cowitische Interesse werde zu vertheidigen haben. Herr von Gagern reist dem Compagnon seiner gro¬ ßen Grundsätze nach. In Paris verfehlt er ihn, in Brüssel erwischt er ihn, und erzählt ihm athemlos: Herr von Rothschild habe erklärt, Prinz Friedrich der Niederlande habe am meisten Kredit, und er solle daher gleich zu dessen Vater, dem Könige, gehen und die griechische Frage mit ihm in Ordnung bringen. Capodistrias gehörte aber unglücklicherweise zu den¬ jenigen Diplomaten, welche die Mundsperre im höch¬ sten Grade haben, und Herr von Gagern konnte nichts von ihm herausbringen. Er bekam zur Antwort: ich kann nicht zum Könige gehen, ich habe kein Kleid. Nun bei den Göttern! ich habe Cornelius Nepos und Plutarch gelesen, und habe darin nicht einen einzigen großen Mann des Alterthums gefun¬ den, der so arm gewesen, daß er kein Kleid gehabt, wo es darauf ankam, für das Glück eines großen Volks zu reden und zu handeln! Warum hat Herr von Gagern, einer der wärmsten und frühsten Vertheidiger der griechischen Frage, nicht dem Grafen Capodistrias ein paar hundert Franken vorgeschossen, daß er sich ein Kleid machen lasse? Jeder geschickte Schneider verfertigt in einem halben Tage einen vollständigen Anzug. Capodistrias erbot sich jedoch, zum niederländischen Minister zu gehen, "aber nicht als Staatsmann, sondern Mann zu
cowitiſche Intereſſe werde zu vertheidigen haben. Herr von Gagern reiſt dem Compagnon ſeiner gro¬ ßen Grundſätze nach. In Paris verfehlt er ihn, in Brüſſel erwiſcht er ihn, und erzählt ihm athemlos: Herr von Rothſchild habe erklärt, Prinz Friedrich der Niederlande habe am meiſten Kredit, und er ſolle daher gleich zu deſſen Vater, dem Könige, gehen und die griechiſche Frage mit ihm in Ordnung bringen. Capodiſtrias gehörte aber unglücklicherweiſe zu den¬ jenigen Diplomaten, welche die Mundſperre im höch¬ ſten Grade haben, und Herr von Gagern konnte nichts von ihm herausbringen. Er bekam zur Antwort: ich kann nicht zum Könige gehen, ich habe kein Kleid. Nun bei den Göttern! ich habe Cornelius Nepos und Plutarch geleſen, und habe darin nicht einen einzigen großen Mann des Alterthums gefun¬ den, der ſo arm geweſen, daß er kein Kleid gehabt, wo es darauf ankam, für das Glück eines großen Volks zu reden und zu handeln! Warum hat Herr von Gagern, einer der wärmſten und frühſten Vertheidiger der griechiſchen Frage, nicht dem Grafen Capodiſtrias ein paar hundert Franken vorgeſchoſſen, daß er ſich ein Kleid machen laſſe? Jeder geſchickte Schneider verfertigt in einem halben Tage einen vollſtändigen Anzug. Capodiſtrias erbot ſich jedoch, zum niederländiſchen Miniſter zu gehen, „aber nicht als Staatsmann, ſondern Mann zu
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cowitiſche Intereſſe werde zu vertheidigen haben.
Herr von Gagern reiſt dem Compagnon ſeiner gro¬
ßen Grundſätze nach. In Paris verfehlt er ihn, in
Brüſſel erwiſcht er ihn, und erzählt ihm athemlos:
Herr von Rothſchild habe erklärt, Prinz Friedrich
der Niederlande habe am meiſten Kredit, und er ſolle
daher gleich zu deſſen Vater, dem Könige, gehen und
die griechiſche Frage mit ihm in Ordnung bringen.
Capodiſtrias gehörte aber unglücklicherweiſe zu den¬
jenigen Diplomaten, welche die Mundſperre im höch¬
ſten Grade haben, und Herr von Gagern konnte nichts
von ihm herausbringen. Er bekam zur Antwort:
ich kann nicht zum Könige gehen, ich habe kein
Kleid. Nun bei den Göttern! ich habe Cornelius
Nepos und Plutarch geleſen, und habe darin nicht
einen einzigen großen Mann des Alterthums gefun¬
den, der ſo arm geweſen, daß er kein Kleid gehabt,
wo es darauf ankam, für das Glück eines großen
Volks zu reden und zu handeln! Warum hat Herr
von Gagern, einer der wärmſten und frühſten
Vertheidiger der griechiſchen Frage, nicht
dem Grafen Capodiſtrias ein paar hundert Franken
vorgeſchoſſen, daß er ſich ein Kleid machen laſſe?
Jeder geſchickte Schneider verfertigt in einem halben
Tage einen vollſtändigen Anzug. Capodiſtrias erbot
ſich jedoch, zum niederländiſchen Miniſter zu gehen,
„aber nicht als Staatsmann, ſondern Mann zu
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/122>, abgerufen am 24.11.2024.
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