mals aber, da die Freiheit nur erst rauchte und kna¬ benhaft mit Steinen warf nach der Tyrannei, da, zu stolz zum Kinderspiele, verschloß ich meine Brust, und ließ den Grimm darin kochen zum späterm Ge¬ richte. Hättest du meine Glut geahndet, schwammi¬ ger Alexis, du wärest entsetzt von mir weggelaufen, und hättest dich vor Angst in ein Wasserfaß gestürzt. Vielleicht hörtest du zuweilen, wie es siedete in mir; aber du dachtest wohl, ich summe ein Sonntags-Lied¬ chen und liebtest mich darum. Doch über den Nar¬ ren! daß er noch selbst herbeischleppt, was er ver¬ stecken sollte, damit es mein Spott nicht finde. Ja freilich, so ist es, man wußte in Berlin nichts von mir, als daß ich über die Sontag geschrieben, und so wurde ich jedem vorgestellt: es ist der Mann der über die Sontag geschrieben! Wenn ich jener Tage gedenke -- doch ich will erst das Feuer schüren; mich friert, wenn ich daran denke. Komme her, Muse, setze dich zu mir beim Kamin und er¬ zähle mir von jenen Tagen. Aber sei vernünftig und kichere nicht.
Ich wohnte in der Stadt Rom und doch war es fürchterlich kalt. Aber es war die Stadt Rom unter den Linden. Am zweiten Tage nach meiner Ankunft, Morgens zwischen zehn und zwölf Uhr und 22 bis 24 Grade, kamen Robert und Hering zu mir, schwarz gekleidet, in seidenen Strümpfen und
mals aber, da die Freiheit nur erſt rauchte und kna¬ benhaft mit Steinen warf nach der Tyrannei, da, zu ſtolz zum Kinderſpiele, verſchloß ich meine Bruſt, und ließ den Grimm darin kochen zum ſpäterm Ge¬ richte. Hätteſt du meine Glut geahndet, ſchwammi¬ ger Alexis, du wäreſt entſetzt von mir weggelaufen, und hätteſt dich vor Angſt in ein Waſſerfaß geſtürzt. Vielleicht hörteſt du zuweilen, wie es ſiedete in mir; aber du dachteſt wohl, ich ſumme ein Sonntags-Lied¬ chen und liebteſt mich darum. Doch über den Nar¬ ren! daß er noch ſelbſt herbeiſchleppt, was er ver¬ ſtecken ſollte, damit es mein Spott nicht finde. Ja freilich, ſo iſt es, man wußte in Berlin nichts von mir, als daß ich über die Sontag geſchrieben, und ſo wurde ich jedem vorgeſtellt: es iſt der Mann der über die Sontag geſchrieben! Wenn ich jener Tage gedenke — doch ich will erſt das Feuer ſchüren; mich friert, wenn ich daran denke. Komme her, Muſe, ſetze dich zu mir beim Kamin und er¬ zähle mir von jenen Tagen. Aber ſei vernünftig und kichere nicht.
Ich wohnte in der Stadt Rom und doch war es fürchterlich kalt. Aber es war die Stadt Rom unter den Linden. Am zweiten Tage nach meiner Ankunft, Morgens zwiſchen zehn und zwölf Uhr und 22 bis 24 Grade, kamen Robert und Hering zu mir, ſchwarz gekleidet, in ſeidenen Strümpfen und
<TEI><text><body><divn="1"><div><divn="3"><p><pbfacs="#f0186"n="172"/>
mals aber, da die Freiheit nur erſt rauchte und kna¬<lb/>
benhaft mit Steinen warf nach der Tyrannei, da,<lb/>
zu ſtolz zum Kinderſpiele, verſchloß ich meine Bruſt,<lb/>
und ließ den Grimm darin kochen zum ſpäterm Ge¬<lb/>
richte. Hätteſt du meine Glut geahndet, ſchwammi¬<lb/>
ger Alexis, du wäreſt entſetzt von mir weggelaufen,<lb/>
und hätteſt dich vor Angſt in ein Waſſerfaß geſtürzt.<lb/>
Vielleicht hörteſt du zuweilen, <choice><sic>mie</sic><corr>wie</corr></choice> es ſiedete in mir;<lb/>
aber du dachteſt wohl, ich ſumme ein Sonntags-Lied¬<lb/>
chen und liebteſt mich darum. Doch über den Nar¬<lb/>
ren! daß er noch ſelbſt herbeiſchleppt, was er ver¬<lb/>ſtecken ſollte, damit es mein Spott nicht finde. Ja<lb/>
freilich, ſo iſt es, man wußte in Berlin nichts von<lb/>
mir, als daß ich über die Sontag geſchrieben, und<lb/>ſo wurde ich jedem vorgeſtellt: <hirendition="#g">es iſt der Mann<lb/>
der über die Sontag geſchrieben</hi>! Wenn ich<lb/>
jener Tage gedenke — doch ich will erſt das Feuer<lb/>ſchüren; mich friert, wenn ich daran denke. Komme<lb/>
her, Muſe, ſetze dich zu mir beim Kamin und er¬<lb/>
zähle mir von jenen Tagen. Aber ſei vernünftig und<lb/>
kichere nicht.</p><lb/><p>Ich wohnte in der Stadt Rom und doch war<lb/>
es fürchterlich kalt. Aber es war die Stadt Rom<lb/>
unter den Linden. Am zweiten Tage nach meiner<lb/>
Ankunft, Morgens zwiſchen zehn und zwölf Uhr und<lb/>
22 bis 24 Grade, kamen <hirendition="#g">Robert</hi> und <hirendition="#g">Hering</hi> zu<lb/>
mir, ſchwarz gekleidet, in ſeidenen Strümpfen und<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[172/0186]
mals aber, da die Freiheit nur erſt rauchte und kna¬
benhaft mit Steinen warf nach der Tyrannei, da,
zu ſtolz zum Kinderſpiele, verſchloß ich meine Bruſt,
und ließ den Grimm darin kochen zum ſpäterm Ge¬
richte. Hätteſt du meine Glut geahndet, ſchwammi¬
ger Alexis, du wäreſt entſetzt von mir weggelaufen,
und hätteſt dich vor Angſt in ein Waſſerfaß geſtürzt.
Vielleicht hörteſt du zuweilen, wie es ſiedete in mir;
aber du dachteſt wohl, ich ſumme ein Sonntags-Lied¬
chen und liebteſt mich darum. Doch über den Nar¬
ren! daß er noch ſelbſt herbeiſchleppt, was er ver¬
ſtecken ſollte, damit es mein Spott nicht finde. Ja
freilich, ſo iſt es, man wußte in Berlin nichts von
mir, als daß ich über die Sontag geſchrieben, und
ſo wurde ich jedem vorgeſtellt: es iſt der Mann
der über die Sontag geſchrieben! Wenn ich
jener Tage gedenke — doch ich will erſt das Feuer
ſchüren; mich friert, wenn ich daran denke. Komme
her, Muſe, ſetze dich zu mir beim Kamin und er¬
zähle mir von jenen Tagen. Aber ſei vernünftig und
kichere nicht.
Ich wohnte in der Stadt Rom und doch war
es fürchterlich kalt. Aber es war die Stadt Rom
unter den Linden. Am zweiten Tage nach meiner
Ankunft, Morgens zwiſchen zehn und zwölf Uhr und
22 bis 24 Grade, kamen Robert und Hering zu
mir, ſchwarz gekleidet, in ſeidenen Strümpfen und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/186>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.