Mann." Er geht. Herr von Gagern stirbt vor Ungeduld, bis der Mann vom Manne zurückkömmt, was hat er gesagt? "... j'ai trouve la fibre un peu molle," erwiederte Capodistrias ... "was "ich mit der Pflicht des wirklichen Staats¬ "mannes explicirte," bemerkt Herr von Gagern. Er aber dürfe seinen Mundfluß haben, weil er nur "in der Rolle des Dilettanten erschien." Aber in meinem Leben hätte ich nicht errathen, daß eine lockere Fiber das Wesen eines wahren Staatsmannes bilde, und daher der vierwöchentliche Gebrauch des Schwalbacher Brunnens, da die Fiber spannt, einen Talleyrand zum Esel machen würde! Kurz, die einzige Sorge des Herrn von Stein, des Grafen Capodistrias und des Herrn von Gagern war: einen Prinzen mit Griechenland zu apanagiren, Rothschild zu einem neuen Anleihen zu verhelfen, und den Prinzen und die Curse der griechischen Papiere durch deutsche Leibwachen zu schützen. Kürzer und kräftiger hat noch keiner das seelenlose, mechanische, selbstsüchtige, schacherhafte Treiben der neuern euro¬ päischen Staatskunst, des Monarchenthums und der Hofschwänzelei dargethan, als dieser Herr von Ga¬ gern in Hornau, wo wir vor zwei Jahren Eier¬ kuchen gegessen.
Mann.“ Er geht. Herr von Gagern ſtirbt vor Ungeduld, bis der Mann vom Manne zurückkömmt, was hat er geſagt? „... j'ai trouvé la fibre un peu molle,“ erwiederte Capodiſtrias ... „was „ich mit der Pflicht des wirklichen Staats¬ „mannes explicirte,“ bemerkt Herr von Gagern. Er aber dürfe ſeinen Mundfluß haben, weil er nur „in der Rolle des Dilettanten erſchien.“ Aber in meinem Leben hätte ich nicht errathen, daß eine lockere Fiber das Weſen eines wahren Staatsmannes bilde, und daher der vierwöchentliche Gebrauch des Schwalbacher Brunnens, da die Fiber ſpannt, einen Talleyrand zum Eſel machen würde! Kurz, die einzige Sorge des Herrn von Stein, des Grafen Capodiſtrias und des Herrn von Gagern war: einen Prinzen mit Griechenland zu apanagiren, Rothſchild zu einem neuen Anleihen zu verhelfen, und den Prinzen und die Curſe der griechiſchen Papiere durch deutſche Leibwachen zu ſchützen. Kürzer und kräftiger hat noch keiner das ſeelenloſe, mechaniſche, ſelbſtſüchtige, ſchacherhafte Treiben der neuern euro¬ päiſchen Staatskunſt, des Monarchenthums und der Hofſchwänzelei dargethan, als dieſer Herr von Ga¬ gern in Hornau, wo wir vor zwei Jahren Eier¬ kuchen gegeſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0123"n="109"/>
Mann</hi>.“ Er geht. Herr von Gagern ſtirbt vor<lb/>
Ungeduld, bis der Mann vom Manne zurückkömmt,<lb/>
was hat er geſagt? „... <hirendition="#aq #g">j'ai trouvé la fibre<lb/>
un peu molle</hi>,“ erwiederte Capodiſtrias ... „was<lb/>„<hirendition="#g">ich mit der Pflicht des wirklichen Staats¬</hi><lb/>„<hirendition="#g">mannes explicirte</hi>,“ bemerkt Herr von Gagern.<lb/>
Er aber dürfe ſeinen Mundfluß haben, weil er nur<lb/>„<hirendition="#g">in der Rolle des Dilettanten erſchien</hi>.“<lb/>
Aber in meinem Leben hätte ich nicht errathen, daß<lb/>
eine <hirendition="#g">lockere Fiber</hi> das Weſen eines wahren<lb/>
Staatsmannes bilde, und daher der vierwöchentliche<lb/>
Gebrauch des Schwalbacher Brunnens, da die Fiber<lb/>ſpannt, einen Talleyrand zum Eſel machen würde!<lb/>
Kurz, die einzige Sorge des Herrn von Stein, des<lb/>
Grafen Capodiſtrias und des Herrn von Gagern<lb/>
war: einen Prinzen mit Griechenland zu apanagiren,<lb/>
Rothſchild zu einem neuen Anleihen zu verhelfen, und<lb/>
den Prinzen und die Curſe der griechiſchen Papiere<lb/>
durch deutſche Leibwachen zu ſchützen. Kürzer und<lb/>
kräftiger hat noch keiner das ſeelenloſe, mechaniſche,<lb/>ſelbſtſüchtige, ſchacherhafte Treiben der neuern euro¬<lb/>
päiſchen Staatskunſt, des Monarchenthums und der<lb/>
Hofſchwänzelei dargethan, als dieſer Herr von Ga¬<lb/>
gern in Hornau, wo wir vor zwei Jahren Eier¬<lb/>
kuchen gegeſſen.</p><lb/></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[109/0123]
Mann.“ Er geht. Herr von Gagern ſtirbt vor
Ungeduld, bis der Mann vom Manne zurückkömmt,
was hat er geſagt? „... j'ai trouvé la fibre
un peu molle,“ erwiederte Capodiſtrias ... „was
„ich mit der Pflicht des wirklichen Staats¬
„mannes explicirte,“ bemerkt Herr von Gagern.
Er aber dürfe ſeinen Mundfluß haben, weil er nur
„in der Rolle des Dilettanten erſchien.“
Aber in meinem Leben hätte ich nicht errathen, daß
eine lockere Fiber das Weſen eines wahren
Staatsmannes bilde, und daher der vierwöchentliche
Gebrauch des Schwalbacher Brunnens, da die Fiber
ſpannt, einen Talleyrand zum Eſel machen würde!
Kurz, die einzige Sorge des Herrn von Stein, des
Grafen Capodiſtrias und des Herrn von Gagern
war: einen Prinzen mit Griechenland zu apanagiren,
Rothſchild zu einem neuen Anleihen zu verhelfen, und
den Prinzen und die Curſe der griechiſchen Papiere
durch deutſche Leibwachen zu ſchützen. Kürzer und
kräftiger hat noch keiner das ſeelenloſe, mechaniſche,
ſelbſtſüchtige, ſchacherhafte Treiben der neuern euro¬
päiſchen Staatskunſt, des Monarchenthums und der
Hofſchwänzelei dargethan, als dieſer Herr von Ga¬
gern in Hornau, wo wir vor zwei Jahren Eier¬
kuchen gegeſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/123>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.