Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

aber man kenne die Deutschen noch gar nicht.
"Der Deutsche ist geduldig, aber doch nur
"bis zu einem gewissen Grade. Wenn die
"Geduld ihm reißt, wenn er das Schweigen
"bricht und einen Entschluß gefaßt hat, so
"wird sich mancher wundern über die schein¬
"bare Verwandlung seiner Natur. Und ich
"fühle es, daß auch ich ein Deutscher
"bin." Anch'io sono pittore! Er habe nie
Freude an literarischen Streitigkeiten gefunden,
aber "was zu arg ist, ist zu arg." Man
müsse, "dem Gesindel einmal auf die Finger
klopfen, daß etwas Furcht hineinfährt."
Aber guter Gott! was hilft da etwas,
was hilft selbst viel? Es mag noch so viel
Furcht in die Finger hineinfahren, ein tapferes
Herz jagt sie wieder in die Schlacht zurück.
Vor die Brust hätte er mich stoßen, auf den
Kopf hätte er mir klopfen sollen, daß da
Furcht hineinfährt. Der Mann ist zu gutmüthig.

aber man kenne die Deutſchen noch gar nicht.
„Der Deutſche iſt geduldig, aber doch nur
„bis zu einem gewiſſen Grade. Wenn die
„Geduld ihm reißt, wenn er das Schweigen
„bricht und einen Entſchluß gefaßt hat, ſo
„wird ſich mancher wundern uͤber die ſchein¬
„bare Verwandlung ſeiner Natur. Und ich
fuͤhle es, daß auch ich ein Deutſcher
bin.“ Anch'io sono pittore! Er habe nie
Freude an literariſchen Streitigkeiten gefunden,
aber „was zu arg iſt, iſt zu arg.“ Man
muͤſſe, „dem Geſindel einmal auf die Finger
klopfen, daß etwas Furcht hineinfaͤhrt.“
Aber guter Gott! was hilft da etwas,
was hilft ſelbſt viel? Es mag noch ſo viel
Furcht in die Finger hineinfahren, ein tapferes
Herz jagt ſie wieder in die Schlacht zuruͤck.
Vor die Bruſt haͤtte er mich ſtoßen, auf den
Kopf haͤtte er mir klopfen ſollen, daß da
Furcht hineinfaͤhrt. Der Mann iſt zu gutmuͤthig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0208" n="194"/>
aber man kenne die Deut&#x017F;chen noch gar nicht.<lb/>
&#x201E;Der Deut&#x017F;che i&#x017F;t geduldig, aber doch nur<lb/>
&#x201E;bis zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grade. Wenn die<lb/>
&#x201E;Geduld ihm <hi rendition="#g">reißt</hi>, wenn er das Schweigen<lb/>
&#x201E;bricht und einen Ent&#x017F;chluß gefaßt hat, &#x017F;o<lb/>
&#x201E;wird &#x017F;ich mancher wundern u&#x0364;ber die &#x017F;chein¬<lb/>
&#x201E;bare Verwandlung &#x017F;einer Natur. <hi rendition="#g">Und ich</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">fu&#x0364;hle es</hi>, <hi rendition="#g">daß auch ich ein Deut&#x017F;cher</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">bin</hi>.&#x201C; <hi rendition="#aq">Anch'io sono pittore</hi>! Er habe nie<lb/>
Freude an literari&#x017F;chen Streitigkeiten gefunden,<lb/>
aber &#x201E;<hi rendition="#g">was zu arg i&#x017F;t</hi>, <hi rendition="#g">i&#x017F;t zu arg</hi>.&#x201C; Man<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, &#x201E;dem Ge&#x017F;indel einmal auf die Finger<lb/>
klopfen, <hi rendition="#g">daß etwas Furcht hineinfa&#x0364;hrt</hi>.&#x201C;<lb/>
Aber guter Gott! was hilft da <hi rendition="#g">etwas</hi>,<lb/>
was hilft &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">viel</hi>? Es mag noch &#x017F;o viel<lb/>
Furcht in die Finger hineinfahren, ein tapferes<lb/>
Herz jagt &#x017F;ie wieder in die Schlacht zuru&#x0364;ck.<lb/>
Vor die Bru&#x017F;t ha&#x0364;tte er mich &#x017F;toßen, auf den<lb/>
Kopf ha&#x0364;tte er mir klopfen &#x017F;ollen, daß da<lb/>
Furcht hineinfa&#x0364;hrt. Der Mann i&#x017F;t zu gutmu&#x0364;thig.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0208] aber man kenne die Deutſchen noch gar nicht. „Der Deutſche iſt geduldig, aber doch nur „bis zu einem gewiſſen Grade. Wenn die „Geduld ihm reißt, wenn er das Schweigen „bricht und einen Entſchluß gefaßt hat, ſo „wird ſich mancher wundern uͤber die ſchein¬ „bare Verwandlung ſeiner Natur. Und ich „fuͤhle es, daß auch ich ein Deutſcher „bin.“ Anch'io sono pittore! Er habe nie Freude an literariſchen Streitigkeiten gefunden, aber „was zu arg iſt, iſt zu arg.“ Man muͤſſe, „dem Geſindel einmal auf die Finger klopfen, daß etwas Furcht hineinfaͤhrt.“ Aber guter Gott! was hilft da etwas, was hilft ſelbſt viel? Es mag noch ſo viel Furcht in die Finger hineinfahren, ein tapferes Herz jagt ſie wieder in die Schlacht zuruͤck. Vor die Bruſt haͤtte er mich ſtoßen, auf den Kopf haͤtte er mir klopfen ſollen, daß da Furcht hineinfaͤhrt. Der Mann iſt zu gutmuͤthig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/208
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/208>, abgerufen am 25.11.2024.