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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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"gerade das Gegentheil. Der Deutsche ist zahm,
"gutmüthig, räuberlich aber gar nicht räube¬
"risch, und weint so aufrichtige Thränen, als
"ein Kind, wenn es die Ruthe bekömmt. Wenn
"ich das deutsche Volk ein Krokodill genannt,
"so geschah es blos wegen seiner Körperbedeckung,
"die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat
"dicke harte Schuppen, und ist wie ein Schie¬
"ferdach. Was festes darauf fällt, prallt ab,
"was flüssiges, fließt hinunter. Jetzt denken
"Sie sich, meine Herrn, Sie wollten ein sol¬
"ches Krokodill thierisch magnetisiren; zweitens,
"um es später von seinen schwachen Nerven zu
"heilen; erstens, um es früher hellsehend zu
"machen, daß es in sein Inneres hinein schaue,
"seine Krankheit erkenne, und die dienlichen
"Heilmittel errathe. Wie würden Sie das an¬
"fangen? Würden Sie mit zarter gewärmter
"Hand auf den Panzer des Krokodills herum¬
"streicheln? Gewiß nicht, Sie wären zu ver¬

„gerade das Gegentheil. Der Deutſche iſt zahm,
„gutmuͤthig, raͤuberlich aber gar nicht raͤube¬
„riſch, und weint ſo aufrichtige Thraͤnen, als
„ein Kind, wenn es die Ruthe bekoͤmmt. Wenn
„ich das deutſche Volk ein Krokodill genannt,
„ſo geſchah es blos wegen ſeiner Koͤrperbedeckung,
„die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat
„dicke harte Schuppen, und iſt wie ein Schie¬
„ferdach. Was feſtes darauf faͤllt, prallt ab,
„was fluͤſſiges, fließt hinunter. Jetzt denken
„Sie ſich, meine Herrn, Sie wollten ein ſol¬
„ches Krokodill thieriſch magnetiſiren; zweitens,
„um es ſpaͤter von ſeinen ſchwachen Nerven zu
„heilen; erſtens, um es fruͤher hellſehend zu
„machen, daß es in ſein Inneres hinein ſchaue,
„ſeine Krankheit erkenne, und die dienlichen
„Heilmittel errathe. Wie wuͤrden Sie das an¬
„fangen? Wuͤrden Sie mit zarter gewaͤrmter
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[263/0277] „gerade das Gegentheil. Der Deutſche iſt zahm, „gutmuͤthig, raͤuberlich aber gar nicht raͤube¬ „riſch, und weint ſo aufrichtige Thraͤnen, als „ein Kind, wenn es die Ruthe bekoͤmmt. Wenn „ich das deutſche Volk ein Krokodill genannt, „ſo geſchah es blos wegen ſeiner Koͤrperbedeckung, „die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat „dicke harte Schuppen, und iſt wie ein Schie¬ „ferdach. Was feſtes darauf faͤllt, prallt ab, „was fluͤſſiges, fließt hinunter. Jetzt denken „Sie ſich, meine Herrn, Sie wollten ein ſol¬ „ches Krokodill thieriſch magnetiſiren; zweitens, „um es ſpaͤter von ſeinen ſchwachen Nerven zu „heilen; erſtens, um es fruͤher hellſehend zu „machen, daß es in ſein Inneres hinein ſchaue, „ſeine Krankheit erkenne, und die dienlichen „Heilmittel errathe. Wie wuͤrden Sie das an¬ „fangen? Wuͤrden Sie mit zarter gewaͤrmter „Hand auf den Panzer des Krokodills herum¬ „ſtreicheln? Gewiß nicht, Sie waͤren zu ver¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/277>, abgerufen am 25.11.2024.