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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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"geheure Abfall! Man spricht nur mit Abscheu und
"Widerwillen von ihm. Jeder möchte seine
"Hand in Unschuld waschen und nie bekannt
"mit ihm gewesen seyn. Gewiß sind die in je¬
"nen Briefen niedergelegten Ansichten durchaus ver¬
"werflich, aber eben so gewiß ist es, daß die jetzt
"hier vorherrschende persönliche Erbitte¬
"rung nicht allein aus dieser Quelle fließt.
"Theils tritt bei vielen gekränkte Eitelkeit ins Spiel,
"theils bei Andern, die Furcht, man möchte nun
"auch sie nach einem neuen Maasstabe zu
"beurtheilen versucht werden .... Die Juli¬
"revolution hatte ihn völlig berauscht, und in diesem
"Rausche zeigte er sich auf einmal wie er war.
"Daß ihn dieß gereut, bezweifle ich gar
"nicht." O der große Menschenkenner! .. Doch
ich will das wichtigere besprechen. Ja freilich, das
ist es. Sie haben mich verehrt und vergöttert in
Berlin. Als ich aber anfing gegen die Gewaltigen
im Lande zu reden, da ward ihnen todesangst. Sie
dachten an die Hausvogtei, an Magdeburg, Köpenick,
den Galgen und Pilatus-Kamptz. Sie verläug¬
neten mich und werden mich noch hundert mal ver¬
läugen, ehe der Hahn kräht. Kräht aber einmal
der deutsche Hahn
, werden sie sich wie die Wür¬
mer zu meinen Füßen winden, und von denen mit

„geheure Abfall! Man ſpricht nur mit Abſcheu und
„Widerwillen von ihm. Jeder möchte ſeine
Hand in Unſchuld waſchen und nie bekannt
mit ihm geweſen ſeyn. Gewiß ſind die in je¬
„nen Briefen niedergelegten Anſichten durchaus ver¬
„werflich, aber eben ſo gewiß iſt es, daß die jetzt
hier vorherrſchende perſönliche Erbitte¬
rung nicht allein aus dieſer Quelle fließt.
„Theils tritt bei vielen gekränkte Eitelkeit ins Spiel,
„theils bei Andern, die Furcht, man möchte nun
auch ſie nach einem neuen Maasſtabe zu
beurtheilen verſucht werden .... Die Juli¬
„revolution hatte ihn völlig berauſcht, und in dieſem
„Rauſche zeigte er ſich auf einmal wie er war.
Daß ihn dieß gereut, bezweifle ich gar
nicht.“ O der große Menſchenkenner! .. Doch
ich will das wichtigere beſprechen. Ja freilich, das
iſt es. Sie haben mich verehrt und vergöttert in
Berlin. Als ich aber anfing gegen die Gewaltigen
im Lande zu reden, da ward ihnen todesangſt. Sie
dachten an die Hausvogtei, an Magdeburg, Köpenick,
den Galgen und Pilatus-Kamptz. Sie verläug¬
neten mich und werden mich noch hundert mal ver¬
läugen, ehe der Hahn kräht. Kräht aber einmal
der deutſche Hahn
, werden ſie ſich wie die Wür¬
mer zu meinen Füßen winden, und von denen mit

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[187/0201] „geheure Abfall! Man ſpricht nur mit Abſcheu und „Widerwillen von ihm. Jeder möchte ſeine „Hand in Unſchuld waſchen und nie bekannt „mit ihm geweſen ſeyn. Gewiß ſind die in je¬ „nen Briefen niedergelegten Anſichten durchaus ver¬ „werflich, aber eben ſo gewiß iſt es, daß die jetzt „hier vorherrſchende perſönliche Erbitte¬ „rung nicht allein aus dieſer Quelle fließt. „Theils tritt bei vielen gekränkte Eitelkeit ins Spiel, „theils bei Andern, die Furcht, man möchte nun „auch ſie nach einem neuen Maasſtabe zu „beurtheilen verſucht werden .... Die Juli¬ „revolution hatte ihn völlig berauſcht, und in dieſem „Rauſche zeigte er ſich auf einmal wie er war. „Daß ihn dieß gereut, bezweifle ich gar „nicht.“ O der große Menſchenkenner! .. Doch ich will das wichtigere beſprechen. Ja freilich, das iſt es. Sie haben mich verehrt und vergöttert in Berlin. Als ich aber anfing gegen die Gewaltigen im Lande zu reden, da ward ihnen todesangſt. Sie dachten an die Hausvogtei, an Magdeburg, Köpenick, den Galgen und Pilatus-Kamptz. Sie verläug¬ neten mich und werden mich noch hundert mal ver¬ läugen, ehe der Hahn kräht. Kräht aber einmal der deutſche Hahn, werden ſie ſich wie die Wür¬ mer zu meinen Füßen winden, und von denen mit

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/201>, abgerufen am 23.11.2024.