will ich denn gefallen? Ich bin kein Zucker¬ bäcker, ich bin ein Apotheker. Es ist wahr, daß ich den Platz als Zuschauer verlassen und unter die Handelnden getreten, aber war es nicht Zeit, dem faulen Leben eines Theaterkritikers endlich zu entsagen? Sie sehen, wie ich wirke, an meinen Gegnern am meisten. Ich habe den zähen deutschen Boden aufgewühlt; es ziehe je¬ der seine Furche wie ich; für die Saat wird Gott sorgen. Wenn nun eine aufgebrachte Scholle an meinen Füßen, an meinem Pfluge hängen blieb, und sie beschmuzte -- was scha¬ det mir das?
Campe war wegen des Buches in einer Wo¬ che viermal vor Gericht. Man legte ihm ein Exemplar vor, worin mehr als funfzig ver¬ dammliche Stellen mit Bleistift angestrichen wa¬ ren. Eine Stelle, worin es vom Bundestage heißt: der sey toll geworden, war doppelt und noch einmal so dick als die übrigen ange¬
will ich denn gefallen? Ich bin kein Zucker¬ baͤcker, ich bin ein Apotheker. Es iſt wahr, daß ich den Platz als Zuſchauer verlaſſen und unter die Handelnden getreten, aber war es nicht Zeit, dem faulen Leben eines Theaterkritikers endlich zu entſagen? Sie ſehen, wie ich wirke, an meinen Gegnern am meiſten. Ich habe den zaͤhen deutſchen Boden aufgewuͤhlt; es ziehe je¬ der ſeine Furche wie ich; fuͤr die Saat wird Gott ſorgen. Wenn nun eine aufgebrachte Scholle an meinen Fuͤßen, an meinem Pfluge haͤngen blieb, und ſie beſchmuzte — was ſcha¬ det mir das?
Campe war wegen des Buches in einer Wo¬ che viermal vor Gericht. Man legte ihm ein Exemplar vor, worin mehr als funfzig ver¬ dammliche Stellen mit Bleiſtift angeſtrichen wa¬ ren. Eine Stelle, worin es vom Bundestage heißt: der ſey toll geworden, war doppelt und noch einmal ſo dick als die uͤbrigen ange¬
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0217"n="203"/>
will ich denn gefallen? Ich bin kein Zucker¬<lb/>
baͤcker, ich bin ein Apotheker. Es iſt wahr, daß<lb/>
ich den Platz als Zuſchauer verlaſſen und unter<lb/>
die Handelnden getreten, aber war es nicht<lb/>
Zeit, dem faulen Leben eines Theaterkritikers<lb/>
endlich zu entſagen? Sie ſehen, wie ich wirke,<lb/>
an meinen Gegnern am meiſten. Ich habe den<lb/>
zaͤhen deutſchen Boden aufgewuͤhlt; es ziehe je¬<lb/>
der ſeine Furche wie ich; fuͤr die Saat wird<lb/>
Gott ſorgen. Wenn nun eine aufgebrachte<lb/>
Scholle an meinen Fuͤßen, an meinem Pfluge<lb/>
haͤngen blieb, und ſie beſchmuzte — was ſcha¬<lb/>
det mir das?</p><lb/><p>Campe war wegen des Buches in einer Wo¬<lb/>
che viermal vor Gericht. Man legte ihm ein<lb/>
Exemplar vor, worin mehr als funfzig ver¬<lb/>
dammliche Stellen mit Bleiſtift angeſtrichen wa¬<lb/>
ren. Eine Stelle, worin es vom Bundestage<lb/>
heißt: <hirendition="#g">der ſey toll geworden</hi>, war doppelt<lb/>
und noch einmal ſo dick als die uͤbrigen ange¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[203/0217]
will ich denn gefallen? Ich bin kein Zucker¬
baͤcker, ich bin ein Apotheker. Es iſt wahr, daß
ich den Platz als Zuſchauer verlaſſen und unter
die Handelnden getreten, aber war es nicht
Zeit, dem faulen Leben eines Theaterkritikers
endlich zu entſagen? Sie ſehen, wie ich wirke,
an meinen Gegnern am meiſten. Ich habe den
zaͤhen deutſchen Boden aufgewuͤhlt; es ziehe je¬
der ſeine Furche wie ich; fuͤr die Saat wird
Gott ſorgen. Wenn nun eine aufgebrachte
Scholle an meinen Fuͤßen, an meinem Pfluge
haͤngen blieb, und ſie beſchmuzte — was ſcha¬
det mir das?
Campe war wegen des Buches in einer Wo¬
che viermal vor Gericht. Man legte ihm ein
Exemplar vor, worin mehr als funfzig ver¬
dammliche Stellen mit Bleiſtift angeſtrichen wa¬
ren. Eine Stelle, worin es vom Bundestage
heißt: der ſey toll geworden, war doppelt
und noch einmal ſo dick als die uͤbrigen ange¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/217>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.