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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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"dere, mit ihrem Gelde nicht die absolute
"Gewalt unterstützt hätten."

Düpin hat diese Woche in der Kammer die
Banquiers loup-cerviers, Luchse genannt! Das
sind Raubthiere, die zum Katzengeschlechte gehören.
Casimir Perrier hat ihm über seine unzeitige Natur¬
geschichte die bittersten Vorwürfe gemacht. Das
führt mich auf die Rothschilde zurück. Noch einmal
-- wäre es nicht ein Glück für die Welt, wenn alle
Kronen auf deren Häuptern säßen, statt daß sie jetzt
zu ihren Füßen liegen? Es kommt auch noch dahin.
Sitzen die Rothschild noch auf keinen Thronen, so
werden sie wenigstens, sobald ein Thron frei wird,
um Rath gefragt, wen man darauf setzen solle.
Herr von Gagern hat dieses neulich öffentlich in
der allgemeinen Zeitung erzählt. Es ist eine schöne
Geschichte. Herr von Gagern war früher Gesand¬
ter beim Bundestage. Dieser große Staatsmann,
der den Aristokratismus ganz allerliebst romantisch
zu machen weiß und zwischen den Gräbern alter
Ritter mit seinem Adelstolze im Mondscheine spazie¬
ren geht, hat sich auf einer solchen nächtlichen Wan¬
derung schon vor vielen Jahren erkältet. Seit der
Zeit leidet er an einem politischen Mundflusse, einer
Krankheit, die unter den Diplomaten eben so selten
gefunden wird, als die Mundsperre häufig unter ih¬
nen vorkömmt. Diese seltene Krankheit des Herrn

dere, mit ihrem Gelde nicht die abſolute
Gewalt unterſtützt hätten.“

Düpin hat dieſe Woche in der Kammer die
Banquiers loup-cerviers, Luchſe genannt! Das
ſind Raubthiere, die zum Katzengeſchlechte gehören.
Caſimir Perrier hat ihm über ſeine unzeitige Natur¬
geſchichte die bitterſten Vorwürfe gemacht. Das
führt mich auf die Rothſchilde zurück. Noch einmal
— wäre es nicht ein Glück für die Welt, wenn alle
Kronen auf deren Häuptern ſäßen, ſtatt daß ſie jetzt
zu ihren Füßen liegen? Es kommt auch noch dahin.
Sitzen die Rothſchild noch auf keinen Thronen, ſo
werden ſie wenigſtens, ſobald ein Thron frei wird,
um Rath gefragt, wen man darauf ſetzen ſolle.
Herr von Gagern hat dieſes neulich öffentlich in
der allgemeinen Zeitung erzählt. Es iſt eine ſchöne
Geſchichte. Herr von Gagern war früher Geſand¬
ter beim Bundestage. Dieſer große Staatsmann,
der den Ariſtokratismus ganz allerliebſt romantiſch
zu machen weiß und zwiſchen den Gräbern alter
Ritter mit ſeinem Adelſtolze im Mondſcheine ſpazie¬
ren geht, hat ſich auf einer ſolchen nächtlichen Wan¬
derung ſchon vor vielen Jahren erkältet. Seit der
Zeit leidet er an einem politiſchen Mundfluſſe, einer
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[102/0116] „dere, mit ihrem Gelde nicht die abſolute „Gewalt unterſtützt hätten.“ Düpin hat dieſe Woche in der Kammer die Banquiers loup-cerviers, Luchſe genannt! Das ſind Raubthiere, die zum Katzengeſchlechte gehören. Caſimir Perrier hat ihm über ſeine unzeitige Natur¬ geſchichte die bitterſten Vorwürfe gemacht. Das führt mich auf die Rothſchilde zurück. Noch einmal — wäre es nicht ein Glück für die Welt, wenn alle Kronen auf deren Häuptern ſäßen, ſtatt daß ſie jetzt zu ihren Füßen liegen? Es kommt auch noch dahin. Sitzen die Rothſchild noch auf keinen Thronen, ſo werden ſie wenigſtens, ſobald ein Thron frei wird, um Rath gefragt, wen man darauf ſetzen ſolle. Herr von Gagern hat dieſes neulich öffentlich in der allgemeinen Zeitung erzählt. Es iſt eine ſchöne Geſchichte. Herr von Gagern war früher Geſand¬ ter beim Bundestage. Dieſer große Staatsmann, der den Ariſtokratismus ganz allerliebſt romantiſch zu machen weiß und zwiſchen den Gräbern alter Ritter mit ſeinem Adelſtolze im Mondſcheine ſpazie¬ ren geht, hat ſich auf einer ſolchen nächtlichen Wan¬ derung ſchon vor vielen Jahren erkältet. Seit der Zeit leidet er an einem politiſchen Mundfluſſe, einer Krankheit, die unter den Diplomaten eben ſo ſelten gefunden wird, als die Mundſperre häufig unter ih¬ nen vorkömmt. Dieſe ſeltene Krankheit des Herrn

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/116>, abgerufen am 22.11.2024.