Staub gemacht, der Rothschild der Schneider. Als ich ihm sagte: Noch nie hätte mir ein pariser Schnei¬ der einen Ueberrock nach Wunsch gemacht und ich bäte ihn darum, die Sache mit Ernst zu bedenken, lächelte er ganz mitleidig und sagte: une maison comme la notre! Und der Mann hat Recht, stolz zu seyn. Was die Natur an mir verdorben, hat er wieder gut gemacht. Meine Taille sollten Sie sehen! -- --
Mit diesem schönen Ueberrock ausgeschmückt (und in dieser Absicht schone ich ihn und ziehe ihn sel¬ ten an), werde ich künftigen Sommer den Redakteur der Mannheimer Zeitung in Heidelberg besuchen, und werde ihm sagen: Ich bin der Verfasser der Briefe aus Paris, zu dem die Stuttgarter Hof-Zeitung ge¬ sagt hat: O, du elende Schmeisfliege! Die zwei Haupt-Redakteurs an dieser Zeitung sind der ehrliche Lindner, und geheime Hofrath Münch, von denen jeder dreitausend Gulden Gehalt bekömmt. Dafür müssen sie grob seyn. Sie aber werden weit schlechter bezahlt, und sind daher auch weit weniger grob. Indessen haben Sie von mir gesagt: Ich hasse die Fürsten, weil ich keine Hoffnung hätte, selbst ein Fürst zu werden, und haßte die Reichen, weil ich kein Geld hätte. Das eine ist dumm, und darum verzeihe ich es Ihnen; aber das andere ist gelogen. Betrachten Sie mich in diesem Rocke; sehe ich aus,
Staub gemacht, der Rothſchild der Schneider. Als ich ihm ſagte: Noch nie hätte mir ein pariſer Schnei¬ der einen Ueberrock nach Wunſch gemacht und ich bäte ihn darum, die Sache mit Ernſt zu bedenken, lächelte er ganz mitleidig und ſagte: une maison comme la nôtre! Und der Mann hat Recht, ſtolz zu ſeyn. Was die Natur an mir verdorben, hat er wieder gut gemacht. Meine Taille ſollten Sie ſehen! — —
Mit dieſem ſchönen Ueberrock ausgeſchmückt (und in dieſer Abſicht ſchone ich ihn und ziehe ihn ſel¬ ten an), werde ich künftigen Sommer den Redakteur der Mannheimer Zeitung in Heidelberg beſuchen, und werde ihm ſagen: Ich bin der Verfaſſer der Briefe aus Paris, zu dem die Stuttgarter Hof-Zeitung ge¬ ſagt hat: O, du elende Schmeisfliege! Die zwei Haupt-Redakteurs an dieſer Zeitung ſind der ehrliche Lindner, und geheime Hofrath Münch, von denen jeder dreitauſend Gulden Gehalt bekömmt. Dafür müſſen ſie grob ſeyn. Sie aber werden weit ſchlechter bezahlt, und ſind daher auch weit weniger grob. Indeſſen haben Sie von mir geſagt: Ich haſſe die Fürſten, weil ich keine Hoffnung hätte, ſelbſt ein Fürſt zu werden, und haßte die Reichen, weil ich kein Geld hätte. Das eine iſt dumm, und darum verzeihe ich es Ihnen; aber das andere iſt gelogen. Betrachten Sie mich in dieſem Rocke; ſehe ich aus,
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Staub gemacht, der Rothſchild der Schneider. Als
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der einen Ueberrock nach Wunſch gemacht und ich
bäte ihn darum, die Sache mit Ernſt zu bedenken,
lächelte er ganz mitleidig und ſagte: une maison
comme la nôtre! Und der Mann hat Recht, ſtolz
zu ſeyn. Was die Natur an mir verdorben, hat
er wieder gut gemacht. Meine Taille ſollten Sie
ſehen! — —
Mit dieſem ſchönen Ueberrock ausgeſchmückt (und
in dieſer Abſicht ſchone ich ihn und ziehe ihn ſel¬
ten an), werde ich künftigen Sommer den Redakteur
der Mannheimer Zeitung in Heidelberg beſuchen, und
werde ihm ſagen: Ich bin der Verfaſſer der Briefe
aus Paris, zu dem die Stuttgarter Hof-Zeitung ge¬
ſagt hat: O, du elende Schmeisfliege! Die
zwei Haupt-Redakteurs an dieſer Zeitung ſind der
ehrliche Lindner, und geheime Hofrath Münch, von
denen jeder dreitauſend Gulden Gehalt bekömmt.
Dafür müſſen ſie grob ſeyn. Sie aber werden weit
ſchlechter bezahlt, und ſind daher auch weit weniger
grob. Indeſſen haben Sie von mir geſagt: Ich
haſſe die Fürſten, weil ich keine Hoffnung hätte, ſelbſt
ein Fürſt zu werden, und haßte die Reichen, weil ich
kein Geld hätte. Das eine iſt dumm, und darum
verzeihe ich es Ihnen; aber das andere iſt gelogen.
Betrachten Sie mich in dieſem Rocke; ſehe ich aus,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/258>, abgerufen am 16.02.2025.
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