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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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machen Sie sich lustig über mich, weil von dieser Prophe¬
zeihung "gerade das Gegentheil eingetroffen."
O ich möchte mich aufknüpfen! Das da habe ich nicht
erfunden! Ich räume Ihnen ganz beschämt den er¬
sten Platz ein, Sie sind ein viel feinerer Spasvogel
als ich. Warum sind Sie nicht immer so fein?
Warum -- Sie, ein Hofzeitungs-Schreiber, ein
Dietrich zu den größten wie zu den kleinsten Kabi¬
netskasten aller Fürsten Europa's, ein Meister-Schelm,
der die Polizei selbst betrügt -- warum sind Sie zu¬
weilen so grob, daß Sie in Verdacht gerathen, ein
ehrlicher Mann zu seyn, und Ihren wohlerworbenen
Ruf gefährden? Wie konnten Sie sich nur vergessen,
"Ei, ei," zu rufen. Ei, ei -- ist das nicht die
Essenz der Dummheit? Riecht das nicht den Phi¬
lister eine Meile im Umkreise? Ich ließe mich lie¬
ber todtschlagen, ehe ich ei, ei sagte oder schriebe.
Und Sie haben, ei, ei drucken lassen -- läugnen
Sie es nicht. Um mich über die Eleusinien der deut¬
schen Höfe lustig zu machen, erzählte ich, daß der
parsamste aller Sterblichen, ein deutscher ungeadelter
jüdischer Jüngling, in gemeiner Reitertracht auf einem
Hofballe des Allerchristlichen Königs getanzt. Und
Sie bemerkten darauf: "Ei, ei, Hr. Baruch Börne,
"man sollte fast glauben, daß Ihnen doch die Zeit
"ein wenig lange wird, bis Sie sich herablassen kön¬
"nen, einer Prinzessin oder Herzogin die Hand zum

machen Sie ſich luſtig über mich, weil von dieſer Prophe¬
zeihung „gerade das Gegentheil eingetroffen.“
O ich möchte mich aufknüpfen! Das da habe ich nicht
erfunden! Ich räume Ihnen ganz beſchämt den er¬
ſten Platz ein, Sie ſind ein viel feinerer Spasvogel
als ich. Warum ſind Sie nicht immer ſo fein?
Warum — Sie, ein Hofzeitungs-Schreiber, ein
Dietrich zu den größten wie zu den kleinſten Kabi¬
netskaſten aller Fürſten Europa's, ein Meiſter-Schelm,
der die Polizei ſelbſt betrügt — warum ſind Sie zu¬
weilen ſo grob, daß Sie in Verdacht gerathen, ein
ehrlicher Mann zu ſeyn, und Ihren wohlerworbenen
Ruf gefährden? Wie konnten Sie ſich nur vergeſſen,
Ei, ei,“ zu rufen. Ei, ei — iſt das nicht die
Eſſenz der Dummheit? Riecht das nicht den Phi¬
liſter eine Meile im Umkreiſe? Ich ließe mich lie¬
ber todtſchlagen, ehe ich ei, ei ſagte oder ſchriebe.
Und Sie haben, ei, ei drucken laſſen — läugnen
Sie es nicht. Um mich über die Eleuſinien der deut¬
ſchen Höfe luſtig zu machen, erzählte ich, daß der
parſamste aller Sterblichen, ein deutſcher ungeadelter
jüdiſcher Jüngling, in gemeiner Reitertracht auf einem
Hofballe des Allerchriſtlichen Königs getanzt. Und
Sie bemerkten darauf: „Ei, ei, Hr. Baruch Börne,
„man ſollte faſt glauben, daß Ihnen doch die Zeit
„ein wenig lange wird, bis Sie ſich herablaſſen kön¬
„nen, einer Prinzeſſin oder Herzogin die Hand zum

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[202/0216] machen Sie ſich luſtig über mich, weil von dieſer Prophe¬ zeihung „gerade das Gegentheil eingetroffen.“ O ich möchte mich aufknüpfen! Das da habe ich nicht erfunden! Ich räume Ihnen ganz beſchämt den er¬ ſten Platz ein, Sie ſind ein viel feinerer Spasvogel als ich. Warum ſind Sie nicht immer ſo fein? Warum — Sie, ein Hofzeitungs-Schreiber, ein Dietrich zu den größten wie zu den kleinſten Kabi¬ netskaſten aller Fürſten Europa's, ein Meiſter-Schelm, der die Polizei ſelbſt betrügt — warum ſind Sie zu¬ weilen ſo grob, daß Sie in Verdacht gerathen, ein ehrlicher Mann zu ſeyn, und Ihren wohlerworbenen Ruf gefährden? Wie konnten Sie ſich nur vergeſſen, „Ei, ei,“ zu rufen. Ei, ei — iſt das nicht die Eſſenz der Dummheit? Riecht das nicht den Phi¬ liſter eine Meile im Umkreiſe? Ich ließe mich lie¬ ber todtſchlagen, ehe ich ei, ei ſagte oder ſchriebe. Und Sie haben, ei, ei drucken laſſen — läugnen Sie es nicht. Um mich über die Eleuſinien der deut¬ ſchen Höfe luſtig zu machen, erzählte ich, daß der parſamste aller Sterblichen, ein deutſcher ungeadelter jüdiſcher Jüngling, in gemeiner Reitertracht auf einem Hofballe des Allerchriſtlichen Königs getanzt. Und Sie bemerkten darauf: „Ei, ei, Hr. Baruch Börne, „man ſollte faſt glauben, daß Ihnen doch die Zeit „ein wenig lange wird, bis Sie ſich herablaſſen kön¬ „nen, einer Prinzeſſin oder Herzogin die Hand zum

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/216>, abgerufen am 26.11.2024.