darum die Redaktion geändert. Es ist merkwürdig! Läse ich keine andere Zeitung, als nur den Messager, hätte ich denken müssen, daß seit gestern sich die ganze Welt geändert, daß ein Comet an die Erde gestoßen und sie in eine neue Bahn getrieben. Dar¬ aus sah ich wieder, wie weit die Meinung der Re¬ gierenden von der des Volkes absteht. Und wer von beiden auch irre, gleichviel. Der Abstand bleibt im¬ mer der nehmliche. Und so ist es überall. Wie kann das gut enden?
Verflossene Nacht hat man eine Verschwörung entdeckt. Aber keine von den neuen dummen Gas¬ senverschwörungen beim hellen Sonnenscheine, sondern eine von der guten alten Art, schauerlich, mitter¬ nächtlich, blutdürstig, wie sie in den Melodramen vorkommen. Einige hundert Menschen, mit Dolchen und Pistolen bewaffnet, wurden um Mitternacht in einem Hause überfallen. Sie setzten sich zur Wehre. Der erste eindringende Soldat wurde erschossen. Einige hundert sind arretirt. Die Verschwornen sollen starke bewaffnete Trupps in verschiedenen Stadttheilen aufgestellt haben. Man wollte in die Tuillerien dringen; General Bour¬ mont soll in Paris seyn. Doch ist alles noch schwankendes Gerücht. Waren es Republikaner? Waren es Carlisten? Man sagt das Letztere. Wäre das -- der König hatte am nehmlichen Abend einen
darum die Redaktion geändert. Es iſt merkwürdig! Läſe ich keine andere Zeitung, als nur den Meſſager, hätte ich denken müſſen, daß ſeit geſtern ſich die ganze Welt geändert, daß ein Comet an die Erde geſtoßen und ſie in eine neue Bahn getrieben. Dar¬ aus ſah ich wieder, wie weit die Meinung der Re¬ gierenden von der des Volkes abſteht. Und wer von beiden auch irre, gleichviel. Der Abſtand bleibt im¬ mer der nehmliche. Und ſo iſt es überall. Wie kann das gut enden?
Verfloſſene Nacht hat man eine Verſchwörung entdeckt. Aber keine von den neuen dummen Gaſ¬ ſenverſchwörungen beim hellen Sonnenſcheine, ſondern eine von der guten alten Art, ſchauerlich, mitter¬ nächtlich, blutdürſtig, wie ſie in den Melodramen vorkommen. Einige hundert Menſchen, mit Dolchen und Piſtolen bewaffnet, wurden um Mitternacht in einem Hauſe überfallen. Sie ſetzten ſich zur Wehre. Der erſte eindringende Soldat wurde erſchoſſen. Einige hundert ſind arretirt. Die Verſchwornen ſollen ſtarke bewaffnete Trupps in verſchiedenen Stadttheilen aufgeſtellt haben. Man wollte in die Tuillerien dringen; General Bour¬ mont ſoll in Paris ſeyn. Doch iſt alles noch ſchwankendes Gerücht. Waren es Republikaner? Waren es Carliſten? Man ſagt das Letztere. Wäre das — der König hatte am nehmlichen Abend einen
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darum die Redaktion geändert. Es iſt merkwürdig!
Läſe ich keine andere Zeitung, als nur den Meſſager,
hätte ich denken müſſen, daß ſeit geſtern ſich die
ganze Welt geändert, daß ein Comet an die Erde
geſtoßen und ſie in eine neue Bahn getrieben. Dar¬
aus ſah ich wieder, wie weit die Meinung der Re¬
gierenden von der des Volkes abſteht. Und wer von
beiden auch irre, gleichviel. Der Abſtand bleibt im¬
mer der nehmliche. Und ſo iſt es überall. Wie
kann das gut enden?
Verfloſſene Nacht hat man eine Verſchwörung
entdeckt. Aber keine von den neuen dummen Gaſ¬
ſenverſchwörungen beim hellen Sonnenſcheine, ſondern
eine von der guten alten Art, ſchauerlich, mitter¬
nächtlich, blutdürſtig, wie ſie in den Melodramen
vorkommen. Einige hundert Menſchen, mit Dolchen
und Piſtolen bewaffnet, wurden um Mitternacht in
einem Hauſe überfallen. Sie ſetzten ſich zur
Wehre. Der erſte eindringende Soldat wurde
erſchoſſen. Einige hundert ſind arretirt. Die
Verſchwornen ſollen ſtarke bewaffnete Trupps in
verſchiedenen Stadttheilen aufgeſtellt haben. Man
wollte in die Tuillerien dringen; General Bour¬
mont ſoll in Paris ſeyn. Doch iſt alles noch
ſchwankendes Gerücht. Waren es Republikaner?
Waren es Carliſten? Man ſagt das Letztere. Wäre
das — der König hatte am nehmlichen Abend einen
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/136>, abgerufen am 16.02.2025.
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