Und nach allen diesen Abscheulichkeiten kommen sie und lästern über die Unglücklichen, die nichts zu verlieren haben, und fordern die reichen Leute auf, gegen das wilde Thier, Volk, auf seiner Hut zu seyn! Geschieht das alles sogar in Frank¬ reich, wo die freie Presse manche Gewaltthätigkeit verhindert, manche wieder gut macht -- was mag nicht erst in jenen Ländern geschehen, wo alles stumm ist, wo keiner klagen darf, und wo jeder nur den Schmerz erfährt, den er selber fühlt! Wie man dort das arme Volk betrachtet, wie man es dort behandelt, wie man es dort ver¬ achtet, das hat ja die Cholera, diese unerhörte Preßfrechheit des Himmels, uns sehr nahe vor die Augen gestellt. Wie haben sie in Ru߬ land, Oesterreich und Preußen gelächelt, gespot¬ tet und geschulmeistert -- und ihr Lächeln war ein blinkendes Schwert, ihre Belehrung kam aus dem Munde einer Kanone und ihr Spott war der Tod -- über die wahnsinnige Verblen¬
Und nach allen dieſen Abſcheulichkeiten kommen ſie und laͤſtern uͤber die Ungluͤcklichen, die nichts zu verlieren haben, und fordern die reichen Leute auf, gegen das wilde Thier, Volk, auf ſeiner Hut zu ſeyn! Geſchieht das alles ſogar in Frank¬ reich, wo die freie Preſſe manche Gewaltthaͤtigkeit verhindert, manche wieder gut macht — was mag nicht erſt in jenen Laͤndern geſchehen, wo alles ſtumm iſt, wo keiner klagen darf, und wo jeder nur den Schmerz erfaͤhrt, den er ſelber fuͤhlt! Wie man dort das arme Volk betrachtet, wie man es dort behandelt, wie man es dort ver¬ achtet, das hat ja die Cholera, dieſe unerhoͤrte Preßfrechheit des Himmels, uns ſehr nahe vor die Augen geſtellt. Wie haben ſie in Ru߬ land, Oeſterreich und Preußen gelaͤchelt, geſpot¬ tet und geſchulmeiſtert — und ihr Laͤcheln war ein blinkendes Schwert, ihre Belehrung kam aus dem Munde einer Kanone und ihr Spott war der Tod — uͤber die wahnſinnige Verblen¬
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0243"n="229"/>
Und nach allen dieſen Abſcheulichkeiten kommen<lb/>ſie und laͤſtern uͤber die Ungluͤcklichen, die nichts<lb/>
zu verlieren haben, und fordern die reichen Leute<lb/>
auf, gegen das wilde Thier, Volk, auf ſeiner<lb/>
Hut zu ſeyn! Geſchieht das alles ſogar in Frank¬<lb/>
reich, wo die freie Preſſe manche Gewaltthaͤtigkeit<lb/>
verhindert, manche wieder gut macht — was mag<lb/>
nicht erſt in jenen Laͤndern geſchehen, wo alles<lb/>ſtumm iſt, wo keiner klagen darf, und wo jeder<lb/>
nur den Schmerz erfaͤhrt, den er ſelber fuͤhlt!<lb/>
Wie man dort das arme Volk betrachtet, wie<lb/>
man es dort behandelt, wie man es dort ver¬<lb/>
achtet, das hat ja die Cholera, dieſe unerhoͤrte<lb/><hirendition="#g">Preßfrechheit</hi> des Himmels, uns ſehr nahe<lb/>
vor die Augen geſtellt. Wie haben ſie in Ru߬<lb/>
land, Oeſterreich und Preußen gelaͤchelt, geſpot¬<lb/>
tet und geſchulmeiſtert — und ihr Laͤcheln war<lb/>
ein blinkendes Schwert, ihre Belehrung kam<lb/>
aus dem Munde einer Kanone und ihr Spott<lb/>
war der Tod — uͤber die wahnſinnige Verblen¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[229/0243]
Und nach allen dieſen Abſcheulichkeiten kommen
ſie und laͤſtern uͤber die Ungluͤcklichen, die nichts
zu verlieren haben, und fordern die reichen Leute
auf, gegen das wilde Thier, Volk, auf ſeiner
Hut zu ſeyn! Geſchieht das alles ſogar in Frank¬
reich, wo die freie Preſſe manche Gewaltthaͤtigkeit
verhindert, manche wieder gut macht — was mag
nicht erſt in jenen Laͤndern geſchehen, wo alles
ſtumm iſt, wo keiner klagen darf, und wo jeder
nur den Schmerz erfaͤhrt, den er ſelber fuͤhlt!
Wie man dort das arme Volk betrachtet, wie
man es dort behandelt, wie man es dort ver¬
achtet, das hat ja die Cholera, dieſe unerhoͤrte
Preßfrechheit des Himmels, uns ſehr nahe
vor die Augen geſtellt. Wie haben ſie in Ru߬
land, Oeſterreich und Preußen gelaͤchelt, geſpot¬
tet und geſchulmeiſtert — und ihr Laͤcheln war
ein blinkendes Schwert, ihre Belehrung kam
aus dem Munde einer Kanone und ihr Spott
war der Tod — uͤber die wahnſinnige Verblen¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/243>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.