Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

gesetzt, und die französische über sie erho¬
ben
, diese fände ich sublim! Und das müsse
"eine Verachtung bei jedem Freunde seiner
Muttersprache unter uns hervorbringen
,
die höher steigen muß, als irgend eine Scala
auszudrücken vermag
." Wo der Narr in mei¬
nen Schriften das gelesen, möchte ich wissen. O
Schulmeister!

Mascula sunt panis, piscis, civis, crinis, ignis,
funis, glis, vectis, sollis, fascis, lapis, amnis,
Sic fustis, postis, sic axis, vermis et unguis,
Et penis, collis, callis, sic sanguis et ensis.
Mugulis et mensis, pollis cum caule, canalis;
Et vomis, sentis, pulvis, sitis, cucumisque,
Anguis, item cuspis, torris, cum cassibus orbis.

So wollen wir künftig mit einander korrespondiren;
aber nur ja nicht deutsch. Sie verstehen mich nicht
und ich verstehe Sie nicht. Habe ich außer den
Schimpfwörtern, worin ich seit einigen Mona¬
ten bei dem ersten deutschen Schullehrer fleißi¬
gen Unterricht genommen, sonst ein Wort in Ihrem
Artikel verstanden, will ich kein ehrlicher Mann seyn.
Schreiben wir uns lateinisch.

-- Jetzt will ich der Stuttgarter Hofzei¬
tung
einen Besuch machen. Ich habe mich über und
über mit Kölnischem Wasser gewaschen, meine Klei¬
der gewechselt, und bin herzlich froh, daß ich von

geſetzt, und die franzöſiſche über ſie erho¬
ben
, dieſe fände ich ſublim! Und das müſſe
„eine Verachtung bei jedem Freunde ſeiner
Mutterſprache unter uns hervorbringen
,
die höher ſteigen muß, als irgend eine Scala
auszudrücken vermag
.“ Wo der Narr in mei¬
nen Schriften das geleſen, möchte ich wiſſen. O
Schulmeiſter!

Mascula sunt panis, piscis, civis, crinis, ignis,
funis, glis, vectis, ſollis, fascis, lapis, amnis,
Sic fustis, postis, sic axis, vermis et unguis,
Et penis, collis, callis, sic sanguis et ensis.
Mugulis et mensis, pollis cum caule, canalis;
Et vomis, sentis, pulvis, sitis, cucumisque,
Anguis, item cuspis, torris, cum cassibus orbis.

So wollen wir künftig mit einander korreſpondiren;
aber nur ja nicht deutſch. Sie verſtehen mich nicht
und ich verſtehe Sie nicht. Habe ich außer den
Schimpfwörtern, worin ich ſeit einigen Mona¬
ten bei dem erſten deutſchen Schullehrer fleißi¬
gen Unterricht genommen, ſonſt ein Wort in Ihrem
Artikel verſtanden, will ich kein ehrlicher Mann ſeyn.
Schreiben wir uns lateiniſch.

— Jetzt will ich der Stuttgarter Hofzei¬
tung
einen Beſuch machen. Ich habe mich über und
über mit Kölniſchem Waſſer gewaſchen, meine Klei¬
der gewechſelt, und bin herzlich froh, daß ich von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0206" n="192"/>
ge&#x017F;etzt</hi>, <hi rendition="#g">und die franzö&#x017F;i&#x017F;che über &#x017F;ie erho¬<lb/>
ben</hi>, <hi rendition="#g">die&#x017F;e fände ich &#x017F;ublim</hi>! Und das mü&#x017F;&#x017F;e<lb/><hi rendition="#g">&#x201E;eine Verachtung bei jedem Freunde &#x017F;einer<lb/>
Mutter&#x017F;prache unter uns hervorbringen</hi>,<lb/><hi rendition="#g">die höher &#x017F;teigen muß</hi>, <hi rendition="#g">als irgend eine Scala<lb/>
auszudrücken vermag</hi>.&#x201C; Wo der Narr in mei¬<lb/>
nen Schriften das gele&#x017F;en, möchte ich wi&#x017F;&#x017F;en. O<lb/>
Schulmei&#x017F;ter!</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#aq">Mascula sunt panis, piscis, civis, crinis, ignis,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">funis, glis, vectis, &#x017F;ollis, fascis, lapis, amnis,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Sic fustis, postis, sic axis, vermis et unguis,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Et penis, collis, callis, sic sanguis et ensis.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Mugulis et mensis, pollis cum caule, canalis;</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Et vomis, sentis, pulvis, sitis, cucumisque,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Anguis, item cuspis, torris, cum cassibus orbis.</hi> </l><lb/>
            </lg>
            <p>So wollen wir künftig mit einander korre&#x017F;pondiren;<lb/>
aber nur ja nicht deut&#x017F;ch. Sie ver&#x017F;tehen mich nicht<lb/>
und ich ver&#x017F;tehe Sie nicht. Habe ich außer den<lb/>
Schimpfwörtern, worin ich &#x017F;eit einigen Mona¬<lb/>
ten bei dem er&#x017F;ten deut&#x017F;chen Schullehrer fleißi¬<lb/>
gen Unterricht genommen, &#x017F;on&#x017F;t ein Wort in Ihrem<lb/>
Artikel ver&#x017F;tanden, will ich kein ehrlicher Mann &#x017F;eyn.<lb/>
Schreiben wir uns lateini&#x017F;ch.</p><lb/>
            <p>&#x2014; Jetzt will ich der <hi rendition="#g">Stuttgarter Hofzei¬<lb/>
tung</hi> einen Be&#x017F;uch machen. Ich habe mich über und<lb/>
über mit Kölni&#x017F;chem Wa&#x017F;&#x017F;er gewa&#x017F;chen, meine Klei¬<lb/>
der gewech&#x017F;elt, und bin herzlich froh, daß ich von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0206] geſetzt, und die franzöſiſche über ſie erho¬ ben, dieſe fände ich ſublim! Und das müſſe „eine Verachtung bei jedem Freunde ſeiner Mutterſprache unter uns hervorbringen, die höher ſteigen muß, als irgend eine Scala auszudrücken vermag.“ Wo der Narr in mei¬ nen Schriften das geleſen, möchte ich wiſſen. O Schulmeiſter! Mascula sunt panis, piscis, civis, crinis, ignis, funis, glis, vectis, ſollis, fascis, lapis, amnis, Sic fustis, postis, sic axis, vermis et unguis, Et penis, collis, callis, sic sanguis et ensis. Mugulis et mensis, pollis cum caule, canalis; Et vomis, sentis, pulvis, sitis, cucumisque, Anguis, item cuspis, torris, cum cassibus orbis. So wollen wir künftig mit einander korreſpondiren; aber nur ja nicht deutſch. Sie verſtehen mich nicht und ich verſtehe Sie nicht. Habe ich außer den Schimpfwörtern, worin ich ſeit einigen Mona¬ ten bei dem erſten deutſchen Schullehrer fleißi¬ gen Unterricht genommen, ſonſt ein Wort in Ihrem Artikel verſtanden, will ich kein ehrlicher Mann ſeyn. Schreiben wir uns lateiniſch. — Jetzt will ich der Stuttgarter Hofzei¬ tung einen Beſuch machen. Ich habe mich über und über mit Kölniſchem Waſſer gewaſchen, meine Klei¬ der gewechſelt, und bin herzlich froh, daß ich von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/206
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/206>, abgerufen am 27.11.2024.