Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.zu legen, erschracken über die Abschaffung der Todes¬ Vor einigen Monaten wollte man auf dem zu legen, erſchracken über die Abſchaffung der Todes¬ Vor einigen Monaten wollte man auf dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="132"/> zu legen, erſchracken über die Abſchaffung der Todes¬<lb/> ſtrafe. All ihr Glück liegt in der Hoffnungsloſig¬<lb/> keit des Unglücks — wie kann man regieren ohne<lb/> Tod? Doch ſchwiegen ſie. Denn damals ſtanden<lb/> ihre unglücklichen Freunde vor Gericht, die Miniſter<lb/> Karls <hi rendition="#aq">X.</hi>, die ganz in ihrem Geiſte und nach ihrem<lb/> Herzen gehandelt, denen es aber mislungen war.<lb/> Man wollte ſie vom Tode retten und ließ darum<lb/> die Wünſche des Volks für die Abſchaffung der<lb/> Todesſtrafe nicht kalt werden. Sobald aber die<lb/> Miniſter zur Gefangenſchaft verurtheilt waren, be¬<lb/> freite man ſich von der ſchweren Heuchelei und führte<lb/> für die Beibehaltung der Todesſtrafe alle die Gründe<lb/> an, welche die Mächtigen, Vornehmen und Reichen<lb/> ſeit jeher geltend gemacht, weil ihnen der Schutz<lb/> ihrer Macht und die unbeſtrittene Herrſchaft ihrer<lb/> Leidenſchaften und eine mathematiſche Sicherheit ihrer<lb/> Reichthümer höher gelten, als Chriſtus Lehre und als<lb/> das Gebot der Menſchlichkeit. Ihr eignes Herz zum<lb/> Maasſtabe nehmend, hatten ſie ausgemeſſen, nach ei¬<lb/> nem Jahre würde das Herz des Volks ſo klein ge¬<lb/> worden ſeyn, daß die große Idee von der Abſchaf¬<lb/> fung der Todesſtrafe nicht mehr Platz darin findet.<lb/> Aber ſie täuſchten ſich.</p><lb/> <p>Vor einigen Monaten wollte man auf dem<lb/> Gr<hi rendition="#aq">è</hi>ve-Platze einen Verbrecher hinrichten, als aber<lb/> das Volk die Vorbereitungen ſah, zeigte es ſich ſo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0146]
zu legen, erſchracken über die Abſchaffung der Todes¬
ſtrafe. All ihr Glück liegt in der Hoffnungsloſig¬
keit des Unglücks — wie kann man regieren ohne
Tod? Doch ſchwiegen ſie. Denn damals ſtanden
ihre unglücklichen Freunde vor Gericht, die Miniſter
Karls X., die ganz in ihrem Geiſte und nach ihrem
Herzen gehandelt, denen es aber mislungen war.
Man wollte ſie vom Tode retten und ließ darum
die Wünſche des Volks für die Abſchaffung der
Todesſtrafe nicht kalt werden. Sobald aber die
Miniſter zur Gefangenſchaft verurtheilt waren, be¬
freite man ſich von der ſchweren Heuchelei und führte
für die Beibehaltung der Todesſtrafe alle die Gründe
an, welche die Mächtigen, Vornehmen und Reichen
ſeit jeher geltend gemacht, weil ihnen der Schutz
ihrer Macht und die unbeſtrittene Herrſchaft ihrer
Leidenſchaften und eine mathematiſche Sicherheit ihrer
Reichthümer höher gelten, als Chriſtus Lehre und als
das Gebot der Menſchlichkeit. Ihr eignes Herz zum
Maasſtabe nehmend, hatten ſie ausgemeſſen, nach ei¬
nem Jahre würde das Herz des Volks ſo klein ge¬
worden ſeyn, daß die große Idee von der Abſchaf¬
fung der Todesſtrafe nicht mehr Platz darin findet.
Aber ſie täuſchten ſich.
Vor einigen Monaten wollte man auf dem
Grève-Platze einen Verbrecher hinrichten, als aber
das Volk die Vorbereitungen ſah, zeigte es ſich ſo
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