sie die ganze Macht Rußlands zu ihrem Schutze bereit sahen. Jetzt wird man noch an größere Sachen gehen. Und ist man mit den Sachen fertig, sobald man alle Hoffnungen des Vater¬ landes niedergerissen, wird man unter deren Schutt hervor auch die Menschen zerren, die in den Gebäuden wohnen, und sie dafür züchti¬ gen, daß sie zu edel waren, so lange sie die Macht gehabt, sich gegen jede Rache zu schützen. An meinem Schmerze hat wenigstens getäuschte Hoffnung keinen Theil; ich wußte vorher, daß es so kommen würde. Aber die Andern! Der gute, feurige Welker hat zu früh Triumph! ge¬ rufen. Diese edlen oder schwachen Männer ha¬ ben mich ausgelacht, als ich ihnen schon vor neun Monaten sagte: Seht euch vor, Ihr wer¬ det betrogen, benutzt die Zeit, seyd schnell. Sie haben sich bedacht, als hätten sie die Ewigkeit gepachtet; sie sind den Schneckenweg des Rechts, der zaudernden Ueberlegung bergauf geschlichen,
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ſie die ganze Macht Rußlands zu ihrem Schutze bereit ſahen. Jetzt wird man noch an groͤßere Sachen gehen. Und iſt man mit den Sachen fertig, ſobald man alle Hoffnungen des Vater¬ landes niedergeriſſen, wird man unter deren Schutt hervor auch die Menſchen zerren, die in den Gebaͤuden wohnen, und ſie dafuͤr zuͤchti¬ gen, daß ſie zu edel waren, ſo lange ſie die Macht gehabt, ſich gegen jede Rache zu ſchuͤtzen. An meinem Schmerze hat wenigſtens getaͤuſchte Hoffnung keinen Theil; ich wußte vorher, daß es ſo kommen wuͤrde. Aber die Andern! Der gute, feurige Welker hat zu fruͤh Triumph! ge¬ rufen. Dieſe edlen oder ſchwachen Maͤnner ha¬ ben mich ausgelacht, als ich ihnen ſchon vor neun Monaten ſagte: Seht euch vor, Ihr wer¬ det betrogen, benutzt die Zeit, ſeyd ſchnell. Sie haben ſich bedacht, als haͤtten ſie die Ewigkeit gepachtet; ſie ſind den Schneckenweg des Rechts, der zaudernden Ueberlegung bergauf geſchlichen,
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ſie die ganze Macht Rußlands zu ihrem Schutze
bereit ſahen. Jetzt wird man noch an groͤßere
Sachen gehen. Und iſt man mit den Sachen
fertig, ſobald man alle Hoffnungen des Vater¬
landes niedergeriſſen, wird man unter deren
Schutt hervor auch die Menſchen zerren, die
in den Gebaͤuden wohnen, und ſie dafuͤr zuͤchti¬
gen, daß ſie zu edel waren, ſo lange ſie die
Macht gehabt, ſich gegen jede Rache zu ſchuͤtzen.
An meinem Schmerze hat wenigſtens getaͤuſchte
Hoffnung keinen Theil; ich wußte vorher, daß
es ſo kommen wuͤrde. Aber die Andern! Der
gute, feurige Welker hat zu fruͤh Triumph! ge¬
rufen. Dieſe edlen oder ſchwachen Maͤnner ha¬
ben mich ausgelacht, als ich ihnen ſchon vor
neun Monaten ſagte: Seht euch vor, Ihr wer¬
det betrogen, benutzt die Zeit, ſeyd ſchnell. Sie
haben ſich bedacht, als haͤtten ſie die Ewigkeit
gepachtet; ſie ſind den Schneckenweg des Rechts,
der zaudernden Ueberlegung bergauf geſchlichen,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/257>, abgerufen am 25.11.2024.
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