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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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deren Biographien geliefert werden sollen, welches
Brockhaus dem *** geschickt, wählte dieser auch
meinen Namen aus. Aber Brockhaus entzog ihm die¬
sen Artikel. Gewiß aus Furcht, er möchte als mein
guter Bekannter Gutes von mir sagen. Jetzt läßt
er sich ohne Zweifel meine Biographie von einem
Hering oder einem andern solchen Vieh schreiben.
Ich lache jetzt schon darüber. Solche Narren mey¬
nen, sie könnten einen jeden beliebigen Ruf machen.
Von der siegenden Macht der Wahrheit haben sie
gar keine Vorstellung.

Ich freue mich sehr auf Ihren nächsten Brief,
worin Sie mir ganz gewiß von dem Aufruhr in
Wisbaden erzählen werden, und von den Gefahren,
welchen dort unser Geld ausgesetzt ist. Nun was
mich angeht, so kann ich es gar nicht erwarten, bis
sie mir den letzten Kreuzer genommen. Habe ich erst
nichts, dann bin ich alles was ich habe, und das
gäbe mir frische Lebenskraft und machte mich ganz
wieder jung. Man fühlt die Leiden des armen
Volks doch nicht ganz, so lange man sie errathen
muß. Und Sie gar, ein Frauenzimmer, wie können
Sie fürchten für Ihr Geld? Möchten Sie nicht
jung bleiben bis zum Grabe? Ach! der Reichthum
macht einem alt, sehr alt. Wissen Sie, warum man
den Deputirten in Wisbaden arretirt hat, oder arre¬
tiren wollte? (Ich weiß nicht, wie weit es gekom¬

deren Biographien geliefert werden ſollen, welches
Brockhaus dem *** geſchickt, wählte dieſer auch
meinen Namen aus. Aber Brockhaus entzog ihm die¬
ſen Artikel. Gewiß aus Furcht, er möchte als mein
guter Bekannter Gutes von mir ſagen. Jetzt läßt
er ſich ohne Zweifel meine Biographie von einem
Hering oder einem andern ſolchen Vieh ſchreiben.
Ich lache jetzt ſchon darüber. Solche Narren mey¬
nen, ſie könnten einen jeden beliebigen Ruf machen.
Von der ſiegenden Macht der Wahrheit haben ſie
gar keine Vorſtellung.

Ich freue mich ſehr auf Ihren nächſten Brief,
worin Sie mir ganz gewiß von dem Aufruhr in
Wisbaden erzählen werden, und von den Gefahren,
welchen dort unſer Geld ausgeſetzt iſt. Nun was
mich angeht, ſo kann ich es gar nicht erwarten, bis
ſie mir den letzten Kreuzer genommen. Habe ich erſt
nichts, dann bin ich alles was ich habe, und das
gäbe mir friſche Lebenskraft und machte mich ganz
wieder jung. Man fühlt die Leiden des armen
Volks doch nicht ganz, ſo lange man ſie errathen
muß. Und Sie gar, ein Frauenzimmer, wie können
Sie fürchten für Ihr Geld? Möchten Sie nicht
jung bleiben bis zum Grabe? Ach! der Reichthum
macht einem alt, ſehr alt. Wiſſen Sie, warum man
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[221/0235] deren Biographien geliefert werden ſollen, welches Brockhaus dem *** geſchickt, wählte dieſer auch meinen Namen aus. Aber Brockhaus entzog ihm die¬ ſen Artikel. Gewiß aus Furcht, er möchte als mein guter Bekannter Gutes von mir ſagen. Jetzt läßt er ſich ohne Zweifel meine Biographie von einem Hering oder einem andern ſolchen Vieh ſchreiben. Ich lache jetzt ſchon darüber. Solche Narren mey¬ nen, ſie könnten einen jeden beliebigen Ruf machen. Von der ſiegenden Macht der Wahrheit haben ſie gar keine Vorſtellung. Ich freue mich ſehr auf Ihren nächſten Brief, worin Sie mir ganz gewiß von dem Aufruhr in Wisbaden erzählen werden, und von den Gefahren, welchen dort unſer Geld ausgeſetzt iſt. Nun was mich angeht, ſo kann ich es gar nicht erwarten, bis ſie mir den letzten Kreuzer genommen. Habe ich erſt nichts, dann bin ich alles was ich habe, und das gäbe mir friſche Lebenskraft und machte mich ganz wieder jung. Man fühlt die Leiden des armen Volks doch nicht ganz, ſo lange man ſie errathen muß. Und Sie gar, ein Frauenzimmer, wie können Sie fürchten für Ihr Geld? Möchten Sie nicht jung bleiben bis zum Grabe? Ach! der Reichthum macht einem alt, ſehr alt. Wiſſen Sie, warum man den Deputirten in Wisbaden arretirt hat, oder arre¬ tiren wollte? (Ich weiß nicht, wie weit es gekom¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/235>, abgerufen am 30.11.2024.