Schriften in der Revüe Germanique so vortreff¬ lich übersetzt hat, auch die Briefe französisch heraus geben wollte, würde ich mich sehr darüber freuen.
-- Wäre Herr von Raumer darum aus der preußischen Censurbande getreten, um die Schande, Mitglied derselben gewesen zu seyn, abzuwaschen -- auch dann würde ihm das nicht zur Ehre gereichen; denn sein Ruf stünde immer nur auf dem Gefrier¬ punkte der Tadellosigkeit. Aber nein, nicht aus Buße, nicht um der beleidigten Menschheit Abbitte zu thun, hat er aufgehört Censor zu seyn; sondern aus gereizter Eitelkeit, weil er sich persönlich gekränkt fühlte, daß die Censur sein Werk über Polen anzu¬ zeigen verboten, that er den angstzitternden Schritt. Ich begreife es nicht, ich werde es niemals fassen, wie ein Mann, der sich nur ein wenig selbstachtet, der nicht schaamlos seine ganze Menschenwürde von sich geworfen, um nackt wie ein Thier im warmen Stalle zu lagern, dort seinen Bauch zu füttern oder bei gutem Wetter auf der Gunst der großen Glücks¬ pächter herum zu grasen -- wie ein solcher Mann sich dazu verstehen kann, ein Censor, ein Henker zu werden -- nein, schlimmer als ein Henker, denn dieser tödtet nur die schuldig Gerichteten -- ein Meuchelmörder der Gedanken, der im Dunkeln lauert und trifft, der das Einzige, was göttlich ist am Menschen: die Freiheit des Geistes, zerstört,
Schriften in der Revüe Germanique ſo vortreff¬ lich überſetzt hat, auch die Briefe franzöſiſch heraus geben wollte, würde ich mich ſehr darüber freuen.
— Wäre Herr von Raumer darum aus der preußiſchen Cenſurbande getreten, um die Schande, Mitglied derſelben geweſen zu ſeyn, abzuwaſchen — auch dann würde ihm das nicht zur Ehre gereichen; denn ſein Ruf ſtünde immer nur auf dem Gefrier¬ punkte der Tadelloſigkeit. Aber nein, nicht aus Buße, nicht um der beleidigten Menſchheit Abbitte zu thun, hat er aufgehört Cenſor zu ſeyn; ſondern aus gereizter Eitelkeit, weil er ſich perſönlich gekränkt fühlte, daß die Cenſur ſein Werk über Polen anzu¬ zeigen verboten, that er den angſtzitternden Schritt. Ich begreife es nicht, ich werde es niemals faſſen, wie ein Mann, der ſich nur ein wenig ſelbſtachtet, der nicht ſchaamlos ſeine ganze Menſchenwürde von ſich geworfen, um nackt wie ein Thier im warmen Stalle zu lagern, dort ſeinen Bauch zu füttern oder bei gutem Wetter auf der Gunſt der großen Glücks¬ pächter herum zu graſen — wie ein ſolcher Mann ſich dazu verſtehen kann, ein Cenſor, ein Henker zu werden — nein, ſchlimmer als ein Henker, denn dieſer tödtet nur die ſchuldig Gerichteten — ein Meuchelmörder der Gedanken, der im Dunkeln lauert und trifft, der das Einzige, was göttlich iſt am Menſchen: die Freiheit des Geiſtes, zerſtört,
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Schriften in der Revüe Germanique ſo vortreff¬
lich überſetzt hat, auch die Briefe franzöſiſch heraus
geben wollte, würde ich mich ſehr darüber freuen.
— Wäre Herr von Raumer darum aus der
preußiſchen Cenſurbande getreten, um die Schande,
Mitglied derſelben geweſen zu ſeyn, abzuwaſchen —
auch dann würde ihm das nicht zur Ehre gereichen;
denn ſein Ruf ſtünde immer nur auf dem Gefrier¬
punkte der Tadelloſigkeit. Aber nein, nicht aus
Buße, nicht um der beleidigten Menſchheit Abbitte
zu thun, hat er aufgehört Cenſor zu ſeyn; ſondern
aus gereizter Eitelkeit, weil er ſich perſönlich gekränkt
fühlte, daß die Cenſur ſein Werk über Polen anzu¬
zeigen verboten, that er den angſtzitternden Schritt.
Ich begreife es nicht, ich werde es niemals faſſen,
wie ein Mann, der ſich nur ein wenig ſelbſtachtet,
der nicht ſchaamlos ſeine ganze Menſchenwürde von
ſich geworfen, um nackt wie ein Thier im warmen
Stalle zu lagern, dort ſeinen Bauch zu füttern oder
bei gutem Wetter auf der Gunſt der großen Glücks¬
pächter herum zu graſen — wie ein ſolcher Mann
ſich dazu verſtehen kann, ein Cenſor, ein Henker zu
werden — nein, ſchlimmer als ein Henker, denn
dieſer tödtet nur die ſchuldig Gerichteten — ein
Meuchelmörder der Gedanken, der im Dunkeln lauert
und trifft, der das Einzige, was göttlich iſt am
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/36>, abgerufen am 17.02.2025.
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