſen: Er würde ſie auseinander treiben, wenn ſie ſich unterſtänden, ihm noch ſo wenig von ſeiner Civilliſte zu ſtreichen! Und er hat ſpäter ſeiner Adelskammer kund gethan, er wolle ſich mit drei Millionen begnügen! und die Miniſter dieſes Königs haben in öffentlicher Sitzung der Kammer zu verſtehen gegeben: ihr Herr würde der Kammer manche Forderung bewilligen, wenn ſie ſich gegen die Civilliſte billig zeigten! Sie — Königin der Unglücklichen, wenn dieſe ſich je ihren Herrſcher
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herab. Und wäre das nicht genug? Die ungeheu¬
ren Summen, die der König von Baiern verſchwen¬
det, ſeinen Wohnort zum neuen Athen zu machen,
könnten erſpart werden: München war die Stadt
der Nachteule, ſchon ehe es Statüen und Gemählde
beſaß. Iſt es nicht ein herzzerreißender Jammer,
daß der arme Häusler im Speſſart, der ſich glück¬
lich ſchätzt, wenn ihm nur drei Tage in der Woche
die Kartoffeln mangeln, den Schweiß ſeiner Hände
verſilbern muß, damit in einer ſechzig Stunden ent¬
fernten Stadt, die er nie geſehen, wohin er nie kom¬
men wird, eine Klypthothek, eine Pinothek, ein Odeon
— Dinge, deren Namen er nicht einmal kennt —
die eitle Ruhmſucht eines Königs befriedige? Und
dieſer kunſtliebende König, der Zögling des alten
freien Griechenlands, der Nacheiferer eines Perikles,
hat den Stellvertretern des baieriſchen Volks ſagen
laſſen: Er würde ſie auseinander treiben,
wenn ſie ſich unterſtänden, ihm noch ſo
wenig von ſeiner Civilliſte zu ſtreichen!
Und er hat ſpäter ſeiner Adelskammer kund gethan,
er wolle ſich mit drei Millionen begnügen! und die
Miniſter dieſes Königs haben in öffentlicher Sitzung
der Kammer zu verſtehen gegeben: ihr Herr würde
der Kammer manche Forderung bewilligen, wenn ſie
ſich gegen die Civilliſte billig zeigten! Sie — Königin
der Unglücklichen, wenn dieſe ſich je ihren Herrſcher
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/45>, abgerufen am 18.12.2024.
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